Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.laufen wie in Frankreich; aber während hier das eine System das der Schon am 12. October 1830 hob die belgische provisorische Regie- Vergl. le Roy bei Schmid Encykl. I. S. 491 ff. mit der Literatur laufen wie in Frankreich; aber während hier das eine Syſtem das der Schon am 12. October 1830 hob die belgiſche proviſoriſche Regie- Vergl. le Roy bei Schmid Encykl. I. S. 491 ff. mit der Literatur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0082" n="54"/> laufen wie in Frankreich; aber während hier das eine Syſtem das der<lb/> ſtaatlichen, das zweite das der privaten Bildung iſt, ſteht in Belgien<lb/> das Syſtem des geiſtlichen Bildungsweſens ausgeprägt und beſtimmt<lb/> neben dem ſtaatlichen, und der Hauptpunkt des öffentlichen Rechts des<lb/> letztern iſt hier die Frage nach dem Verhältniß der Staatsgewalt und<lb/> ihrer Oberaufſicht zu dem kirchlichen Bildungsweſen. Bis 1830 war<lb/> natürlich das belgiſche Recht dem holländiſchen untergeordnet; ſeit dieſer<lb/> Zeit aber entwickelt ſich jener ſpecifiſche Charakter des erſtern und findet<lb/> ſeinen Ausdruck in der Geſchichte der Geſetzgebung.</p><lb/> <p>Schon am 12. October 1830 hob die belgiſche proviſoriſche Regie-<lb/> rung alle Beſchränkungen des Unterrichts auf; die Regierung behält<lb/> nur das Recht, bei Bewilligungen von Subſidien aus der Staatscaſſe<lb/> Bedingungen vorzuſchreiben. Das war das <hi rendition="#aq">Enseignement libre,</hi> deren<lb/> Folge nach den einſtimmigen Urtheilen aller Fachmänner eine vollſtän-<lb/> dige Desorganiſation des Unterrichtsweſens war. Die erſten Verſuche,<lb/> in einer feſten Geſetzgebung die Staatsgewalt ihre natürliche Stellung<lb/> wiederzugeben, mißlangen. Der Entwurf vom 31. Juli 1834, der das<lb/> geſammte Bildungsweſen, alſo auch die Berufsbildung nach franzöſiſchen<lb/> Kategorien umfaßt hatte, kam nicht zur Geltung; ſtatt deſſen ward<lb/> der Elementarunterricht erſt durch das Geſetz vom 23. September 1842,<lb/> und das Vorbildungsweſen für die Fachbildung durch das Geſetz von<lb/> 1830 geordnet, dem in neueſter Zeit die Verordnung vom 1. September<lb/> 1866 gefolgt iſt, welche als die Grundlage des wirthſchaftlichen Vor-<lb/> bildungsweſens angeſehen werden muß. Die Grundzüge des auf dieſe<lb/> Weiſe entſtandenen Bildungsſyſtems beruhen auf einem eigenthümlichen,<lb/> ſeit 1842 mehrfach im Einzelnen genauer beſtimmten <hi rendition="#g">Zuſammen-<lb/> wirken</hi> der weltlichen und geiſtlichen Behörden <hi rendition="#g">in der Inſpektion<lb/> der Volksſchule</hi>, während dieſe Gemeinſchaft für die gelehrten Bil-<lb/> dungsanſtalten zwar nicht gilt, dafür aber die volle Freiheit der geiſt-<lb/> lichen Körperſchaften beſteht, <hi rendition="#g">neben</hi> den ſtaatlichen Vorbildungs- und<lb/> Fachbildungsanſtalten ſelbſtändig zu errichten. Darin beſteht der Cha-<lb/> rakter des belgiſchen Bildungsweſens; im Uebrigen iſt es der Form<lb/> nach franzöſiſch, dem Inhalte nach wendet es ſich mehr und mehr dem<lb/> deutſchen Syſteme zu.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p>Vergl. <hi rendition="#g">le Roy</hi> bei <hi rendition="#g">Schmid</hi> Encykl. