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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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-- das Fortschreiten im Nachdenken über die wichtigsten Angelegenheiten
der Menschheit." Kant bezeichnet sie als "das Losreißen von der
Unmündigkeit oder der bloßen Autorität fremder Urtheile;" Jacob, diese
Definitionen zusammenfassend, sagt, "die Aufklärung ist derjenige Zu-
stand der Seele, in welchem sie sich von der Autorität anderer losreißt,
um über die moralischen und religiösen (!) Verhältnisse selbst zu denken,
und ein eigenes, von aller Autorität fremdes Urtheil darüber zu fällen."
(Polizeiwissensch. I. 280.) Kaum hat aber wohl jemand das Wesen dieses
Bildungsprocesses besser und gründlicher bezeichnet, als Aretin (Staats-
recht der constitutionellen Monarchie II. Bd. 2. Abth. S. 36--43), der
hier nicht bloß der Vertreter einer Definition oder eines Princips,
sondern des öffentlichen Rechts wird. Der Gesammterfolg aber ist,
daß das, was man unter "Aufklärung" verstand, die Grundlage nicht
etwa einer bestimmten Wissenschaft, sondern der allgemeinen Bildung
überhaupt ward; und es war klar, daß mit dem ersten Stoße, den
die haltlos gewordenen öffentlichen Verhältnisse bekamen, auch das
Bildungswesen eine andere Gestalt gewinnen mußte.

XI. Dieß nun geschieht mit dem definitiven Siege der staatsbür-
gerlichen Gesellschaft in unserm Jahrhundert. Die Welt des geistigen
Lebens hält in demselben gleichen Schritt mit der des gewerblichen,
und beide ziehen das staatliche im Allgemeinen, die Verwaltung im
Besondern nach sich. Das Princip dessen was hier zu thun ist, wird
immer klarer; dieß Princip erzeugt sein System, und dieß System ist
es das bei aller Verschiedenheit bei den einzelnen Nationen dennoch
allenthalben den gleichen Charakter theils schon gewonnen hat, theils
mehr und mehr gewinnt. Man kann nun jenes Princip leicht und
bestimmt formuliren; es ist aber dieß nothwendig, weil an ihm der
eigentliche Maßstab der Vergleichung des Verschiedenen gegeben ist.
Die staatsbürgerliche Gesellschaft entfaltet nämlich den Grundsatz, daß
das Bildungswesen ein freies, ein systematisch entwickeltes,
und ein organisch einheitliches sein soll. Und den Ausdruck dieser
Momente bildet nun in den verschiedenen Grundformen der Bildung
die folgenden Grundsätze, deren Ausführung im Einzelnen eben die
nachfolgende Darstellung des vergleichenden Verwaltungsrechts des
Bildungswesens sein soll.

Die Freiheit der Elementarbildung besteht formell in dem Rechte,
den Elementarunterricht in jeder Weise zu ertheilen; innerlich aber in
dem Streben, schon mit ihr die ersten Elemente der allgemeinen Bildung
zu verbinden. Diese erscheinen einerseits als die Elemente der allge-
meinen Kenntnisse, etwas Geographie, Geschichte, Naturlehre; andrer-
seits als die elementaren Formen der Selbstthätigkeit in der Aufgabe,

— das Fortſchreiten im Nachdenken über die wichtigſten Angelegenheiten
der Menſchheit.“ Kant bezeichnet ſie als „das Losreißen von der
Unmündigkeit oder der bloßen Autorität fremder Urtheile;“ Jacob, dieſe
Definitionen zuſammenfaſſend, ſagt, „die Aufklärung iſt derjenige Zu-
ſtand der Seele, in welchem ſie ſich von der Autorität anderer losreißt,
um über die moraliſchen und religiöſen (!) Verhältniſſe ſelbſt zu denken,
und ein eigenes, von aller Autorität fremdes Urtheil darüber zu fällen.“
(Polizeiwiſſenſch. I. 280.) Kaum hat aber wohl jemand das Weſen dieſes
Bildungsproceſſes beſſer und gründlicher bezeichnet, als Aretin (Staats-
recht der conſtitutionellen Monarchie II. Bd. 2. Abth. S. 36—43), der
hier nicht bloß der Vertreter einer Definition oder eines Princips,
ſondern des öffentlichen Rechts wird. Der Geſammterfolg aber iſt,
daß das, was man unter „Aufklärung“ verſtand, die Grundlage nicht
etwa einer beſtimmten Wiſſenſchaft, ſondern der allgemeinen Bildung
überhaupt ward; und es war klar, daß mit dem erſten Stoße, den
die haltlos gewordenen öffentlichen Verhältniſſe bekamen, auch das
Bildungsweſen eine andere Geſtalt gewinnen mußte.

