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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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und die große Scheidung des polizeilichen von dem ständisch corpora-
tiven Preßrecht wegzulassen. Ebensowenig genügt es, das Preßrecht
bloß auf Bücher zu beschränken. Uebrigens fehlt jede Geschichte seit
Hoffmann. Einen vortrefflichen Beitrag zu derselben bilden übrigens,
wenn auch mit spezieller Beziehung auf Oesterreich, Wiesners oben-
citirte Denkwürdigkeiten, speciell das Verhältniß der Wiener Universität
zu den Jesuiten betreffend (S. 73): "Die Dekane in der philosophischen
Abtheilung, auch der Vicedekan censirten die ihrer Fakultät gehörigen
Schriften; andere geistige Produkte wurden von einem Professor approbirt
und die ertheilte Druckbewilligung von dem Universitätsrektor mit seiner
Unterschrift bestätigt." Die Stellung der Staatswissenschaft zur Preß-
frage wie bei Justi, Polizeiwissenschaft IX. Buch §. 110, der die "Ueber-
lassung der Censur an die Universitäten" bereits bekämpft, ist gleich-
falls bei Hoffmann nicht hinreichend berücksichtigt. Ohne eine strenge,
auf das Wesen beider eingehende Unterscheidung zwischen der kirchlichen
und der Universitätscensur ist überhaupt diese ganze Epoche nicht richtig
zu beurtheilen. Die Geschichte der Censur in Belgien, namentlich
die strengen Censur-Edikte (Edikt vom 25. Juni 1729) bei Juste,
Histoire de Belgique Vol. II. p.
319. Nach Philipps Kirchenrecht
Bd. VI. §. 324 beginnt die kirchliche Censur als Erlaubniß und Verbot
bereits im Jahr 496; das allgemeine Gesetz, nach welchem der Druck
aller den Glauben betreffenden Schriften unter Androhung der Excommuni-
kation von der Erlaubniß der Bischöfe abhängig gemacht ward, ist von
Alexander VI. 1501; die Congregation des Index stammt von Sixtus V.
(Geschichte derselben: Philipps §. 325--328).

3) Charakter und Epochen des polizeilichen Preßrechts.
a) Die Preßpolizei und ihr allgemeiner Charakter.

Das was wir das polizeiliche Preßrecht nennen, entsteht nun mit
der neuen Staatsgewalt und dem Königthum, in dem jene ihren Aus-
druck empfängt. Die Zeit desselben dauert vom Anfang des sechzehnten
Jahrhunderts bis zur Gegenwart, und seine Grundprincipien sind noch
immer nicht ganz überwunden. Es ist daher nothwendig, abgesehen
von den einzelnen Rechtsbestimmungen, über das Objekt dieses Rechts
einig zu werden, und das ist nur möglich, indem man auf die frühern
Unterscheidungen zurückgreift. Denn die geltenden Bestimmungen um-
fassen ohne Unterschied und ohne Bewußtsein desselben Straf-, Polizei-
und Beschränkungsrecht der Presse durch einander und erst langsam löst
sich das letztere formell von dem ersten ab, obwohl die Elemente der

und die große Scheidung des polizeilichen von dem ſtändiſch corpora-
tiven Preßrecht wegzulaſſen. Ebenſowenig genügt es, das Preßrecht
bloß auf Bücher zu beſchränken. Uebrigens fehlt jede Geſchichte ſeit
Hoffmann. Einen vortrefflichen Beitrag zu derſelben bilden übrigens,
wenn auch mit ſpezieller Beziehung auf Oeſterreich, Wiesners oben-
citirte Denkwürdigkeiten, ſpeciell das Verhältniß der Wiener Univerſität
zu den Jeſuiten betreffend (S. 73): „Die Dekane in der philoſophiſchen
Abtheilung, auch der Vicedekan cenſirten die ihrer Fakultät gehörigen
Schriften; andere geiſtige Produkte wurden von einem Profeſſor approbirt
und die ertheilte Druckbewilligung von dem Univerſitätsrektor mit ſeiner
Unterſchrift beſtätigt.“ Die Stellung der Staatswiſſenſchaft zur Preß-
frage wie bei Juſti, Polizeiwiſſenſchaft IX. Buch §. 110, der die „Ueber-
laſſung der Cenſur an die Univerſitäten“ bereits bekämpft, iſt gleich-
falls bei Hoffmann nicht hinreichend berückſichtigt. Ohne eine ſtrenge,
auf das Weſen beider eingehende Unterſcheidung zwiſchen der kirchlichen
und der Univerſitätscenſur iſt überhaupt dieſe ganze Epoche nicht richtig
zu beurtheilen. Die Geſchichte der Cenſur in Belgien, namentlich
die ſtrengen Cenſur-Edikte (Edikt vom 25. Juni 1729) bei Juste,
Histoire de Belgique Vol. II. p.
319. Nach Philipps Kirchenrecht
Bd. VI. §. 324 beginnt die kirchliche Cenſur als Erlaubniß und Verbot
bereits im Jahr 496; das allgemeine Geſetz, nach welchem der Druck
aller den Glauben betreffenden Schriften unter Androhung der Excommuni-
kation von der Erlaubniß der Biſchöfe abhängig gemacht ward, iſt von
Alexander VI. 1501; die Congregation des Index ſtammt von Sixtus V.
(Geſchichte derſelben: Philipps §. 325—328).