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 491 ff. mit der Literatur<lb/> und einer kurzen Geſchichte. Was <hi rendition="#g">Batbie</hi> (<hi rendition="#aq">Droit de public l’adm. VI.<lb/> p.</hi> 158) ſagt, iſt ſehr unbedeutend. Dagegen iſt <hi rendition="#g">de Fooz</hi> (<hi rendition="#aq">Droit admini-<lb/> stratif Belge T. IV. T. II.</hi>) ſehr genau im Einzelnen, jedoch unter<lb/> ſorgfältiger Vermeidung jeder eingehenden Betrachtung der obigen Punkte,<lb/> die wir unten ſpeciell hervorheben werden.</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [54/0082]
laufen wie in Frankreich; aber während hier das eine Syſtem das der
ſtaatlichen, das zweite das der privaten Bildung iſt, ſteht in Belgien
das Syſtem des geiſtlichen Bildungsweſens ausgeprägt und beſtimmt
neben dem ſtaatlichen, und der Hauptpunkt des öffentlichen Rechts des
letztern iſt hier die Frage nach dem Verhältniß der Staatsgewalt und
ihrer Oberaufſicht zu dem kirchlichen Bildungsweſen. Bis 1830 war
natürlich das belgiſche Recht dem holländiſchen untergeordnet; ſeit dieſer
Zeit aber entwickelt ſich jener ſpecifiſche Charakter des erſtern und findet
ſeinen Ausdruck in der Geſchichte der Geſetzgebung.
Schon am 12. October 1830 hob die belgiſche proviſoriſche Regie-
rung alle Beſchränkungen des Unterrichts auf; die Regierung behält
nur das Recht, bei Bewilligungen von Subſidien aus der Staatscaſſe
Bedingungen vorzuſchreiben. Das war das Enseignement libre, deren
Folge nach den einſtimmigen Urtheilen aller Fachmänner eine vollſtän-
dige Desorganiſation des Unterrichtsweſens war. Die erſten Verſuche,
in einer feſten Geſetzgebung die Staatsgewalt ihre natürliche Stellung
wiederzugeben, mißlangen. Der Entwurf vom 31. Juli 1834, der das
geſammte Bildungsweſen, alſo auch die Berufsbildung nach franzöſiſchen
Kategorien umfaßt hatte, kam nicht zur Geltung; ſtatt deſſen ward
der Elementarunterricht erſt durch das Geſetz vom 23. September 1842,
und das Vorbildungsweſen für die Fachbildung durch das Geſetz von
1830 geordnet, dem in neueſter Zeit die Verordnung vom 1. September
1866 gefolgt iſt, welche als die Grundlage des wirthſchaftlichen Vor-
bildungsweſens angeſehen werden muß. Die Grundzüge des auf dieſe
Weiſe entſtandenen Bildungsſyſtems beruhen auf einem eigenthümlichen,
ſeit 1842 mehrfach im Einzelnen genauer beſtimmten Zuſammen-
wirken der weltlichen und geiſtlichen Behörden in der Inſpektion
der Volksſchule, während dieſe Gemeinſchaft für die gelehrten Bil-
dungsanſtalten zwar nicht gilt, dafür aber die volle Freiheit der geiſt-
lichen Körperſchaften beſteht, neben den ſtaatlichen Vorbildungs- und
Fachbildungsanſtalten ſelbſtändig zu errichten. Darin beſteht der Cha-
rakter des belgiſchen Bildungsweſens; im Uebrigen iſt es der Form
nach franzöſiſch, dem Inhalte nach wendet es ſich mehr und mehr dem
deutſchen Syſteme zu.
Vergl. le Roy bei Schmid Encykl. I. S. 491 ff. mit der Literatur
und einer kurzen Geſchichte. Was Batbie (Droit de public l’adm. VI.
p. 158) ſagt, iſt ſehr unbedeutend. Dagegen iſt de Fooz (Droit admini-
stratif Belge T. IV. T. II.) ſehr genau im Einzelnen, jedoch unter
ſorgfältiger Vermeidung jeder eingehenden Betrachtung der obigen Punkte,
die wir unten ſpeciell hervorheben werden.
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