Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

Bild:
<< vorherige Seite

einen gesetzlich anerkannten Theil der Fachbildung ausmachen soll.
Die Anerkennung dieses Princips erscheint in der Bestimmung, daß für
jedes Fach die Theilnahme an Vorlesungen über Geschichte und Philo-
sophie vorgeschrieben sind. Die weitere Ausführung desselben ist in der
Zusammenstellung der obligaten Vorlesungen, beziehungsweise der Prü-
fungsgegenstände jedes einzelnen Faches enthalten. Das Streben, die
allgemeine Bildung in der Universitätsbildung festzuhalten und dadurch
außer dem Zweck der Fachwissenschaft auch die Idee der Wissenschaft an
sich zu verwirklichen, das Aufrechthalten des ursprünglichen Wesens der
Universitas literarum gehört Deutschland an, und bildet eine der großen
Grundlagen der Stellung der Universitäten überhaupt. In diesem
Punkte muß der eigentliche, specifische Charakter der deutschen Uni-
versität gesucht werden; der Grundsatz, daß jede Universität aus der
Verbindung aller Fakultäten bestehen müsse, ist in der That nur eine
äußerliche Form und Bedingung desselben Princips, welches die Ge-
schichte und Philosophie zu integrirenden Theilen der Fachwissenschaft
gemacht hat. Es wäre eine der wichtigsten culturhistorischen Aufgaben
der Geschichte der Universitäten, nachzuweisen, wie sich das Princip der
Theilnahme der Fachbildung an der philosophischen Fakultät und ihren
Vorlesungen bei den einzelnen Universitäten gestaltet hat, wie es im
siebzehnten und achtzehnten Jahrhundert damit gehalten wurde, und
wie weit dieser Grundsatz in die obligaten Studienplane aufgenommen
ist. Es ist eine andere Frage, ob und in welcher Weise namentlich die
Philosophie Schuld trägt an ihrer Entfremdung von den praktischen
Wissenschaften; wir haben diese Frage hier nicht zu untersuchen. Wohl
aber dürfen wir die Thatsache constatiren, daß der Geist der deutschen
Universitäten sich eben durch Philosophie und Geschichte als Gemeingut
aller Fakultätsbildung die volle Empfänglichkeit für die höchste allge-
meine Bildung erhalten hat, und wir haben alles Recht, das an und
für sich nicht bloß als einen wahren Schatz unseres höheren Lebens an-
zusehen, sondern auch mit allen Mitteln dahin zu trachten, daß dieß
Streben gefördert und damit der Verflachung der wissenschaftlichen Auf-
fassung vorgebeugt werde!

Der zweite Moment des Universitätslebens, die specielle Fachbil-
dung, ist nun daneben von den Verwaltungen gleichfalls, und im Grunde
mit noch mehr Nachdruck gefördert worden. Den Ausdruck dafür bildet
das das ganze Universitätswesen durchziehende Princip der Speciali-
sirung
der Fächer, und der Aufstellung von Specialanstalten für
einzelne Berufszweige. Es wäre eine zweite Aufgabe der Geschichte der
Universitäten, das Entstehen und die Entwicklung dieser Specialfächer
und Anstalten genauer zu verfolgen und nachzuweisen, wie sie meistens

