Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.freien und kräftigen Persönlichkeit, so weit sie den herrschenden Klassen III. Daneben aber geht in der alten Welt ein zweiter Bildungs- freien und kräftigen Perſönlichkeit, ſo weit ſie den herrſchenden Klaſſen III. Daneben aber geht in der alten Welt ein zweiter Bildungs- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0052" n="24"/> freien und kräftigen Perſönlichkeit, ſo weit ſie den herrſchenden Klaſſen<lb/> angehört. So entſteht das <hi rendition="#g">Bildungsweſen der Geſchlechter</hi>, ge-<lb/> richtet auf Tapferkeit, Sitte und Dienſt der Geſchlechtergötter. Die<lb/> Unterſcheidung der Elementar- und Berufsbildung <hi rendition="#g">fehlt</hi> dabei, weil<lb/> die Geſchlechterordnung nur Einen Beruf kennt, den des Dienſtes in<lb/> Waffen. Die Geſchlechter ſelbſt aber ſind gleichberechtigte Glieder der<lb/> Gemeinſchaft, und fordern und erhalten alle <hi rendition="#g">gleiche</hi> Bildung, und dieſe<lb/> Bildung iſt die Baſis des auf ihrer Herrſchaft ruhenden, oder vielmehr<lb/> aus ihr ſelbſt beſtehenden Staats. Wo daher ein Geſchlechterſtaat<lb/> theoretiſch zum Bewußtſein gelangt, wird er <hi rendition="#g">dieſe</hi> Bildung als all-<lb/> gemeine Nothwendigkeit, als gleiche Pflicht jedes Einzelnen gegen das<lb/> Ganze fordern, weil ſie ſeine Herrſchaft begründet. Dadurch erſcheint<lb/> dann die Erziehung und Bildung als eine öffentliche Angelegenheit,<lb/> aber nur innerhalb der individuellen Tüchtigkeit in Waffen und Staats-<lb/> dienſt. Auf dieſe Weiſe beſteht der Charakter des öffentlichen Bildungs-<lb/> weſens der Geſchlechterordnung darin, daß der Staat (als die Organi-<lb/> ſation der Geſchlechterherrſchaft) die Bildung von den Einzelnen fordert,<lb/> aber ſie ihnen weder gibt noch erleichtert. Die Geſchlechter ſelbſt ſind die<lb/> Träger der Bildung; in ihnen die <hi rendition="#g">Familie</hi>. In dieſem Stadium der<lb/> Geſchichte iſt es daher, wo die Familie als Grundlage der Bildung erkannt<lb/> wird; allein damit iſt auch die beſtändige, bis auf unſere Zeit reichende<lb/> Verſchmelzung von <hi rendition="#g">Erziehung und Bildung</hi> begründet, die das<lb/> Verſtändniß des öffentlichen Rechts der letzteren ſo ſchwer macht. Die<lb/> wirkliche Bildung der Geſchlechter erſcheint daher eben ſo ſehr als eine<lb/> ſociale, denn als eine ſtaatliche Pflicht; in den einheitlichen Formen<lb/> des Geſchlechterſtaats verſchmilzt beides. Die öffentliche Formen werden<lb/> dann die <hi rendition="#g">Spiele</hi>, Waffen- und Turnſpiele; aber nur die Geſchlechter<lb/> ſind zu ihnen berechtigt. So war es in der alten Welt, ſo iſt es in<lb/> der germaniſchen geweſen, und ſo iſt es in den Reſten der alten Ge-<lb/> ſchlechter noch jetzt, denn das Uebergehen der Söhne des Adels in den<lb/> Waffenſtand iſt nur eine andere Form derſelben Thatſache.</p><lb/> <p><hi rendition="#aq">III.</hi> Daneben aber geht in der alten Welt ein zweiter Bildungs-<lb/> proceß her, der eine nicht minder hohe weltgeſchichtliche Bedeutung ge-<lb/> habt hat. Jene Geſchlechterbildung enthält zuletzt in ihrem Ergebniß eine<lb/><hi rendition="#g">Berufsbildung</hi>; denn die Waffe iſt der Beruf des „freien“ Mannes.<lb/> Die Idee der Freiheit aber, einmal lebendig in dem Menſchen und ihn er-<lb/> hebend und veredelnd, erzeugt dagegen eine Form der allgemeinen Bildung,<lb/> in welcher zuerſt in der Weltgeſchichte die einzelne Perſönlichkeit, von Beſitz<lb/> und Geſchlecht unabhängig, ſich durch geiſtige Güter eine Stellung<lb/> gewinnt. Dieſe allgemeine Bildung iſt in der griechiſchen Welt die<lb/> „Poeſie“ im weiteſten Sinne, die Philoſophie und Redekunſt inbegriffen:<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0052]
