ist Schweden reich genug; auch ist die Kunstbildung bei ihm gut ver- treten. Die Fachliteratur ist, so weit wir sehen, nicht sehr ausgiebig. Die Darstellung von E. Fahräus, Administratif och Statistisk Hand- bock (1864), gibt eine gute Uebersicht über die statistischen Verhältnisse.
Rußlands Bildungswesen. Ueber das, bisher so gut als unbekannte Bildungswesen Rußlands liegen jetzt zwei Arbeiten vor, welche in hohem Grade bedeutend genannt werden müssen. Die eine: "Zur Geschichte und Statistik der Gelehrten- und Schulanstalten des k. russ. Ministeriums der Volksaufklärung," die zweite: "Beiträge zur Geschichte und Statistik der Gelehrten- und Schulanstalten des k. russ. Ministeriums der Volksaufklärung." Nach officiellen Quellen bearbeitet von C. Woldemar, beide von 1865. Es ist das Verhältniß dieser beiden gleichzeitigen Publikationen zu einander nicht ganz klar; im Allgemeinen mag bemerkt werden, daß die erstere mehr einen statistischen, die zweite mehr einen historischen Charakter hat. Es ist wohl sehr schwer, sich ein durchgreifendes Gesammtbild von den hier trefflich geordneten und sehr reichlich mit Material ausgestatteten Mittheilungen zu entwerfen. Im Großen und Ganzen ist der Elementarunterricht noch weit zurück, wie Woldemar selbst gesteht (1 Schule auf 1500, 1 Schüler auf 70 Ein- wohner). Das Elementarschulwesen selbst besteht theils aus Parochial- schulen mit 1 und 2 Klassen, im Ganzen 1846 Schulen des Ministeriums oder Kronschulen, theils aus geistlichen Schulen. Für das ganze Volks- schulwesen ist jedoch unter dem 14. Juli 1864 ein neues Statut erlassen, nach welchem die Verwaltung und Leitung dieser Schulen den Kreis- und Gouvernementsschulen untergeordnet werden soll (Woldemar S. 51). Die Gymnasialbildung ist bedeutend vorgeschritten; Privatlehranstalten auf gleicher Stufe scheinen nur in Petersburg und Moskau zu bestehen. Unklar ist das Verhältniß der Kreisschulen; übrigens sollen dieselben demnächst entweder zu Gymnasien oder zu höheren Volksschulen werden (Woldemar S. 50). Für die Fachbildung ist überhaupt das charakteristische Merkmal der Mangel jeder eigenen wirthschaftlichen Bildungsanstalt; das System der Realschulen einerseits, und das System der wirthschaft- lichen Fachbildungsanstalten scheint nach diesen Angaben gänzlich zu fehlen. Eben so sind die Specialbildungsanstalten bei den Universitäten nicht vorhanden oder mehr nur angedeutet. Der Geist übrigens, der in neuerer Zeit diese Bewegung im Unterrichtswesen belebt, scheint wenigstens nach der Intention der Regierung ein sehr verständiger und freisinniger zu sein. Mit welchem Ernst die Sache, speciell in Beziehung auf das Volks- bildungswesen, betrachtet wird, davon gibt die Darstellung Wolde- mars wohl ein schlagendes Zeugniß. Speciell bedeutsam ist, was er über das neue Princip des Volksschulgesetzes von 1863 sagt: "Die neue
iſt Schweden reich genug; auch iſt die Kunſtbildung bei ihm gut ver- treten. Die Fachliteratur iſt, ſo weit wir ſehen, nicht ſehr ausgiebig. Die Darſtellung von E. Fahräus, Administratif och Statistisk Hand- bock (1864), gibt eine gute Ueberſicht über die ſtatiſtiſchen Verhältniſſe.
