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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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und Vollständigkeit kaum ein zweites gibt. Da nun dieses ganze Ge-
biet noch viel zu sehr im Werden ist, so weit es sich um die wirkliche
Durchführung dieser Gesetze handelt, so möge es genügen, dieselben
hier im allgemeinen Theile zu charakterisiren, ohne daß wir bei den
Darstellungen des Systems im Einzelnen darauf zurückzukommen brau-
chen. Diese Charakteristik ist um so nothwendiger, als selbst Schmid
in seiner Encyklopädie nicht in der Lage war, eine Darstellung des
italienischen gesetzlichen Bildungswesens zu finden; wir haben die gelten-
den Gesetze bereits in der Austria (Jahrgang 1865 und 1866) voll-
ständig mitgetheilt, und auf dieser Grundlage wird es nicht schwer sein,
die Grundzüge des Gesammtbildes zu geben.

Die Gesetzgebung Italiens über sein neues Bildungswesen ist auf
allen Punkten von zwei Elementen zugleich beherrscht. Das französische
Element hat dieser Gesetzgebung den Sinn für die vollständige Codification
und für formelle Klarheit und Vollständigkeit gegeben, und leider auch
gewisse spezifische Ausdrücke in die Gesetze hineingebracht, welche nur
geeignet sind, den Inhalt und seine wahre Bedeutung zu verwirren.
Dieser Inhalt nämlich und der ganze Geist, der durch diese gesammte
Gesetzgebung hindurch geht, ist dagegen ein vollständig deutscher,
obwohl sich Italien wenigstens bisher wohl gehütet hat, das anzuer-
kennen. Es ist gar kein Zweifel, daß dieser specifisch deutsche Geist
und selbst die einzelnen deutschen Grundgedanken von der österreichischen
Organisation und Gesetzgebung hergenommen sind, die Italien mit dem
Erwerb der Lombardei und Venedigs eigentlich erst kennen gelernt hat.
Die italienische Gesetzgebung hat mit vollkommen richtigem Tact die
drei systematischen Gebiete, die Elementar-, die Berufs-, und die
künstlerische Bildung geschieden, und in der zweiten eine strenge Schei-
dung der gelehrten von der wissenschaftlichen Bildung consequent durch-
geführt. Es ist das wissenschaftliche System, in einem großen gesetz-
geberischen System verkörpert und mit Vermeidung aller der Unfrei-
heiten und Beschränktheiten, welche das Bildungswesen Frankreichs auf
einer so niedern Stufe halten. Dieß System ist folgendes.

Was zunächst die Elementarbildung betrifft, so ist dasselbe
durch das allgemeine Unterrichtsgesetz vom 13. November 1859 mit
dem technischen zugleich geordnet (s. unten), jedoch haben eine Menge
leicht verständliche Gründe dahin gewirkt, hier die Ausführung am
schwierigsten zu machen. Von ihr wissen wir daher am wenigsten,
da dieselbe nach deutschem Muster den Gemeinden zum großen Theil
überlassen ist. Es ist keine Frage, daß die definitive Organisation und
speziell das Lehrerbildungswesen erst dann kommen kann, wenn die
große Frage der Kirchengüter und die Stellung der Geistlichkeit erledigt

und Vollſtändigkeit kaum ein zweites gibt. Da nun dieſes ganze Ge-
biet noch viel zu ſehr im Werden iſt, ſo weit es ſich um die wirkliche
Durchführung dieſer Geſetze handelt, ſo möge es genügen, dieſelben
hier im allgemeinen Theile zu charakteriſiren, ohne daß wir bei den
Darſtellungen des Syſtems im Einzelnen darauf zurückzukommen brau-
chen. Dieſe Charakteriſtik iſt um ſo nothwendiger, als ſelbſt Schmid
in ſeiner Encyklopädie nicht in der Lage war, eine Darſtellung des
italieniſchen geſetzlichen Bildungsweſens zu finden; wir haben die gelten-
den Geſetze bereits in der Auſtria (Jahrgang 1865 und 1866) voll-
ſtändig mitgetheilt, und auf dieſer Grundlage wird es nicht ſchwer ſein,
die Grundzüge des Geſammtbildes zu geben.

Die Geſetzgebung Italiens über ſein neues Bildungsweſen iſt auf
allen Punkten von zwei Elementen zugleich beherrſcht. Das franzöſiſche
Element hat dieſer Geſetzgebung den Sinn für die vollſtändige Codification
und für formelle Klarheit und Vollſtändigkeit gegeben, und leider auch
gewiſſe ſpezifiſche Ausdrücke in die Geſetze hineingebracht, welche nur
geeignet ſind, den Inhalt und ſeine wahre Bedeutung zu verwirren.
Dieſer Inhalt nämlich und der ganze Geiſt, der durch dieſe geſammte
Geſetzgebung hindurch geht, iſt dagegen ein vollſtändig deutſcher,
obwohl ſich Italien wenigſtens bisher wohl gehütet hat, das anzuer-
kennen. Es iſt gar kein Zweifel, daß dieſer ſpecifiſch deutſche Geiſt
und ſelbſt die einzelnen deutſchen Grundgedanken von der öſterreichiſchen
Organiſation und Geſetzgebung hergenommen ſind, die Italien mit dem
Erwerb der Lombardei und Venedigs eigentlich erſt kennen gelernt hat.
Die italieniſche Geſetzgebung hat mit vollkommen richtigem Tact die
drei ſyſtematiſchen Gebiete, die Elementar-, die Berufs-, und die
künſtleriſche Bildung geſchieden, und in der zweiten eine ſtrenge Schei-
dung der gelehrten von der wiſſenſchaftlichen Bildung conſequent durch-
geführt. Es iſt das wiſſenſchaftliche Syſtem, in einem großen geſetz-
geberiſchen Syſtem verkörpert und mit Vermeidung aller der Unfrei-
heiten und Beſchränktheiten, welche das Bildungsweſen Frankreichs auf
einer ſo niedern Stufe halten. Dieß Syſtem iſt folgendes.

