Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.was durch Sein oder Begriff, durch Bild oder Kenntniß sich als be- So erscheinen diese drei Grundbegriffe aller Bildung: Elementar-, Ihr innerer Unterschied und ihre äußern Gränzen liegen nämlich Das Wesen der Elementarbildung fordert nämlich, daß sie zunächst was durch Sein oder Begriff, durch Bild oder Kenntniß ſich als be- So erſcheinen dieſe drei Grundbegriffe aller Bildung: Elementar-, Ihr innerer Unterſchied und ihre äußern Gränzen liegen nämlich Das Weſen der Elementarbildung fordert nämlich, daß ſie zunächſt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0034" n="6"/> was durch Sein oder Begriff, durch Bild oder Kenntniß ſich als be-<lb/> ſtimmtes geiſtiges Gut formuliren läßt als Streben nach der <hi rendition="#g">allge-<lb/> meinen Bildung</hi>. Die allgemeine Bildung hat keinen beſtimmten<lb/> Inhalt; ſie umfaßt ihrer formalen Definition nach alles, was menſch-<lb/> liche That in Wiſſenſchaft und Kunſt hervorgebracht; ſie erſcheint aber<lb/> praktiſch in der Kenntniß deſſen, was jeden einzelnen Lebensberuf mit<lb/><hi rendition="#g">allen andern innerlich und organiſch verbindet</hi>, und enthält<lb/> daher das Geſammtbild des geiſtigen Lebens der Menſchheit, im Einzel-<lb/> bewußtſein ausgedrückt und geſtaltet. Nach einer ſolchen allgemeinen<lb/> Bildung ſtrebt jede Zeit und jedes Volk; aber die Höhe aller Geſittung<lb/> bleibt immer dadurch ausgedrückt und gemeſſen, daß die Erzeugung<lb/> dieſer allgemeinen Bildung ſelbſt wieder als eine organiſche Aufgabe<lb/> der Gemeinſchaft gegenüber dem Einzelnen, als eine Pflicht und ge-<lb/> ordnete Thätigkeit derſelben erſcheint. Und dieſe geordnete Thätigkeit<lb/> für dieſen Zweck nennen wir das <hi rendition="#g">allgemeine Bildungsweſen</hi>.</p><lb/> <p>So erſcheinen dieſe drei Grundbegriffe aller Bildung: Elementar-,<lb/> Berufs- und allgemeine Bildung, als die drei großen Functionen, in<lb/> denen der Proceß der Bildung überhaupt beſteht. Allein ſowohl ihrer<lb/> innern Natur nach, als auch für das richtige Verſtändniß des Zuſtandes<lb/> und der Aufgabe der Verwaltung iſt es nothwendig, ſie nicht bloß als<lb/> neben einander ſtehende und geſonderte Thätigkeiten, ſondern zugleich<lb/> in ihrem innern Verhalten zu einander aufzufaſſen.</p><lb/> <p>Ihr innerer Unterſchied und ihre äußern Gränzen liegen nämlich<lb/> nicht in ihrem Weſen, ſondern in dem Bedürfniß und der Natur der<lb/> Perſönlichkeit. Sie ſind innerlich Eins. Sie laſſen ſich daher auch<lb/> äußerlich nie ganz trennen. Jeder Theil vermag von dem andern<lb/> etwas in ſich aufzunehmen, und in dem Sinne des andern zu wirken,<lb/> ſowohl der Form als dem Inhalt nach. Sie ſtehen daher, mögen ſie<lb/> ſonſt äußerlich geſchieden und benannt ſein wie ſie wollen, ſtets im<lb/> lebendigen Wechſelverkehr unter einander, und dieſer Wechſelverkehr<lb/> iſt theils durch ihre Natur ſelbſt gegeben, theils tritt er in der bildenden<lb/> Arbeit der Gemeinſchaft mehr oder weniger klar hervor, und wird<lb/> zuletzt in derſelben für ihren höchſten und letzten Erfolg auch im Ein-<lb/> zelnen entſcheidend.</p><lb/> <p>Das Weſen der Elementarbildung fordert nämlich, daß ſie zunächſt<lb/> der <hi rendition="#g">Form</hi> nach die gleiche für alle ſei; aber ſelbſt in dieſer Form hat<lb/> ſie die Fähigkeit, gewiſſe Elemente des Berufs und der allgemeinen<lb/> Bildung in ſich aufzunehmen und mitzutheilen. Das iſt es, was ihr<lb/> ihre höhere Bedeutung gibt, und die Art und das Maß in welcher<lb/> dieß in der Elementarbildung wirklich geſchieht, iſt das erſte charakteri-<lb/> ſtiſche Kennzeichen für die Höhe des Bildungsweſens überhaupt. Die<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0034]