Rußlands Bildungsweſen. Ueber das, bisher ſo gut als unbekannte Bildungsweſen Rußlands liegen jetzt zwei Arbeiten vor, welche in hohem Grade bedeutend genannt werden müſſen. Die eine: „Zur Geſchichte und Statiſtik der Gelehrten- und Schulanſtalten des k. ruſſ. Miniſteriums der Volksaufklärung,“ die zweite: „Beiträge zur Geſchichte und Statiſtik der Gelehrten- und Schulanſtalten des k. ruſſ. Miniſteriums der Volksaufklärung.“ Nach officiellen Quellen bearbeitet von C. Woldemar, beide von 1865. Es iſt das Verhältniß dieſer beiden gleichzeitigen Publikationen zu einander nicht ganz klar; im Allgemeinen mag bemerkt werden, daß die erſtere mehr einen ſtatiſtiſchen, die zweite mehr einen hiſtoriſchen Charakter hat. Es iſt wohl ſehr ſchwer, ſich ein durchgreifendes Geſammtbild von den hier trefflich geordneten und ſehr reichlich mit Material ausgeſtatteten Mittheilungen zu entwerfen. Im Großen und Ganzen iſt der Elementarunterricht noch weit zurück, wie Woldemar ſelbſt geſteht (1 Schule auf 1500, 1 Schüler auf 70 Ein- wohner). Das Elementarſchulweſen ſelbſt beſteht theils aus Parochial- ſchulen mit 1 und 2 Klaſſen, im Ganzen 1846 Schulen des Miniſteriums oder Kronſchulen, theils aus geiſtlichen Schulen. Für das ganze Volks- ſchulweſen iſt jedoch unter dem 14. Juli 1864 ein neues Statut erlaſſen, nach welchem die Verwaltung und Leitung dieſer Schulen den Kreis- und Gouvernementsſchulen untergeordnet werden ſoll (Woldemar S. 51). Die Gymnaſialbildung iſt bedeutend vorgeſchritten; Privatlehranſtalten auf gleicher Stufe ſcheinen nur in Petersburg und Moskau zu beſtehen. Unklar iſt das Verhältniß der Kreisſchulen; übrigens ſollen dieſelben demnächſt entweder zu Gymnaſien oder zu höheren Volksſchulen werden (Woldemar S. 50). Für die Fachbildung iſt überhaupt das charakteriſtiſche Merkmal der Mangel jeder eigenen wirthſchaftlichen Bildungsanſtalt; das Syſtem der Realſchulen einerſeits, und das Syſtem der wirthſchaft- lichen Fachbildungsanſtalten ſcheint nach dieſen Angaben gänzlich zu fehlen. Eben ſo ſind die Specialbildungsanſtalten bei den Univerſitäten nicht vorhanden oder mehr nur angedeutet. Der Geiſt übrigens, der in neuerer Zeit dieſe Bewegung im Unterrichtsweſen belebt, ſcheint wenigſtens nach der Intention der Regierung ein ſehr verſtändiger und freiſinniger zu ſein. Mit welchem Ernſt die Sache, ſpeciell in Beziehung auf das Volks- bildungsweſen, betrachtet wird, davon gibt die Darſtellung Wolde- mars wohl ein ſchlagendes Zeugniß. Speciell bedeutſam iſt, was er über das neue Princip des Volksſchulgeſetzes von 1863 ſagt: „Die neue
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0091"n="63"/>
iſt Schweden reich genug; auch iſt die Kunſtbildung bei ihm gut ver-<lb/>
treten. Die Fachliteratur iſt, ſo weit wir ſehen, nicht ſehr ausgiebig.<lb/>
Die Darſtellung von E. <hirendition="#g">Fahräus</hi>, <hirendition="#aq">Administratif och Statistisk Hand-<lb/>
bock</hi> (1864), gibt eine gute Ueberſicht über die ſtatiſtiſchen Verhältniſſe.</p><lb/><p><hirendition="#g">Rußlands Bildungsweſen</hi>. Ueber das, bisher ſo gut als<lb/>