einen geſetzlich anerkannten Theil der Fachbildung ausmachen ſoll.
Die Anerkennung dieſes Princips erſcheint in der Beſtimmung, daß für
jedes Fach die Theilnahme an Vorleſungen über Geſchichte und Philo-
ſophie vorgeſchrieben ſind. Die weitere Ausführung deſſelben iſt in der
Zuſammenſtellung der obligaten Vorleſungen, beziehungsweiſe der Prü-
fungsgegenſtände jedes einzelnen Faches enthalten. Das Streben, die
allgemeine Bildung in der Univerſitätsbildung feſtzuhalten und dadurch
außer dem Zweck der Fachwiſſenſchaft auch die Idee der Wiſſenſchaft an
ſich zu verwirklichen, das Aufrechthalten des urſprünglichen Weſens der
Universitas literarum gehört Deutſchland an, und bildet eine der großen
Grundlagen der Stellung der Univerſitäten überhaupt. In dieſem
Punkte muß der eigentliche, ſpecifiſche Charakter der deutſchen Uni-
verſität geſucht werden; der Grundſatz, daß jede Univerſität aus der
Verbindung aller Fakultäten beſtehen müſſe, iſt in der That nur eine
äußerliche Form und Bedingung deſſelben Princips, welches die Ge-
ſchichte und Philoſophie zu integrirenden Theilen der Fachwiſſenſchaft
gemacht hat. Es wäre eine der wichtigſten culturhiſtoriſchen Aufgaben
der Geſchichte der Univerſitäten, nachzuweiſen, wie ſich das Princip der
Theilnahme der Fachbildung an der philoſophiſchen Fakultät und ihren
Vorleſungen bei den einzelnen Univerſitäten geſtaltet hat, wie es im
ſiebzehnten und achtzehnten Jahrhundert damit gehalten wurde, und
wie weit dieſer Grundſatz in die obligaten Studienplane aufgenommen
iſt. Es iſt eine andere Frage, ob und in welcher Weiſe namentlich die
Philoſophie Schuld trägt an ihrer Entfremdung von den praktiſchen
Wiſſenſchaften; wir haben dieſe Frage hier nicht zu unterſuchen. Wohl
aber dürfen wir die Thatſache conſtatiren, daß der Geiſt der deutſchen
Univerſitäten ſich eben durch Philoſophie und Geſchichte als Gemeingut
aller Fakultätsbildung die volle Empfänglichkeit für die höchſte allge-
meine Bildung erhalten hat, und wir haben alles Recht, das an und
für ſich nicht bloß als einen wahren Schatz unſeres höheren Lebens an-
zuſehen, ſondern auch mit allen Mitteln dahin zu trachten, daß dieß
Streben gefördert und damit der Verflachung der wiſſenſchaftlichen Auf-
faſſung vorgebeugt werde!

Der zweite Moment des Univerſitätslebens, die ſpecielle Fachbil-
dung, iſt nun daneben von den Verwaltungen gleichfalls, und im Grunde
mit noch mehr Nachdruck gefördert worden. Den Ausdruck dafür bildet
das das ganze Univerſitätsweſen durchziehende Princip der Speciali-
ſirung
der Fächer, und der Aufſtellung von Specialanſtalten für
einzelne Berufszweige. Es wäre eine zweite Aufgabe der Geſchichte der
Univerſitäten, das Entſtehen und die Entwicklung dieſer Specialfächer
und Anſtalten genauer zu verfolgen und nachzuweiſen, wie ſie meiſtens