XI. Dieß nun geſchieht mit dem definitiven Siege der ſtaatsbür-
gerlichen Geſellſchaft in unſerm Jahrhundert. Die Welt des geiſtigen
Lebens hält in demſelben gleichen Schritt mit der des gewerblichen,
und beide ziehen das ſtaatliche im Allgemeinen, die Verwaltung im
Beſondern nach ſich. Das Princip deſſen was hier zu thun iſt, wird
immer klarer; dieß Princip erzeugt ſein Syſtem, und dieß Syſtem iſt
es das bei aller Verſchiedenheit bei den einzelnen Nationen dennoch
allenthalben den gleichen Charakter theils ſchon gewonnen hat, theils
mehr und mehr gewinnt. Man kann nun jenes Princip leicht und
beſtimmt formuliren; es iſt aber dieß nothwendig, weil an ihm der
eigentliche Maßſtab der Vergleichung des Verſchiedenen gegeben iſt.
Die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft entfaltet nämlich den Grundſatz, daß
das Bildungsweſen ein freies, ein ſyſtematiſch entwickeltes,
und ein organiſch einheitliches ſein ſoll. Und den Ausdruck dieſer
Momente bildet nun in den verſchiedenen Grundformen der Bildung
die folgenden Grundſätze, deren Ausführung im Einzelnen eben die
nachfolgende Darſtellung des vergleichenden Verwaltungsrechts des
Bildungsweſens ſein ſoll.

Die Freiheit der Elementarbildung beſteht formell in dem Rechte,
den Elementarunterricht in jeder Weiſe zu ertheilen; innerlich aber in
dem Streben, ſchon mit ihr die erſten Elemente der allgemeinen Bildung
zu verbinden. Dieſe erſcheinen einerſeits als die Elemente der allge-
meinen Kenntniſſe, etwas Geographie, Geſchichte, Naturlehre; andrer-
ſeits als die elementaren Formen der Selbſtthätigkeit in der Aufgabe,

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[34/0062] — das Fortſchreiten im Nachdenken über die wichtigſten Angelegenheiten der Menſchheit.“ Kant bezeichnet ſie als „das Losreißen von der Unmündigkeit oder der bloßen Autorität fremder Urtheile;“ Jacob, dieſe Definitionen zuſammenfaſſend, ſagt, „die Aufklärung iſt derjenige Zu- ſtand der Seele, in welchem ſie ſich von der Autorität anderer losreißt, um über die moraliſchen und religiöſen (!) Verhältniſſe ſelbſt zu denken, und ein eigenes, von aller Autorität fremdes Urtheil darüber zu fällen.“ (Polizeiwiſſenſch. I. 280.) Kaum hat aber wohl jemand das Weſen dieſes Bildungsproceſſes beſſer und gründlicher bezeichnet, als Aretin (Staats- recht der conſtitutionellen Monarchie II. Bd. 2. Abth. S. 36—43), der hier nicht bloß der Vertreter einer Definition oder eines Princips, ſondern des öffentlichen Rechts wird. Der Geſammterfolg aber iſt, daß das, was man unter „Aufklärung“ verſtand, die Grundlage nicht etwa einer beſtimmten Wiſſenſchaft, ſondern der allgemeinen Bildung überhaupt ward; und es war klar, daß mit dem erſten Stoße, den die haltlos gewordenen öffentlichen Verhältniſſe bekamen, auch das Bildungsweſen eine andere Geſtalt gewinnen mußte. XI. Dieß nun geſchieht mit dem definitiven Siege der ſtaatsbür- gerlichen Geſellſchaft in unſerm Jahrhundert. Die Welt des geiſtigen Lebens hält in demſelben gleichen Schritt mit der des gewerblichen, und beide ziehen das ſtaatliche im Allgemeinen, die Verwaltung im Beſondern nach ſich. Das Princip deſſen was hier zu thun iſt, wird immer klarer; dieß Princip erzeugt ſein Syſtem, und dieß Syſtem iſt es das bei aller Verſchiedenheit bei den einzelnen Nationen dennoch allenthalben den gleichen Charakter theils ſchon gewonnen hat, theils mehr und mehr gewinnt. Man kann nun jenes Princip leicht und beſtimmt formuliren; es iſt aber dieß nothwendig, weil an ihm der eigentliche Maßſtab der Vergleichung des Verſchiedenen gegeben iſt. Die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft entfaltet nämlich den Grundſatz, daß das Bildungsweſen ein freies, ein ſyſtematiſch entwickeltes, und ein organiſch einheitliches ſein ſoll. Und den Ausdruck dieſer Momente bildet nun in den verſchiedenen Grundformen der Bildung die folgenden Grundſätze, deren Ausführung im Einzelnen eben die nachfolgende Darſtellung des vergleichenden Verwaltungsrechts des Bildungsweſens ſein ſoll. Die Freiheit der Elementarbildung beſteht formell in dem Rechte, den Elementarunterricht in jeder Weiſe zu ertheilen; innerlich aber in dem Streben, ſchon mit ihr die erſten Elemente der allgemeinen Bildung zu verbinden. Dieſe erſcheinen einerſeits als die Elemente der allge- meinen Kenntniſſe, etwas Geographie, Geſchichte, Naturlehre; andrer- ſeits als die elementaren Formen der Selbſtthätigkeit in der Aufgabe,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/62>, abgerufen am 21.11.2024.