unbekannte Bildungsweſen Rußlands liegen jetzt zwei Arbeiten vor,<lb/>
welche in hohem Grade bedeutend genannt werden müſſen. Die eine:<lb/>„Zur Geſchichte und Statiſtik der Gelehrten- und Schulanſtalten des<lb/>
k. ruſſ. Miniſteriums der Volksaufklärung,“ die zweite: „Beiträge zur<lb/>
Geſchichte und Statiſtik der Gelehrten- und Schulanſtalten des k. ruſſ.<lb/>
Miniſteriums der Volksaufklärung.“ Nach officiellen Quellen bearbeitet<lb/>
von C. Woldemar, beide von 1865. Es iſt das Verhältniß dieſer beiden<lb/>
gleichzeitigen Publikationen zu einander nicht ganz klar; im Allgemeinen<lb/>
mag bemerkt werden, daß die erſtere mehr einen ſtatiſtiſchen, die zweite<lb/>
mehr einen hiſtoriſchen Charakter hat. Es iſt wohl ſehr ſchwer, ſich ein<lb/>
durchgreifendes Geſammtbild von den hier trefflich geordneten und ſehr<lb/>
reichlich mit Material ausgeſtatteten Mittheilungen zu entwerfen. Im<lb/>
Großen und Ganzen iſt der Elementarunterricht noch weit zurück, wie<lb/>
Woldemar ſelbſt geſteht (1 Schule auf 1500, 1 Schüler auf 70 Ein-<lb/>
wohner). Das Elementarſchulweſen ſelbſt beſteht theils aus Parochial-<lb/>ſchulen mit 1 und 2 Klaſſen, im Ganzen 1846 Schulen des Miniſteriums<lb/>
oder Kronſchulen, theils aus geiſtlichen Schulen. Für das ganze Volks-<lb/>ſchulweſen iſt jedoch unter dem 14. Juli 1864 ein neues Statut erlaſſen,<lb/>
nach welchem die Verwaltung und Leitung dieſer Schulen den Kreis- und<lb/>
Gouvernementsſchulen untergeordnet werden ſoll (Woldemar S. 51).<lb/>
Die Gymnaſialbildung iſt bedeutend vorgeſchritten; Privatlehranſtalten<lb/>
auf gleicher Stufe ſcheinen nur in Petersburg und Moskau zu beſtehen.<lb/>
Unklar iſt das Verhältniß der Kreisſchulen; übrigens ſollen dieſelben<lb/>
demnächſt entweder zu Gymnaſien oder zu höheren Volksſchulen werden<lb/>
(Woldemar S. 50). Für die Fachbildung iſt überhaupt das charakteriſtiſche<lb/>
Merkmal der Mangel <hirendition="#g">jeder</hi> eigenen wirthſchaftlichen Bildungsanſtalt;<lb/>
das Syſtem der Realſchulen einerſeits, und das Syſtem der wirthſchaft-<lb/>
lichen Fachbildungsanſtalten ſcheint nach dieſen Angaben gänzlich zu fehlen.<lb/>
Eben ſo ſind die Specialbildungsanſtalten bei den Univerſitäten nicht<lb/>
vorhanden oder mehr nur angedeutet. Der Geiſt übrigens, der in neuerer<lb/>
Zeit dieſe Bewegung im Unterrichtsweſen belebt, ſcheint wenigſtens nach<lb/>
der Intention der Regierung ein ſehr verſtändiger und freiſinniger zu<lb/>ſein. Mit welchem Ernſt die Sache, ſpeciell in Beziehung auf das Volks-<lb/>
bildungsweſen, betrachtet wird, davon gibt die Darſtellung <hirendition="#g">Wolde-<lb/>
mars</hi> wohl ein ſchlagendes Zeugniß. Speciell bedeutſam iſt, was er<lb/>
über das neue Princip des Volksſchulgeſetzes von 1863 ſagt: „Die neue<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[63/0091]
iſt Schweden reich genug; auch iſt die Kunſtbildung bei ihm gut ver-
treten. Die Fachliteratur iſt, ſo weit wir ſehen, nicht ſehr ausgiebig.