3) Charakter und Epochen des polizeilichen Preßrechts.
a) Die Preßpolizei und ihr allgemeiner Charakter.

Das was wir das polizeiliche Preßrecht nennen, entſteht nun mit
der neuen Staatsgewalt und dem Königthum, in dem jene ihren Aus-
druck empfängt. Die Zeit deſſelben dauert vom Anfang des ſechzehnten
Jahrhunderts bis zur Gegenwart, und ſeine Grundprincipien ſind noch
immer nicht ganz überwunden. Es iſt daher nothwendig, abgeſehen
von den einzelnen Rechtsbeſtimmungen, über das Objekt dieſes Rechts
einig zu werden, und das iſt nur möglich, indem man auf die frühern
Unterſcheidungen zurückgreift. Denn die geltenden Beſtimmungen um-
faſſen ohne Unterſchied und ohne Bewußtſein deſſelben Straf-, Polizei-
und Beſchränkungsrecht der Preſſe durch einander und erſt langſam löst
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[100/0116] und die große Scheidung des polizeilichen von dem ſtändiſch corpora- tiven Preßrecht wegzulaſſen. Ebenſowenig genügt es, das Preßrecht bloß auf Bücher zu beſchränken. Uebrigens fehlt jede Geſchichte ſeit Hoffmann. Einen vortrefflichen Beitrag zu derſelben bilden übrigens, wenn auch mit ſpezieller Beziehung auf Oeſterreich, Wiesners oben- citirte Denkwürdigkeiten, ſpeciell das Verhältniß der Wiener Univerſität zu den Jeſuiten betreffend (S. 73): „Die Dekane in der philoſophiſchen Abtheilung, auch der Vicedekan cenſirten die ihrer Fakultät gehörigen Schriften; andere geiſtige Produkte wurden von einem Profeſſor approbirt und die ertheilte Druckbewilligung von dem Univerſitätsrektor mit ſeiner Unterſchrift beſtätigt.“ Die Stellung der Staatswiſſenſchaft zur Preß- frage wie bei Juſti, Polizeiwiſſenſchaft IX. Buch §. 110, der die „Ueber- laſſung der Cenſur an die Univerſitäten“ bereits bekämpft, iſt gleich- falls bei Hoffmann nicht hinreichend berückſichtigt. Ohne eine ſtrenge, auf das Weſen beider eingehende Unterſcheidung zwiſchen der kirchlichen und der Univerſitätscenſur iſt überhaupt dieſe ganze Epoche nicht richtig zu beurtheilen. Die Geſchichte der Cenſur in Belgien, namentlich die ſtrengen Cenſur-Edikte (Edikt vom 25. Juni 1729) bei Juste, Histoire de Belgique Vol. II. p. 319. Nach Philipps Kirchenrecht Bd. VI. §. 324 beginnt die kirchliche Cenſur als Erlaubniß und Verbot bereits im Jahr 496; das allgemeine Geſetz, nach welchem der Druck aller den Glauben betreffenden Schriften unter Androhung der Excommuni- kation von der Erlaubniß der Biſchöfe abhängig gemacht ward, iſt von Alexander VI. 1501; die Congregation des Index ſtammt von Sixtus V. (Geſchichte derſelben: Philipps §. 325—328). 3) Charakter und Epochen des polizeilichen Preßrechts. a) Die Preßpolizei und ihr allgemeiner Charakter. Das was wir das polizeiliche Preßrecht nennen, entſteht nun mit der neuen Staatsgewalt und dem Königthum, in dem jene ihren Aus- druck empfängt. Die Zeit deſſelben dauert vom Anfang des ſechzehnten Jahrhunderts bis zur Gegenwart, und ſeine Grundprincipien ſind noch immer nicht ganz überwunden. Es iſt daher nothwendig, abgeſehen von den einzelnen Rechtsbeſtimmungen, über das Objekt dieſes Rechts einig zu werden, und das iſt nur möglich, indem man auf die frühern Unterſcheidungen zurückgreift. Denn die geltenden Beſtimmungen um- faſſen ohne Unterſchied und ohne Bewußtſein deſſelben Straf-, Polizei- und Beſchränkungsrecht der Preſſe durch einander und erſt langſam löst ſich das letztere formell von dem erſten ab, obwohl die Elemente der

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/116>, abgerufen am 21.11.2024.