Was zunächſt die Elementarbildung betrifft, ſo iſt daſſelbe
durch das allgemeine Unterrichtsgeſetz vom 13. November 1859 mit
dem techniſchen zugleich geordnet (ſ. unten), jedoch haben eine Menge
leicht verſtändliche Gründe dahin gewirkt, hier die Ausführung am
ſchwierigſten zu machen. Von ihr wiſſen wir daher am wenigſten,
da dieſelbe nach deutſchem Muſter den Gemeinden zum großen Theil
überlaſſen iſt. Es iſt keine Frage, daß die definitive Organiſation und
ſpeziell das Lehrerbildungsweſen erſt dann kommen kann, wenn die
große Frage der Kirchengüter und die Stellung der Geiſtlichkeit erledigt

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[57/0085] und Vollſtändigkeit kaum ein zweites gibt. Da nun dieſes ganze Ge- biet noch viel zu ſehr im Werden iſt, ſo weit es ſich um die wirkliche Durchführung dieſer Geſetze handelt, ſo möge es genügen, dieſelben hier im allgemeinen Theile zu charakteriſiren, ohne daß wir bei den Darſtellungen des Syſtems im Einzelnen darauf zurückzukommen brau- chen. Dieſe Charakteriſtik iſt um ſo nothwendiger, als ſelbſt Schmid in ſeiner Encyklopädie nicht in der Lage war, eine Darſtellung des italieniſchen geſetzlichen Bildungsweſens zu finden; wir haben die gelten- den Geſetze bereits in der Auſtria (Jahrgang 1865 und 1866) voll- ſtändig mitgetheilt, und auf dieſer Grundlage wird es nicht ſchwer ſein, die Grundzüge des Geſammtbildes zu geben. Die Geſetzgebung Italiens über ſein neues Bildungsweſen iſt auf allen Punkten von zwei Elementen zugleich beherrſcht. Das franzöſiſche Element hat dieſer Geſetzgebung den Sinn für die vollſtändige Codification und für formelle Klarheit und Vollſtändigkeit gegeben, und leider auch gewiſſe ſpezifiſche Ausdrücke in die Geſetze hineingebracht, welche nur geeignet ſind, den Inhalt und ſeine wahre Bedeutung zu verwirren. Dieſer Inhalt nämlich und der ganze Geiſt, der durch dieſe geſammte Geſetzgebung hindurch geht, iſt dagegen ein vollſtändig deutſcher, obwohl ſich Italien wenigſtens bisher wohl gehütet hat, das anzuer- kennen. Es iſt gar kein Zweifel, daß dieſer ſpecifiſch deutſche Geiſt und ſelbſt die einzelnen deutſchen Grundgedanken von der öſterreichiſchen Organiſation und Geſetzgebung hergenommen ſind, die Italien mit dem Erwerb der Lombardei und Venedigs eigentlich erſt kennen gelernt hat. Die italieniſche Geſetzgebung hat mit vollkommen richtigem Tact die drei ſyſtematiſchen Gebiete, die Elementar-, die Berufs-, und die künſtleriſche Bildung geſchieden, und in der zweiten eine ſtrenge Schei- dung der gelehrten von der wiſſenſchaftlichen Bildung conſequent durch- geführt. Es iſt das wiſſenſchaftliche Syſtem, in einem großen geſetz- geberiſchen Syſtem verkörpert und mit Vermeidung aller der Unfrei- heiten und Beſchränktheiten, welche das Bildungsweſen Frankreichs auf einer ſo niedern Stufe halten. Dieß Syſtem iſt folgendes. Was zunächſt die Elementarbildung betrifft, ſo iſt daſſelbe durch das allgemeine Unterrichtsgeſetz vom 13. November 1859 mit dem techniſchen zugleich geordnet (ſ. unten), jedoch haben eine Menge leicht verſtändliche Gründe dahin gewirkt, hier die Ausführung am ſchwierigſten zu machen. Von ihr wiſſen wir daher am wenigſten, da dieſelbe nach deutſchem Muſter den Gemeinden zum großen Theil überlaſſen iſt. Es iſt keine Frage, daß die definitive Organiſation und ſpeziell das Lehrerbildungsweſen erſt dann kommen kann, wenn die große Frage der Kirchengüter und die Stellung der Geiſtlichkeit erledigt

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/85>, abgerufen am 24.11.2024.