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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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besondrer Anstand sich äußere, ihretwegen bei Hof angefragt, Schmäh-
schriften angehalten, nach Umständen confiscirt und hierüber nach Hof
berichtet werden." Freilich dauerte es lange, ehe man sich diese Unter-
schiede genauer formulirte. Dagegen beginnt das polizeiliche System mit
der Erkenntniß, daß die Presse an und für sich eine große, selbständige
und daher hoch beachtenswerthe Macht sei, die eben deßhalb der neuen
Polizei unbedingt zu unterstehen habe. Dieß allgemeine Rechtsprincip
ward zuerst durch den Reichstagsabschied vom 18. April 1524 ausgesprochen,
"daß eine jede Obrigkeit bei ihren Druckereien und sonst allenthal-
ben
nothdürftig Einsehens haben solle, damit Schmähschriften und Ge-
mälde hinfürder gänzlich abgethan und nicht wieder ausgebreitet wür-
den." Auf dieser Grundlage organisirt sich nun ziemlich rasch die poli-
zeiliche Thätigkeit und ihr Recht in Preßangelegenheiten. Die beiden
großen allgemeinen Maßregeln, welche sich aus diesem allgemeinen
Standpunkt entwickelten, waren erstlich das Concessionswesen für die An-
lage von Druckereien, und zweitens das Recht des Verbotes für die zu
druckenden Bücher. Das erste erschien bei dem damaligen Gewerberecht
selbstverständlich; das zweite wird im Reichstagsabschied vom 22. April
1529 (§. 9) ausdrücklich bestimmt: "Alles was weiter Neues gedruckt
oder feilgehabt werden soll, soll zuvor einer von jeder Obrigkeit dazu
verordneten verständigen Person unterbreitet und so darin Mangel be-
funden wird, Druck und Verkauf nicht zugelassen werden." Das war
nun Reichsrecht; aber jeder Landesherr faßte diesen Grundsatz in seiner
Weise auf, und man gelangte hier wie auf allen andern Gebieten bald
dahin, das "Bücherregal" als ein eigenes öffentliches Recht aufzustellen.
Diesem Regal ging es in Beziehung auf seinen formellen juristischen In-
halt wie jedem andern. Die leitenden Grundsätze wurden theils durch
die Reichstagsabschiede, theils durch die Literatur des entstehenden wissen-
schaftlichen Staatsrechts festgestellt; die Ausführung und Anwendung
blieb der territorialen Gewalt. Was den ersten Punkt betrifft, so ge-
langte man bald zu gewissen Vorschriften, welche noch heute bestehen
und zum Theil stets bestehen werden. Schon der Reichstagsabschied
von 1530, §. 58, forderte die Angabe des Druckers und Druckortes
("Des Truckers Name und Zunahme, auch die Stadt, darin solches
getruckt mit nämlichen Worten darin gesetzt"); zugleich wird ein eigenes
Preßstrafrecht aufgestellt, jedoch hatte dasselbe noch den rohen Charakter
einer rein polizeilichen Strafe "nach Gelegenheit an Leib und Gut." --
Die Reichspolizeiordnung von 1548, Tit. 334 schärfte und bestimmte diese
Strafen und dehnte sie aus auf alle, welche solche, ohne Erlaubniß
gedruckten oder sonst verbotenen Bücher "schmähligs, paßquillischer oder
andrer Weiß verkaufen, kaufen oder behalten". Die Strafe gegen

beſondrer Anſtand ſich äußere, ihretwegen bei Hof angefragt, Schmäh-
ſchriften angehalten, nach Umſtänden confiscirt und hierüber nach Hof
berichtet werden.“ Freilich dauerte es lange, ehe man ſich dieſe Unter-
ſchiede genauer formulirte. Dagegen beginnt das polizeiliche Syſtem mit
der Erkenntniß, daß die Preſſe an und für ſich eine große, ſelbſtändige
und daher hoch beachtenswerthe Macht ſei, die eben deßhalb der neuen
Polizei unbedingt zu unterſtehen habe. Dieß allgemeine Rechtsprincip
ward zuerſt durch den Reichstagsabſchied vom 18. April 1524 ausgeſprochen,
„daß eine jede Obrigkeit bei ihren Druckereien und ſonſt allenthal-
ben
nothdürftig Einſehens haben ſolle, damit Schmähſchriften und Ge-
mälde hinfürder gänzlich abgethan und nicht wieder ausgebreitet wür-
den.“ Auf dieſer Grundlage organiſirt ſich nun ziemlich raſch die poli-
zeiliche Thätigkeit und ihr Recht in Preßangelegenheiten. Die beiden
großen allgemeinen Maßregeln, welche ſich aus dieſem allgemeinen
Standpunkt entwickelten, waren erſtlich das Conceſſionsweſen für die An-
lage von Druckereien, und zweitens das Recht des Verbotes für die zu
druckenden Bücher. Das erſte erſchien bei dem damaligen Gewerberecht
ſelbſtverſtändlich; das zweite wird im Reichstagsabſchied vom 22. April
1529 (§. 9) ausdrücklich beſtimmt: „Alles was weiter Neues gedruckt
oder feilgehabt werden ſoll, ſoll zuvor einer von jeder Obrigkeit dazu
verordneten verſtändigen Perſon unterbreitet und ſo darin Mangel be-
funden wird, Druck und Verkauf nicht zugelaſſen werden.“ Das war
nun Reichsrecht; aber jeder Landesherr faßte dieſen Grundſatz in ſeiner
Weiſe auf, und man gelangte hier wie auf allen andern Gebieten bald
dahin, das „Bücherregal“ als ein eigenes öffentliches Recht aufzuſtellen.
