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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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ist. Denn Italien hat keinen Lehrerstand. Es wird auch kein tüch-
tiges Elementarbildungswesen bekommen, bis es sich einen solchen ge-
bildet hat, der von der Geistlichkeit unabhängig ist. Hier vermag die
Regierung allein eben so wenig als in Frankreich; man fühlt das und
hat daher die Grundlage einer bessern Gestaltung durch das Princip
der Selbstverwaltung gelegt, das seiner Zeit seine Früchte tragen wird.

Dagegen ist innerhalb des Systems der Berufsbildung einerseits
das gelehrte Berufsbildungswesen, anderseits das wirthschaftliche sowohl
in Vor- als Fachbildung durchgreifend geordnet.

Die hohen Schulen zunächst haben ihre neue Organisation durch
Reglement vom 1. September 1865 bekommen, mit Aufnahms- und Ab-
gangsprüfung, Schulgeld und Disciplin durch den Lehrkörper. Die
Gynnasien mit 5 Klassen sind von den Lyceen mit 3 Klassen unter-
schieden; das letztere hat vorwiegend reale Vorbildung zum Inhalt. Die
Oberaufsicht hat der Provinzialschulrath. -- Die Universitäten haben
allerdings ihren alten Charakter erhalten; allein einerseits hat das
Universitäts-Reglement vom 14. September 1862 die Disciplin dem
Senate theils bestätigt, theils übertragen; andrerseits ist nach dem Muster
der österreichischen Universitäten durch Verordnung vom 8. Oktober 1865
die staatswissenschaftliche Bildung mit der juristischen verbunden, was
ein höchst wesentlicher Fortschritt gegen früher ist. Daneben gibt es
nach französischem Muster durch Verordnung vom 3. September 1865
ein Baccalaureat für Naturwissenschaften, was unverständlich ist.

Das wirthschaftliche Bildungswesen ist nun nach deutschem Vor-
gange von dem gelehrten geschieden, unter gänzlicher Beseitigung des
französischen Bifurcationssystems. Zunächst ist das System der Schulen
für Erwachsene (neben den Sonntags- und Fortbildungsschulen)
allgemein anerkannt und unter staatliche Anerkennung und Unter-
stützung gestellt; die Regierung gibt jährlich 300,000 L. an Ge-
meinden, Gesellschaften und Körperschaften, welche solche Schulen er-
richten. Das Gewerbeschulwesen ist dann speziell organisirt durch
das "Reglement für den industriellen und gewerblichen Unterricht" vom
28. Oktober 1865 (Austria 1866 S. 114 f.) An der Spitze steht (fran-
zösischer Name, deutsche Sache) die Normalschule, welche die Lehrer
bildet. Die Schüler haben Aufnahmsprüfung; Programm ist der Unterricht
in gewerblichen Fächern aller Art, einer oder mehreren Abtheilungen; die
Lehrer bilden einen Lehrkörper und stehen unter dem Aufsichtsrathe,
der wieder unter dem Unterrichtsrathe steht. Freie Schulen können
daneben das Recht als öffentliche haben (pareggiati). -- Die wirth-
schaftliche Fachbildung ist vertreten theils durch die technische Schule
(Ingenieurschule, Gesetz vom 13. November 1859), theils durch die

iſt. Denn Italien hat keinen Lehrerſtand. Es wird auch kein tüch-
tiges Elementarbildungsweſen bekommen, bis es ſich einen ſolchen ge-
bildet hat, der von der Geiſtlichkeit unabhängig iſt. Hier vermag die
Regierung allein eben ſo wenig als in Frankreich; man fühlt das und
hat daher die Grundlage einer beſſern Geſtaltung durch das Princip
der Selbſtverwaltung gelegt, das ſeiner Zeit ſeine Früchte tragen wird.

Dagegen iſt innerhalb des Syſtems der Berufsbildung einerſeits
das gelehrte Berufsbildungsweſen, anderſeits das wirthſchaftliche ſowohl
in Vor- als Fachbildung durchgreifend geordnet.

Die hohen Schulen zunächſt haben ihre neue Organiſation durch
Reglement vom 1. September 1865 bekommen, mit Aufnahms- und Ab-
gangsprüfung, Schulgeld und Disciplin durch den Lehrkörper. Die
Gynnaſien mit 5 Klaſſen ſind von den Lyceen mit 3 Klaſſen unter-
ſchieden; das letztere hat vorwiegend reale Vorbildung zum Inhalt. Die
Oberaufſicht hat der Provinzialſchulrath. — Die Univerſitäten haben
allerdings ihren alten Charakter erhalten; allein einerſeits hat das
Univerſitäts-Reglement vom 14. September 1862 die Disciplin dem
Senate theils beſtätigt, theils übertragen; andrerſeits iſt nach dem Muſter
der öſterreichiſchen Univerſitäten durch Verordnung vom 8. Oktober 1865
die ſtaatswiſſenſchaftliche Bildung mit der juriſtiſchen verbunden, was
ein höchſt weſentlicher Fortſchritt gegen früher iſt. Daneben gibt es
nach franzöſiſchem Muſter durch Verordnung vom 3. September 1865
ein Baccalaureat für Naturwiſſenſchaften, was unverſtändlich iſt.