Die Darſtellung von E. Fahräus, Administratif och Statistisk Hand-
bock (1864), gibt eine gute Ueberſicht über die ſtatiſtiſchen Verhältniſſe.
Rußlands Bildungsweſen. Ueber das, bisher ſo gut als
unbekannte Bildungsweſen Rußlands liegen jetzt zwei Arbeiten vor,
welche in hohem Grade bedeutend genannt werden müſſen. Die eine:
„Zur Geſchichte und Statiſtik der Gelehrten- und Schulanſtalten des
k. ruſſ. Miniſteriums der Volksaufklärung,“ die zweite: „Beiträge zur
Geſchichte und Statiſtik der Gelehrten- und Schulanſtalten des k. ruſſ.
Miniſteriums der Volksaufklärung.“ Nach officiellen Quellen bearbeitet
von C. Woldemar, beide von 1865. Es iſt das Verhältniß dieſer beiden
gleichzeitigen Publikationen zu einander nicht ganz klar; im Allgemeinen
mag bemerkt werden, daß die erſtere mehr einen ſtatiſtiſchen, die zweite
mehr einen hiſtoriſchen Charakter hat. Es iſt wohl ſehr ſchwer, ſich ein
durchgreifendes Geſammtbild von den hier trefflich geordneten und ſehr
reichlich mit Material ausgeſtatteten Mittheilungen zu entwerfen. Im
Großen und Ganzen iſt der Elementarunterricht noch weit zurück, wie
Woldemar ſelbſt geſteht (1 Schule auf 1500, 1 Schüler auf 70 Ein-
wohner). Das Elementarſchulweſen ſelbſt beſteht theils aus Parochial-
ſchulen mit 1 und 2 Klaſſen, im Ganzen 1846 Schulen des Miniſteriums
oder Kronſchulen, theils aus geiſtlichen Schulen. Für das ganze Volks-
ſchulweſen iſt jedoch unter dem 14. Juli 1864 ein neues Statut erlaſſen,
nach welchem die Verwaltung und Leitung dieſer Schulen den Kreis- und
Gouvernementsſchulen untergeordnet werden ſoll (Woldemar S. 51).
Die Gymnaſialbildung iſt bedeutend vorgeſchritten; Privatlehranſtalten
auf gleicher Stufe ſcheinen nur in Petersburg und Moskau zu beſtehen.
Unklar iſt das Verhältniß der Kreisſchulen; übrigens ſollen dieſelben
demnächſt entweder zu Gymnaſien oder zu höheren Volksſchulen werden
(Woldemar S. 50). Für die Fachbildung iſt überhaupt das charakteriſtiſche
Merkmal der Mangel jeder eigenen wirthſchaftlichen Bildungsanſtalt;
das Syſtem der Realſchulen einerſeits, und das Syſtem der wirthſchaft-
lichen Fachbildungsanſtalten ſcheint nach dieſen Angaben gänzlich zu fehlen.
Eben ſo ſind die Specialbildungsanſtalten bei den Univerſitäten nicht
vorhanden oder mehr nur angedeutet. Der Geiſt übrigens, der in neuerer
Zeit dieſe Bewegung im Unterrichtsweſen belebt, ſcheint wenigſtens nach
der Intention der Regierung ein ſehr verſtändiger und freiſinniger zu
ſein. Mit welchem Ernſt die Sache, ſpeciell in Beziehung auf das Volks-
bildungsweſen, betrachtet wird, davon gibt die Darſtellung Wolde-
mars wohl ein ſchlagendes Zeugniß. Speciell bedeutſam iſt, was er
über das neue Princip des Volksſchulgeſetzes von 1863 ſagt: „Die neue
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/91>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.