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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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einzelnen Gesetze mit Rücksicht auf die frühere Darstellung, sehr durch-
sichtig.

Was die Epoche des Prohibitivsystens und selbst die der ständischen
Zeit betrifft, so verweisen wir speziell auf Rousset (Nouveau Code
annote de la presse 1856, p.
40), dessen Aufzeichnung der Gesetze
mit dem Reglement vom 23. Februar 1723 beginnt und dieselben fort-
führt S. 241--49. Quellenkenntniß: für die Prohibitivepoche von C.
Schlosser, Geschichte des 18. Jahrhunderts (passim), und Buckle,
Geschichte der Civilisation Bd. I. S. 213--221 (1764, Verbot jedes
Buches über politische Fragen). Von einem Rechte war da nicht die Rede.

Die Zeit des Repressivsystems beginnt mit der Declaration des
droits
(s. oben), zu der die Constitution von 1791 hinzusetzt: "sans
que les ecrits puissent etre soumis a aucune censure ni inspection
avant leur publication."
Allein welche Bestimmungen die Gesetze über
die Druckwerke enthalten würden, war eben nicht gesagt. Der Kampf
zwischen den Parteien machte vor der Hand jede Gesetzgebung unthun-
lich; erst als die blutige Epoche vorbei und der Sieg der staatsbürger-
lichen Gesellschaft entschieden war, begann diese ihren Feind, die rothe
Republik, dessen Organ sie aus der Volksvertretung verdrängt, nun
auch in der Presse zu verfolgen, nach der allgemeinen Regel der Rechts-
bildung des Preßwesens. Das Gesetz vom 27. Germ. an IV bestimmte
den Tod für Aufreizung zum Widerstand; das Gesetz vom 28. Germ.
an IV
forderte die Angabe von Drucker und Verfasser mit harter Strafe;
das Gesetz vom 19. Fruct. an V dagegen ging schon so weit, die
Journale überhaupt (für ein Jahr) unter die polizeiliche Aufsicht zu
stellen; das Gesetz vom 9. Vend. an V u. f. führten den Stempel ein,
jedoch mit Ausnahme der Fachblätter; das Gesetz vom 27. Nivose an
VIII
unterwirft die Herausgabe der Journale direkt der autorisation
prealable du Gouvernement,
bis endlich Napoleon mit dem Decret vom
5. Februar 1810 das Präventivsystem vollständig herstellt. Diese
Verordnung beschränkt die Zahl der Druckereien, fordert für jede der-
selben die Genehmigung, den förmlichen Eid der Buchdrucker, stellt alle
Journale unter Concession und schreibt die Censur vor. Daneben ist
die Colportage polizeilich gemaßregelt (Arr. 17. Germ. an XI), die
Theater unter strenger Censur (Decret vom 29. Juli 1807), kirchliche
Bücher dürfen nur mit Bewilligung des Bischofs ausgegeben werden
(Decret vom 7. Germ. an XIII), in jedem Departement darf über-
haupt nur ein Journal sein (Decret vom 3. August 1810) und so ist
das Präventivsystem bis zu einem Grade entwickelt, wie nie zuvor.
Neben diesem System tritt nun das Strafrecht auf. Noch darf
kein Franzose ohne Gesetz bestraft werden; der Code Penal muß daher

einzelnen Geſetze mit Rückſicht auf die frühere Darſtellung, ſehr durch-
ſichtig.

Was die Epoche des Prohibitivſyſtens und ſelbſt die der ſtändiſchen
Zeit betrifft, ſo verweiſen wir ſpeziell auf Rouſſet (Nouveau Code
annoté de la presse 1856, p.
40), deſſen Aufzeichnung der Geſetze
mit dem Reglement vom 23. Februar 1723 beginnt und dieſelben fort-
führt S. 241—49. Quellenkenntniß: für die Prohibitivepoche von C.
Schloſſer, Geſchichte des 18. Jahrhunderts (passim), und Buckle,
Geſchichte der Civiliſation Bd. I. S. 213—221 (1764, Verbot jedes
Buches über politiſche Fragen). Von einem Rechte war da nicht die Rede.