was durch Sein oder Begriff, durch Bild oder Kenntniß ſich als be-
ſtimmtes geiſtiges Gut formuliren läßt als Streben nach der allge-
meinen Bildung. Die allgemeine Bildung hat keinen beſtimmten
Inhalt; ſie umfaßt ihrer formalen Definition nach alles, was menſch-
liche That in Wiſſenſchaft und Kunſt hervorgebracht; ſie erſcheint aber
praktiſch in der Kenntniß deſſen, was jeden einzelnen Lebensberuf mit
allen andern innerlich und organiſch verbindet, und enthält
daher das Geſammtbild des geiſtigen Lebens der Menſchheit, im Einzel-
bewußtſein ausgedrückt und geſtaltet. Nach einer ſolchen allgemeinen
Bildung ſtrebt jede Zeit und jedes Volk; aber die Höhe aller Geſittung
bleibt immer dadurch ausgedrückt und gemeſſen, daß die Erzeugung
dieſer allgemeinen Bildung ſelbſt wieder als eine organiſche Aufgabe
der Gemeinſchaft gegenüber dem Einzelnen, als eine Pflicht und ge-
ordnete Thätigkeit derſelben erſcheint. Und dieſe geordnete Thätigkeit
für dieſen Zweck nennen wir das allgemeine Bildungsweſen.
So erſcheinen dieſe drei Grundbegriffe aller Bildung: Elementar-,
Berufs- und allgemeine Bildung, als die drei großen Functionen, in
denen der Proceß der Bildung überhaupt beſteht. Allein ſowohl ihrer
innern Natur nach, als auch für das richtige Verſtändniß des Zuſtandes
und der Aufgabe der Verwaltung iſt es nothwendig, ſie nicht bloß als
neben einander ſtehende und geſonderte Thätigkeiten, ſondern zugleich
in ihrem innern Verhalten zu einander aufzufaſſen.
Ihr innerer Unterſchied und ihre äußern Gränzen liegen nämlich
nicht in ihrem Weſen, ſondern in dem Bedürfniß und der Natur der
Perſönlichkeit. Sie ſind innerlich Eins. Sie laſſen ſich daher auch
äußerlich nie ganz trennen. Jeder Theil vermag von dem andern
etwas in ſich aufzunehmen, und in dem Sinne des andern zu wirken,
ſowohl der Form als dem Inhalt nach. Sie ſtehen daher, mögen ſie
ſonſt äußerlich geſchieden und benannt ſein wie ſie wollen, ſtets im
lebendigen Wechſelverkehr unter einander, und dieſer Wechſelverkehr
iſt theils durch ihre Natur ſelbſt gegeben, theils tritt er in der bildenden
Arbeit der Gemeinſchaft mehr oder weniger klar hervor, und wird
zuletzt in derſelben für ihren höchſten und letzten Erfolg auch im Ein-
zelnen entſcheidend.
Das Weſen der Elementarbildung fordert nämlich, daß ſie zunächſt
der Form nach die gleiche für alle ſei; aber ſelbſt in dieſer Form hat
ſie die Fähigkeit, gewiſſe Elemente des Berufs und der allgemeinen
Bildung in ſich aufzunehmen und mitzutheilen. Das iſt es, was ihr
ihre höhere Bedeutung gibt, und die Art und das Maß in welcher
dieß in der Elementarbildung wirklich geſchieht, iſt das erſte charakteri-
ſtiſche Kennzeichen für die Höhe des Bildungsweſens überhaupt. Die
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