Das wirthſchaftliche Bildungsweſen iſt nun nach deutſchem Vor-
gange von dem gelehrten geſchieden, unter gänzlicher Beſeitigung des
franzöſiſchen Bifurcationsſyſtems. Zunächſt iſt das Syſtem der Schulen
für Erwachſene (neben den Sonntags- und Fortbildungsſchulen)
allgemein anerkannt und unter ſtaatliche Anerkennung und Unter-
ſtützung geſtellt; die Regierung gibt jährlich 300,000 L. an Ge-
meinden, Geſellſchaften und Körperſchaften, welche ſolche Schulen er-
richten. Das Gewerbeſchulweſen iſt dann ſpeziell organiſirt durch
das „Reglement für den induſtriellen und gewerblichen Unterricht“ vom
28. Oktober 1865 (Auſtria 1866 S. 114 f.) An der Spitze ſteht (fran-
zöſiſcher Name, deutſche Sache) die Normalſchule, welche die Lehrer
bildet. Die Schüler haben Aufnahmsprüfung; Programm iſt der Unterricht
in gewerblichen Fächern aller Art, einer oder mehreren Abtheilungen; die
Lehrer bilden einen Lehrkörper und ſtehen unter dem Aufſichtsrathe,
der wieder unter dem Unterrichtsrathe ſteht. Freie Schulen können
daneben das Recht als öffentliche haben (pareggiati). — Die wirth-
ſchaftliche Fachbildung iſt vertreten theils durch die techniſche Schule
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[58/0086] iſt. Denn Italien hat keinen Lehrerſtand. Es wird auch kein tüch- tiges Elementarbildungsweſen bekommen, bis es ſich einen ſolchen ge- bildet hat, der von der Geiſtlichkeit unabhängig iſt. Hier vermag die Regierung allein eben ſo wenig als in Frankreich; man fühlt das und hat daher die Grundlage einer beſſern Geſtaltung durch das Princip der Selbſtverwaltung gelegt, das ſeiner Zeit ſeine Früchte tragen wird. Dagegen iſt innerhalb des Syſtems der Berufsbildung einerſeits das gelehrte Berufsbildungsweſen, anderſeits das wirthſchaftliche ſowohl in Vor- als Fachbildung durchgreifend geordnet. Die hohen Schulen zunächſt haben ihre neue Organiſation durch Reglement vom 1. September 1865 bekommen, mit Aufnahms- und Ab- gangsprüfung, Schulgeld und Disciplin durch den Lehrkörper. Die Gynnaſien mit 5 Klaſſen ſind von den Lyceen mit 3 Klaſſen unter- ſchieden; das letztere hat vorwiegend reale Vorbildung zum Inhalt. Die Oberaufſicht hat der Provinzialſchulrath. — Die Univerſitäten haben allerdings ihren alten Charakter erhalten; allein einerſeits hat das Univerſitäts-Reglement vom 14. September 1862 die Disciplin dem Senate theils beſtätigt, theils übertragen; andrerſeits iſt nach dem Muſter der öſterreichiſchen Univerſitäten durch Verordnung vom 8. Oktober 1865 die ſtaatswiſſenſchaftliche Bildung mit der juriſtiſchen verbunden, was ein höchſt weſentlicher Fortſchritt gegen früher iſt. Daneben gibt es nach franzöſiſchem Muſter durch Verordnung vom 3. September 1865 ein Baccalaureat für Naturwiſſenſchaften, was unverſtändlich iſt. Das wirthſchaftliche Bildungsweſen iſt nun nach deutſchem Vor- gange von dem gelehrten geſchieden, unter gänzlicher Beſeitigung des franzöſiſchen Bifurcationsſyſtems. Zunächſt iſt das Syſtem der Schulen für Erwachſene (neben den Sonntags- und Fortbildungsſchulen) allgemein anerkannt und unter ſtaatliche Anerkennung und Unter- ſtützung geſtellt; die Regierung gibt jährlich 300,000 L. an Ge- meinden, Geſellſchaften und Körperſchaften, welche ſolche Schulen er- richten. Das Gewerbeſchulweſen iſt dann ſpeziell organiſirt durch das „Reglement für den induſtriellen und gewerblichen Unterricht“ vom 28. Oktober 1865 (Auſtria 1866 S. 114 f.) An der Spitze ſteht (fran- zöſiſcher Name, deutſche Sache) die Normalſchule, welche die Lehrer bildet. Die Schüler haben Aufnahmsprüfung; Programm iſt der Unterricht in gewerblichen Fächern aller Art, einer oder mehreren Abtheilungen; die Lehrer bilden einen Lehrkörper und ſtehen unter dem Aufſichtsrathe, der wieder unter dem Unterrichtsrathe ſteht. Freie Schulen können daneben das Recht als öffentliche haben (pareggiati). — Die wirth- ſchaftliche Fachbildung iſt vertreten theils durch die techniſche Schule (Ingenieurſchule, Geſetz vom 13. November 1859), theils durch die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/86>, abgerufen am 24.11.2024.