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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Werke. Das sehr freisinnige Gesetz von 1817 blieb jedoch praktisch
trotz seiner Bestätigung in der Verfassungsurkunde von 1819 in §. 28
außer Anwendung, ward aber durch königl. Verordnung vom 1. März
1848 wieder hergestellt und so beginnt die zweite Epoche des württem-
bergischen Preßrechts, die hauptsächlich durch Verordnung vom 25. De-
cember 1850 zum Schutz gegen den Mißbrauch der Presse charakterisirt
ist. Dann trat der Bundesbeschluß von 1854 ins Leben und der Kampf
des Bundes mit dem freien Staat beginnt aufs Neue, indem die könig-
liche Verordnung vom 7. Januar 1856 die Durchführung der Bundes-
beschlüsse anordnete, namentlich in Beziehung auf das Druckereigewerbe,
während für die eigentliche Presse das Gesetz von 1817 aufrecht ge-
halten ward (s. Roller, württemb. Polizeirecht, §. 834--836). Auch
hier fehlt das Schwurgericht; die Kreispolizeiämter haben aber das
Recht, nicht bloß die Zeitungen, sondern auch die Druckerei- und Ver-
lagsgewerbe polizeilich einzustellen, wenn diese Gewerbe nach zweimaliger
Verurtheilung oder Verwarnung beharrlich zu Verbreitung von "staats-
gefährlichen Druckschriften" gemißbraucht werden. Offenbar ist hier das
subjektive Ermessen der Staatsregierung über etwas, das das Gesetz
"Staatsgefährlichkeit" nennt, entscheidend; es ist die loi des tendances,
nur in der härteren Form des französischen Gesetzes von 1852 mit der
Souveränetät der Polizeibehörde an der Stelle des Gerichts. Das Ge-
setz vom 26. August 1849 ist daneben eine ganz rationelle Bestimmung
über die Berichtigungen. Auf diese Weise ist auch Württemberg in das
strenge französische Repressivsystem zurückgefallen und steht in tiefer Ver-
schiedenheit neben dem bayerischen freien System da. Die übrigen
deutschen Staaten haben nicht einmal eine innere Geschichte ihres Preß-
rechts aufzuweisen; sie haben einfach den Bundesbeschluß von 1854
acceptirt und publicirt; so Altenburg (Verordnung vom 4. Februar
1856), als Einführungsverordnung durch Bundesbeschluß; Han-
nover
(Verordnung vom 15. Januar 1855). -- In Baden hat das
Preßrecht dieselbe Geschichte. Dasselbe ist zuerst durch das Gesetz vom
15. Februar 1851 im Sinne des Repressivsystems, dem sächsischen ähn-
lich geordnet, und dann der Bundesbeschluß von 1854 durch das Ge-
setz vom 15. Januar 1857 eingeführt. Dieß strenge unzeitgemäße
System ist auch in einem Polizeistrafgesetzbuch von 1863 beibehalten.
Die Polizeiübertretungen der Presse sind jedoch nach diesen Gesetzen ge-
richtlich zu verfolgen (Stempf, Preßstrafgesetzbuch S. 104). -- In
Sachsen-Altenburg Einführung des Bundesbeschlusses von 1854
(Verordnung vom 1. März 1855) und eine Verordnung vom 5. Juni
1863 speciell in Beziehung auf die Polizei des Verlags- und Druckerei-
gewerbes. -- Das braunschweigische Gesetz vom 4. Mai 1848 hat

Werke. Das ſehr freiſinnige Geſetz von 1817 blieb jedoch praktiſch
trotz ſeiner Beſtätigung in der Verfaſſungsurkunde von 1819 in §. 28
außer Anwendung, ward aber durch königl. Verordnung vom 1. März
1848 wieder hergeſtellt und ſo beginnt die zweite Epoche des württem-
bergiſchen Preßrechts, die hauptſächlich durch Verordnung vom 25. De-
cember 1850 zum Schutz gegen den Mißbrauch der Preſſe charakteriſirt
iſt. Dann trat der Bundesbeſchluß von 1854 ins Leben und der Kampf
des Bundes mit dem freien Staat beginnt aufs Neue, indem die könig-
liche Verordnung vom 7. Januar 1856 die Durchführung der Bundes-
beſchlüſſe anordnete, namentlich in Beziehung auf das Druckereigewerbe,
während für die eigentliche Preſſe das Geſetz von 1817 aufrecht ge-
halten ward (ſ. Roller, württemb. Polizeirecht, §. 834—836). Auch
hier fehlt das Schwurgericht; die Kreispolizeiämter haben aber das
Recht, nicht bloß die Zeitungen, ſondern auch die Druckerei- und Ver-
lagsgewerbe polizeilich einzuſtellen, wenn dieſe Gewerbe nach zweimaliger
Verurtheilung oder Verwarnung beharrlich zu Verbreitung von „ſtaats-
gefährlichen Druckſchriften“ gemißbraucht werden. Offenbar iſt hier das
ſubjektive Ermeſſen der Staatsregierung über etwas, das das Geſetz
„Staatsgefährlichkeit“ nennt, entſcheidend; es iſt die loi des tendances,
nur in der härteren Form des franzöſiſchen Geſetzes von 1852 mit der
Souveränetät der Polizeibehörde an der Stelle des Gerichts. Das Ge-
ſetz vom 26. Auguſt 1849 iſt daneben eine ganz rationelle Beſtimmung
über die Berichtigungen. Auf dieſe Weiſe iſt auch Württemberg in das
ſtrenge franzöſiſche Repreſſivſyſtem zurückgefallen und ſteht in tiefer Ver-
ſchiedenheit neben dem bayeriſchen freien Syſtem da. Die übrigen
deutſchen Staaten haben nicht einmal eine innere Geſchichte ihres Preß-
rechts aufzuweiſen; ſie haben einfach den Bundesbeſchluß von 1854
acceptirt und publicirt; ſo Altenburg (Verordnung vom 4. Februar
1856), als Einführungsverordnung durch Bundesbeſchluß; Han-
nover
(Verordnung vom 15. Januar 1855). — In Baden hat das
Preßrecht dieſelbe Geſchichte. Daſſelbe iſt zuerſt durch das Geſetz vom
15. Februar 1851 im Sinne des Repreſſivſyſtems, dem ſächſiſchen ähn-
lich geordnet, und dann der Bundesbeſchluß von 1854 durch das Ge-
ſetz vom 15. Januar 1857 eingeführt. Dieß ſtrenge unzeitgemäße
Syſtem iſt auch in einem Polizeiſtrafgeſetzbuch von 1863 beibehalten.
Die Polizeiübertretungen der Preſſe ſind jedoch nach dieſen Geſetzen ge-
richtlich zu verfolgen (Stempf, Preßſtrafgeſetzbuch S. 104). — In
Sachſen-Altenburg Einführung des Bundesbeſchluſſes von 1854
(Verordnung vom 1. März 1855) und eine Verordnung vom 5. Juni
1863 ſpeciell in Beziehung auf die Polizei des Verlags- und Druckerei-
gewerbes. — Das braunſchweigiſche Geſetz vom 4. Mai 1848 hat