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0251" n="223"/>
einen ge&#x017F;etzlich anerkannten <hi rendition="#g">Theil der Fachbildung</hi> ausmachen &#x017F;oll.<lb/>
Die Anerkennung die&#x017F;es Princips er&#x017F;cheint in der Be&#x017F;timmung, daß für<lb/>
jedes Fach die Theilnahme an Vorle&#x017F;ungen über Ge&#x017F;chichte und Philo-<lb/>
&#x017F;ophie vorge&#x017F;chrieben &#x017F;ind. Die weitere Ausführung de&#x017F;&#x017F;elben i&#x017F;t in der<lb/>
Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellung der obligaten Vorle&#x017F;ungen, beziehungswei&#x017F;e der Prü-<lb/>
fungsgegen&#x017F;tände jedes einzelnen Faches enthalten. Das Streben, die<lb/>
allgemeine Bildung in der Univer&#x017F;itätsbildung fe&#x017F;tzuhalten und dadurch<lb/>
außer dem Zweck der Fachwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft auch die Idee der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft an<lb/>
&#x017F;ich zu verwirklichen, das Aufrechthalten des ur&#x017F;prünglichen We&#x017F;ens der<lb/><hi rendition="#aq">Universitas literarum</hi> gehört Deut&#x017F;chland an, und bildet eine der großen<lb/>
Grundlagen der Stellung der Univer&#x017F;itäten überhaupt. In die&#x017F;em<lb/>
Punkte muß der eigentliche, &#x017F;pecifi&#x017F;che Charakter der <hi rendition="#g">deut&#x017F;chen</hi> Uni-<lb/>
ver&#x017F;ität ge&#x017F;ucht werden; der Grund&#x017F;atz, daß jede Univer&#x017F;ität aus der<lb/>
Verbindung <hi rendition="#g">aller</hi> Fakultäten be&#x017F;tehen mü&#x017F;&#x017F;e, i&#x017F;t in der That nur eine<lb/>
äußerliche Form und Bedingung de&#x017F;&#x017F;elben Princips, welches die Ge-<lb/>
&#x017F;chichte und Philo&#x017F;ophie zu integrirenden Theilen der Fachwi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
gemacht hat. Es wäre eine der wichtig&#x017F;ten culturhi&#x017F;tori&#x017F;chen Aufgaben<lb/>
der Ge&#x017F;chichte der Univer&#x017F;itäten, nachzuwei&#x017F;en, wie &#x017F;ich das Princip der<lb/>
Theilnahme der Fachbildung an der philo&#x017F;ophi&#x017F;chen Fakultät und ihren<lb/>
Vorle&#x017F;ungen bei den einzelnen Univer&#x017F;itäten ge&#x017F;taltet hat, wie es im<lb/>
&#x017F;iebzehnten und achtzehnten Jahrhundert damit gehalten wurde, und<lb/>
wie weit die&#x017F;er Grund&#x017F;atz in die obligaten Studienplane aufgenommen<lb/>
i&#x017F;t. Es i&#x017F;t eine andere Frage, ob und in welcher Wei&#x017F;e namentlich die<lb/>
Philo&#x017F;ophie Schuld trägt an ihrer Entfremdung von den prakti&#x017F;chen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften; wir haben die&#x017F;e Frage hier nicht zu unter&#x017F;uchen. Wohl<lb/>
aber dürfen wir die That&#x017F;ache con&#x017F;tatiren, daß der <hi rendition="#g">Gei&#x017F;t</hi> der deut&#x017F;chen<lb/>
Univer&#x017F;itäten &#x017F;ich eben durch Philo&#x017F;ophie und Ge&#x017F;chichte als Gemeingut<lb/>
aller Fakultätsbildung die volle Empfänglichkeit für die höch&#x017F;te allge-<lb/>
meine Bildung erhalten hat, und wir haben alles Recht, das an und<lb/>
für &#x017F;ich nicht bloß als einen wahren Schatz un&#x017F;eres höheren Lebens an-<lb/>
zu&#x017F;ehen, &#x017F;ondern auch mit allen Mitteln dahin zu trachten, daß dieß<lb/>
Streben gefördert und damit der Verflachung der wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Auf-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung vorgebeugt werde!</p><lb/>
                    <p>Der <hi rendition="#g">zweite</hi> Moment des Univer&#x017F;itätslebens, die &#x017F;pecielle Fachbil-<lb/>
dung, i&#x017F;t nun daneben von den Verwaltungen gleichfalls, und im Grunde<lb/>