freien und kräftigen Perſönlichkeit, ſo weit ſie den herrſchenden Klaſſen
angehört. So entſteht das Bildungsweſen der Geſchlechter, ge-
richtet auf Tapferkeit, Sitte und Dienſt der Geſchlechtergötter. Die
Unterſcheidung der Elementar- und Berufsbildung fehlt dabei, weil
die Geſchlechterordnung nur Einen Beruf kennt, den des Dienſtes in
Waffen. Die Geſchlechter ſelbſt aber ſind gleichberechtigte Glieder der
Gemeinſchaft, und fordern und erhalten alle gleiche Bildung, und dieſe
Bildung iſt die Baſis des auf ihrer Herrſchaft ruhenden, oder vielmehr
aus ihr ſelbſt beſtehenden Staats. Wo daher ein Geſchlechterſtaat
theoretiſch zum Bewußtſein gelangt, wird er dieſe Bildung als all-
gemeine Nothwendigkeit, als gleiche Pflicht jedes Einzelnen gegen das
Ganze fordern, weil ſie ſeine Herrſchaft begründet. Dadurch erſcheint
dann die Erziehung und Bildung als eine öffentliche Angelegenheit,
aber nur innerhalb der individuellen Tüchtigkeit in Waffen und Staats-
dienſt. Auf dieſe Weiſe beſteht der Charakter des öffentlichen Bildungs-
weſens der Geſchlechterordnung darin, daß der Staat (als die Organi-
ſation der Geſchlechterherrſchaft) die Bildung von den Einzelnen fordert,
aber ſie ihnen weder gibt noch erleichtert. Die Geſchlechter ſelbſt ſind die
Träger der Bildung; in ihnen die Familie. In dieſem Stadium der
Geſchichte iſt es daher, wo die Familie als Grundlage der Bildung erkannt
wird; allein damit iſt auch die beſtändige, bis auf unſere Zeit reichende
Verſchmelzung von Erziehung und Bildung begründet, die das
Verſtändniß des öffentlichen Rechts der letzteren ſo ſchwer macht. Die
wirkliche Bildung der Geſchlechter erſcheint daher eben ſo ſehr als eine
ſociale, denn als eine ſtaatliche Pflicht; in den einheitlichen Formen
des Geſchlechterſtaats verſchmilzt beides. Die öffentliche Formen werden
dann die Spiele, Waffen- und Turnſpiele; aber nur die Geſchlechter
ſind zu ihnen berechtigt. So war es in der alten Welt, ſo iſt es in
der germaniſchen geweſen, und ſo iſt es in den Reſten der alten Ge-
ſchlechter noch jetzt, denn das Uebergehen der Söhne des Adels in den
Waffenſtand iſt nur eine andere Form derſelben Thatſache.
III. Daneben aber geht in der alten Welt ein zweiter Bildungs-
proceß her, der eine nicht minder hohe weltgeſchichtliche Bedeutung ge-
habt hat. Jene Geſchlechterbildung enthält zuletzt in ihrem Ergebniß eine
Berufsbildung; denn die Waffe iſt der Beruf des „freien“ Mannes.
Die Idee der Freiheit aber, einmal lebendig in dem Menſchen und ihn er-
hebend und veredelnd, erzeugt dagegen eine Form der allgemeinen Bildung,
in welcher zuerſt in der Weltgeſchichte die einzelne Perſönlichkeit, von Beſitz
und Geſchlecht unabhängig, ſich durch geiſtige Güter eine Stellung
gewinnt. Dieſe allgemeine Bildung iſt in der griechiſchen Welt die
„Poeſie“ im weiteſten Sinne, die Philoſophie und Redekunſt inbegriffen:
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