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[142/0158] Werke. Das ſehr freiſinnige Geſetz von 1817 blieb jedoch praktiſch trotz ſeiner Beſtätigung in der Verfaſſungsurkunde von 1819 in §. 28 außer Anwendung, ward aber durch königl. Verordnung vom 1. März 1848 wieder hergeſtellt und ſo beginnt die zweite Epoche des württem- bergiſchen Preßrechts, die hauptſächlich durch Verordnung vom 25. De- cember 1850 zum Schutz gegen den Mißbrauch der Preſſe charakteriſirt iſt. Dann trat der Bundesbeſchluß von 1854 ins Leben und der Kampf des Bundes mit dem freien Staat beginnt aufs Neue, indem die könig- liche Verordnung vom 7. Januar 1856 die Durchführung der Bundes- beſchlüſſe anordnete, namentlich in Beziehung auf das Druckereigewerbe, während für die eigentliche Preſſe das Geſetz von 1817 aufrecht ge- halten ward (ſ. Roller, württemb. Polizeirecht, §. 834—836). Auch hier fehlt das Schwurgericht; die Kreispolizeiämter haben aber das Recht, nicht bloß die Zeitungen, ſondern auch die Druckerei- und Ver- lagsgewerbe polizeilich einzuſtellen, wenn dieſe Gewerbe nach zweimaliger Verurtheilung oder Verwarnung beharrlich zu Verbreitung von „ſtaats- gefährlichen Druckſchriften“ gemißbraucht werden. Offenbar iſt hier das ſubjektive Ermeſſen der Staatsregierung über etwas, das das Geſetz „Staatsgefährlichkeit“ nennt, entſcheidend; es iſt die loi des tendances, nur in der härteren Form des franzöſiſchen Geſetzes von 1852 mit der Souveränetät der Polizeibehörde an der Stelle des Gerichts. Das Ge- ſetz vom 26. Auguſt 1849 iſt daneben eine ganz rationelle Beſtimmung über die Berichtigungen. Auf dieſe Weiſe iſt auch Württemberg in das ſtrenge franzöſiſche Repreſſivſyſtem zurückgefallen und ſteht in tiefer Ver- ſchiedenheit neben dem bayeriſchen freien Syſtem da. Die übrigen deutſchen Staaten haben nicht einmal eine innere Geſchichte ihres Preß- rechts aufzuweiſen; ſie haben einfach den Bundesbeſchluß von 1854 acceptirt und publicirt; ſo Altenburg (Verordnung vom 4. Februar 1856), als Einführungsverordnung durch Bundesbeſchluß; Han- nover (Verordnung vom 15. Januar 1855). — In Baden hat das Preßrecht dieſelbe Geſchichte. Daſſelbe iſt zuerſt durch das Geſetz vom 15. Februar 1851 im Sinne des Repreſſivſyſtems, dem ſächſiſchen ähn- lich geordnet, und dann der Bundesbeſchluß von 1854 durch das Ge- ſetz vom 15. Januar 1857 eingeführt. Dieß ſtrenge unzeitgemäße Syſtem iſt auch in einem Polizeiſtrafgeſetzbuch von 1863 beibehalten. Die Polizeiübertretungen der Preſſe ſind jedoch nach dieſen Geſetzen ge- richtlich zu verfolgen (Stempf, Preßſtrafgeſetzbuch S. 104). — In Sachſen-Altenburg Einführung des Bundesbeſchluſſes von 1854 (Verordnung vom 1. März 1855) und eine Verordnung vom 5. Juni 1863 ſpeciell in Beziehung auf die Polizei des Verlags- und Druckerei- gewerbes. — Das braunſchweigiſche Geſetz vom 4. Mai 1848 hat

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/158>, abgerufen am 21.11.2024.