Die Zeit des Repreſſivſyſtems beginnt mit der Déclaration des
droits
(ſ. oben), zu der die Conſtitution von 1791 hinzuſetzt: „sans
que les écrits puissent être soumis à aucune censure ni inspection
avant leur publication.“
Allein welche Beſtimmungen die Geſetze über
die Druckwerke enthalten würden, war eben nicht geſagt. Der Kampf
zwiſchen den Parteien machte vor der Hand jede Geſetzgebung unthun-
lich; erſt als die blutige Epoche vorbei und der Sieg der ſtaatsbürger-
lichen Geſellſchaft entſchieden war, begann dieſe ihren Feind, die rothe
Republik, deſſen Organ ſie aus der Volksvertretung verdrängt, nun
auch in der Preſſe zu verfolgen, nach der allgemeinen Regel der Rechts-
bildung des Preßweſens. Das Geſetz vom 27. Germ. an IV beſtimmte
den Tod für Aufreizung zum Widerſtand; das Geſetz vom 28. Germ.
an IV
forderte die Angabe von Drucker und Verfaſſer mit harter Strafe;
das Geſetz vom 19. Fruct. an V dagegen ging ſchon ſo weit, die
Journale überhaupt (für ein Jahr) unter die polizeiliche Aufſicht zu
ſtellen; das Geſetz vom 9. Vend. an V u. f. führten den Stempel ein,
jedoch mit Ausnahme der Fachblätter; das Geſetz vom 27. Nivose an
VIII
unterwirft die Herausgabe der Journale direkt der autorisation
préalable du Gouvernement,
bis endlich Napoleon mit dem Decret vom
5. Februar 1810 das Präventivſyſtem vollſtändig herſtellt. Dieſe
Verordnung beſchränkt die Zahl der Druckereien, fordert für jede der-
ſelben die Genehmigung, den förmlichen Eid der Buchdrucker, ſtellt alle
Journale unter Conceſſion und ſchreibt die Cenſur vor. Daneben iſt
die Colportage polizeilich gemaßregelt (Arr. 17. Germ. an XI), die
Theater unter ſtrenger Cenſur (Decret vom 29. Juli 1807), kirchliche
Bücher dürfen nur mit Bewilligung des Biſchofs ausgegeben werden
(Decret vom 7. Germ. an XIII), in jedem Departement darf über-
haupt nur ein Journal ſein (Decret vom 3. Auguſt 1810) und ſo iſt
das Präventivſyſtem bis zu einem Grade entwickelt, wie nie zuvor.
Neben dieſem Syſtem tritt nun das Strafrecht auf. Noch darf
kein Franzoſe ohne Geſetz beſtraft werden; der Code Pénal muß daher

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[134/0150] einzelnen Geſetze mit Rückſicht auf die frühere Darſtellung, ſehr durch- ſichtig. Was die Epoche des Prohibitivſyſtens und ſelbſt die der ſtändiſchen Zeit betrifft, ſo verweiſen wir ſpeziell auf Rouſſet (Nouveau Code annoté de la presse 1856, p. 40), deſſen Aufzeichnung der Geſetze mit dem Reglement vom 23. Februar 1723 beginnt und dieſelben fort- führt S. 241—49. Quellenkenntniß: für die Prohibitivepoche von C. Schloſſer, Geſchichte des 18. Jahrhunderts (passim), und Buckle, Geſchichte der Civiliſation Bd. I. S. 213—221 (1764, Verbot jedes Buches über politiſche Fragen). Von einem Rechte war da nicht die Rede. Die Zeit des Repreſſivſyſtems beginnt mit der Déclaration des droits (ſ. oben), zu der die Conſtitution von 1791 hinzuſetzt: „sans que les écrits puissent être soumis à aucune censure ni inspection avant leur publication.“ Allein welche Beſtimmungen die Geſetze über die Druckwerke enthalten würden, war eben nicht geſagt. Der Kampf zwiſchen den Parteien machte vor der Hand jede Geſetzgebung unthun- lich; erſt als die blutige Epoche vorbei und der Sieg der ſtaatsbürger- lichen Geſellſchaft entſchieden war, begann dieſe ihren Feind, die rothe Republik, deſſen Organ ſie aus der Volksvertretung verdrängt, nun auch in der Preſſe zu verfolgen, nach der allgemeinen Regel der Rechts- bildung des Preßweſens. Das Geſetz vom 27. Germ. an IV beſtimmte den Tod für Aufreizung zum Widerſtand; das Geſetz vom 28. Germ. an IV forderte die Angabe von Drucker und Verfaſſer mit harter Strafe; das Geſetz vom 19. Fruct. an V dagegen ging ſchon ſo weit, die Journale überhaupt (für ein Jahr) unter die polizeiliche Aufſicht zu ſtellen; das Geſetz vom 9. Vend. an V u. f. führten den Stempel ein, jedoch mit Ausnahme der Fachblätter; das Geſetz vom 27. Nivose an VIII unterwirft die Herausgabe der Journale direkt der autorisation préalable du Gouvernement, bis endlich Napoleon mit dem Decret vom 5. Februar 1810 das Präventivſyſtem vollſtändig herſtellt. Dieſe Verordnung beſchränkt die Zahl der Druckereien, fordert für jede der- ſelben die Genehmigung, den förmlichen Eid der Buchdrucker, ſtellt alle Journale unter Conceſſion und ſchreibt die Cenſur vor. Daneben iſt die Colportage polizeilich gemaßregelt (Arr. 17. Germ. an XI), die Theater unter ſtrenger Cenſur (Decret vom 29. Juli 1807), kirchliche Bücher dürfen nur mit Bewilligung des Biſchofs ausgegeben werden (Decret vom 7. Germ. an XIII), in jedem Departement darf über- haupt nur ein Journal ſein (Decret vom 3. Auguſt 1810) und ſo iſt das Präventivſyſtem bis zu einem Grade entwickelt, wie nie zuvor. Neben dieſem Syſtem tritt nun das Strafrecht auf. Noch darf kein Franzoſe ohne Geſetz beſtraft werden; der Code Pénal muß daher

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/150>, abgerufen am 21.11.2024.