Dieſem Regal ging es in Beziehung auf ſeinen formellen juriſtiſchen In-
halt wie jedem andern. Die leitenden Grundſätze wurden theils durch
die Reichstagsabſchiede, theils durch die Literatur des entſtehenden wiſſen-
ſchaftlichen Staatsrechts feſtgeſtellt; die Ausführung und Anwendung
blieb der territorialen Gewalt. Was den erſten Punkt betrifft, ſo ge-
langte man bald zu gewiſſen Vorſchriften, welche noch heute beſtehen
und zum Theil ſtets beſtehen werden. Schon der Reichstagsabſchied
von 1530, §. 58, forderte die Angabe des Druckers und Druckortes
(„Des Truckers Name und Zunahme, auch die Stadt, darin ſolches
getruckt mit nämlichen Worten darin geſetzt“); zugleich wird ein eigenes
Preßſtrafrecht aufgeſtellt, jedoch hatte daſſelbe noch den rohen Charakter
einer rein polizeilichen Strafe „nach Gelegenheit an Leib und Gut.“ —
Die Reichspolizeiordnung von 1548, Tit. 334 ſchärfte und beſtimmte dieſe
Strafen und dehnte ſie aus auf alle, welche ſolche, ohne Erlaubniß
gedruckten oder ſonſt verbotenen Bücher „ſchmähligs, paßquilliſcher oder
andrer Weiß verkaufen, kaufen oder behalten“. Die Strafe gegen

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[104/0120] beſondrer Anſtand ſich äußere, ihretwegen bei Hof angefragt, Schmäh- ſchriften angehalten, nach Umſtänden confiscirt und hierüber nach Hof berichtet werden.“ Freilich dauerte es lange, ehe man ſich dieſe Unter- ſchiede genauer formulirte. Dagegen beginnt das polizeiliche Syſtem mit der Erkenntniß, daß die Preſſe an und für ſich eine große, ſelbſtändige und daher hoch beachtenswerthe Macht ſei, die eben deßhalb der neuen Polizei unbedingt zu unterſtehen habe. Dieß allgemeine Rechtsprincip ward zuerſt durch den Reichstagsabſchied vom 18. April 1524 ausgeſprochen, „daß eine jede Obrigkeit bei ihren Druckereien und ſonſt allenthal- ben nothdürftig Einſehens haben ſolle, damit Schmähſchriften und Ge- mälde hinfürder gänzlich abgethan und nicht wieder ausgebreitet wür- den.“ Auf dieſer Grundlage organiſirt ſich nun ziemlich raſch die poli- zeiliche Thätigkeit und ihr Recht in Preßangelegenheiten. Die beiden großen allgemeinen Maßregeln, welche ſich aus dieſem allgemeinen Standpunkt entwickelten, waren erſtlich das Conceſſionsweſen für die An- lage von Druckereien, und zweitens das Recht des Verbotes für die zu druckenden Bücher. Das erſte erſchien bei dem damaligen Gewerberecht ſelbſtverſtändlich; das zweite wird im Reichstagsabſchied vom 22. April 1529 (§. 9) ausdrücklich beſtimmt: „Alles was weiter Neues gedruckt oder feilgehabt werden ſoll, ſoll zuvor einer von jeder Obrigkeit dazu verordneten verſtändigen Perſon unterbreitet und ſo darin Mangel be- funden wird, Druck und Verkauf nicht zugelaſſen werden.“ Das war nun Reichsrecht; aber jeder Landesherr faßte dieſen Grundſatz in ſeiner Weiſe auf, und man gelangte hier wie auf allen andern Gebieten bald dahin, das „Bücherregal“ als ein eigenes öffentliches Recht aufzuſtellen. Dieſem Regal ging es in Beziehung auf ſeinen formellen juriſtiſchen In- halt wie jedem andern. Die leitenden Grundſätze wurden theils durch die Reichstagsabſchiede, theils durch die Literatur des entſtehenden wiſſen- ſchaftlichen Staatsrechts feſtgeſtellt; die Ausführung und Anwendung blieb der territorialen Gewalt. Was den erſten Punkt betrifft, ſo ge- langte man bald zu gewiſſen Vorſchriften, welche noch heute beſtehen und zum Theil ſtets beſtehen werden. Schon der Reichstagsabſchied von 1530, §. 58, forderte die Angabe des Druckers und Druckortes („Des Truckers Name und Zunahme, auch die Stadt, darin ſolches getruckt mit nämlichen Worten darin geſetzt“); zugleich wird ein eigenes Preßſtrafrecht aufgeſtellt, jedoch hatte daſſelbe noch den rohen Charakter einer rein polizeilichen Strafe „nach Gelegenheit an Leib und Gut.“ — Die Reichspolizeiordnung von 1548, Tit. 334 ſchärfte und beſtimmte dieſe Strafen und dehnte ſie aus auf alle, welche ſolche, ohne Erlaubniß gedruckten oder ſonſt verbotenen Bücher „ſchmähligs, paßquilliſcher oder andrer Weiß verkaufen, kaufen oder behalten“. Die Strafe gegen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/120>, abgerufen am 13.05.2024.