mit noch mehr Nachdruck gefördert worden. Den Ausdruck dafür bildet<lb/>
das das ganze Univer&#x017F;itätswe&#x017F;en durchziehende Princip der <hi rendition="#g">Speciali-<lb/>
&#x017F;irung</hi> der Fächer, und der Auf&#x017F;tellung von <hi rendition="#g">Specialan&#x017F;talten</hi> für<lb/>
einzelne Berufszweige. Es wäre eine zweite Aufgabe der Ge&#x017F;chichte der<lb/>
Univer&#x017F;itäten, das Ent&#x017F;tehen und die Entwicklung die&#x017F;er Specialfächer<lb/>
und An&#x017F;talten genauer zu verfolgen und nachzuwei&#x017F;en, wie &#x017F;ie mei&#x017F;tens<lb/></p>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0251] einen geſetzlich anerkannten Theil der Fachbildung ausmachen ſoll. Die Anerkennung dieſes Princips erſcheint in der Beſtimmung, daß für jedes Fach die Theilnahme an Vorleſungen über Geſchichte und Philo- ſophie vorgeſchrieben ſind. Die weitere Ausführung deſſelben iſt in der Zuſammenſtellung der obligaten Vorleſungen, beziehungsweiſe der Prü- fungsgegenſtände jedes einzelnen Faches enthalten. Das Streben, die allgemeine Bildung in der Univerſitätsbildung feſtzuhalten und dadurch außer dem Zweck der Fachwiſſenſchaft auch die Idee der Wiſſenſchaft an ſich zu verwirklichen, das Aufrechthalten des urſprünglichen Weſens der Universitas literarum gehört Deutſchland an, und bildet eine der großen Grundlagen der Stellung der Univerſitäten überhaupt. In dieſem Punkte muß der eigentliche, ſpecifiſche Charakter der deutſchen Uni- verſität geſucht werden; der Grundſatz, daß jede Univerſität aus der Verbindung aller Fakultäten beſtehen müſſe, iſt in der That nur eine äußerliche Form und Bedingung deſſelben Princips, welches die Ge- ſchichte und Philoſophie zu integrirenden Theilen der Fachwiſſenſchaft gemacht hat. Es wäre eine der wichtigſten culturhiſtoriſchen Aufgaben der Geſchichte der Univerſitäten, nachzuweiſen, wie ſich das Princip der Theilnahme der Fachbildung an der philoſophiſchen Fakultät und ihren Vorleſungen bei den einzelnen Univerſitäten geſtaltet hat, wie es im ſiebzehnten und achtzehnten Jahrhundert damit gehalten wurde, und wie weit dieſer Grundſatz in die obligaten Studienplane aufgenommen iſt. Es iſt eine andere Frage, ob und in welcher Weiſe namentlich die Philoſophie Schuld trägt an ihrer Entfremdung von den praktiſchen Wiſſenſchaften; wir haben dieſe Frage hier nicht zu unterſuchen. Wohl aber dürfen wir die Thatſache conſtatiren, daß der Geiſt der deutſchen Univerſitäten ſich eben durch Philoſophie und Geſchichte als Gemeingut aller Fakultätsbildung die volle Empfänglichkeit für die höchſte allge- meine Bildung erhalten hat, und wir haben alles Recht, das an und für ſich nicht bloß als einen wahren Schatz unſeres höheren Lebens an- zuſehen, ſondern auch mit allen Mitteln dahin zu trachten, daß dieß Streben gefördert und damit der Verflachung der wiſſenſchaftlichen Auf- faſſung vorgebeugt werde! Der zweite Moment des Univerſitätslebens, die ſpecielle Fachbil- dung, iſt nun daneben von den Verwaltungen gleichfalls, und im Grunde mit noch mehr Nachdruck gefördert worden. Den Ausdruck dafür bildet das das ganze Univerſitätsweſen durchziehende Princip der Speciali- ſirung der Fächer, und der Aufſtellung von Specialanſtalten für einzelne Berufszweige. Es wäre eine zweite Aufgabe der Geſchichte der Univerſitäten, das Entſtehen und die Entwicklung dieſer Specialfächer und Anſtalten genauer zu verfolgen und nachzuweiſen, wie ſie meiſtens

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/251
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/251>, abgerufen am 22.11.2024.