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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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1850 die Preßpolizei ordnete. Der Bundesbeschluß von 1854 ward
nicht publicirt (Pözl, bayerisches Verfassungsrecht §. 27, Doll-
manns
Gesetzbuch des Königreichs Bayern, III. Heft, 1). -- Bayerns
Gesetzgebung ist von allen deutschen die freieste; es kennt weder Con-
cessionen noch Cautionen, keine Beschränkung des Druckerei- oder Ver-
lagsgewerbes, die Schwurgerichte entscheiden, und selbst bei der Be-
strafung für Polizeiübertretungen steht die Gerichtsbarkeit nicht der Polizei,
sondern den Gerichten zu. -- Den zerfahrenen Zustand Deutschlands
kennzeichnet kaum etwas besser, als der Geist und Inhalt des Bundes-
beschlusses vom 6. Juli 1854 gegenüber diesem trefflichen bayerischen
Gesetz. -- Das Königreich Sachsen hatte am 14. März 1851 ein eigenes
Preßgesetz erlassen, welches neben den gewöhnlichen Maßregeln der
Preßpolizei (Anzeige, Pflichtexemplar, Angabe von Drucker und Ver-
leger, Caution, Recht der Beschlagnahme) auch noch den Grundsatz fest-
hält, daß die Strafen nur auf gerichtlichem Wege erkannt werden können;
jedoch soll, wenn eine Zeitschrift binnen Jahresfrist zwei gerichtliche Ver-
urtheilungen erfahren hat, die Kreisdirektion das Recht haben, das
Blatt zeitlich oder gänzlich zu verbieten (§. 30). Eben so gegen Drucker
und Verleger (§. 31). Das "Gesetz vom 4. April 1851, einige straf-
rechtliche Bestimmungen betreffend," aber bestimmte offen die Strafbar-
keit nicht bloß einzelner "Aufforderungen," sondern selbst "tadelnde
Kritiken
der Regierung, öffentlicher Behörden oder einzelner Berufs-
handlungen -- wenn dabei Beweggründe untergelegt oder Eigenschaften
beigelegt werden, welche im Publikum (?) Haß oder Verachtung gegen
dieselben zu erregen geeignet sind." Der Kampf gegen die Tendenz
liegt hier offen vor. Damit war schon dem Repressivsystem die Bahn
gebrochen und der Bundesbeschluß von 1854 wurde ohne Weiteres mit
Verordnung vom 30. Januar 1855 für Sachsen publicirt. Es sagte
ja im Grunde nichts Neues. Diese Gesetze gelten noch gegenwärtig,
und bilden einen tiefen Gegensatz gegen das freie bayerische, österreichische
und preußische System.

In Württemberg dagegen ist die bisherige Entwicklungsgeschichte
etwas anderes, das Resultat dagegen das gleiche. Das württem-
bergische
Preßrecht wird von Mohl (württemberg. Verfassungsrecht
§. 73) richtig als ein doppeltes bezeichnet, das eigentlich württembergische
auf Grundlage des Gesetzes vom 30. Jan. 1817, und die verschiedenen
Gesetze des deutschen Bundes. Nirgends ist wohl der Gegensatz zwischen
der freisinnigen Richtung der örtlichen Gesetzgebung und den reaktionären
Bestrebungen des deutschen Bundes so klar ausgedrückt als hier; es ist
ein höchst belehrendes Stück innerer Geschichte Deutschlands. Die Dar-
stellung Mohls (S. 385--372) gehört zu den besten in diesem trefflichen

1850 die Preßpolizei ordnete. Der Bundesbeſchluß von 1854 ward
nicht publicirt (Pözl, bayeriſches Verfaſſungsrecht §. 27, Doll-
manns
Geſetzbuch des Königreichs Bayern, III. Heft, 1). — Bayerns
Geſetzgebung iſt von allen deutſchen die freieſte; es kennt weder Con-
ceſſionen noch Cautionen, keine Beſchränkung des Druckerei- oder Ver-
lagsgewerbes, die Schwurgerichte entſcheiden, und ſelbſt bei der Be-
ſtrafung für Polizeiübertretungen ſteht die Gerichtsbarkeit nicht der Polizei,
ſondern den Gerichten zu. — Den zerfahrenen Zuſtand Deutſchlands
kennzeichnet kaum etwas beſſer, als der Geiſt und Inhalt des Bundes-
beſchluſſes vom 6. Juli 1854 gegenüber dieſem trefflichen bayeriſchen
Geſetz. — Das Königreich Sachſen hatte am 14. März 1851 ein eigenes
Preßgeſetz erlaſſen, welches neben den gewöhnlichen Maßregeln der
Preßpolizei (Anzeige, Pflichtexemplar, Angabe von Drucker und Ver-
leger, Caution, Recht der Beſchlagnahme) auch noch den Grundſatz feſt-
hält, daß die Strafen nur auf gerichtlichem Wege erkannt werden können;
jedoch ſoll, wenn eine Zeitſchrift binnen Jahresfriſt zwei gerichtliche Ver-
urtheilungen erfahren hat, die Kreisdirektion das Recht haben, das
Blatt zeitlich oder gänzlich zu verbieten (§. 30). Eben ſo gegen Drucker
und Verleger (§. 31). Das „Geſetz vom 4. April 1851, einige ſtraf-
rechtliche Beſtimmungen betreffend,“ aber beſtimmte offen die Strafbar-
keit nicht bloß einzelner „Aufforderungen,“ ſondern ſelbſt „tadelnde
Kritiken
der Regierung, öffentlicher Behörden oder einzelner Berufs-
handlungen — wenn dabei Beweggründe untergelegt oder Eigenſchaften
beigelegt werden, welche im Publikum (?) Haß oder Verachtung gegen
dieſelben zu erregen geeignet ſind.“ Der Kampf gegen die Tendenz
liegt hier offen vor. Damit war ſchon dem Repreſſivſyſtem die Bahn
gebrochen und der Bundesbeſchluß von 1854 wurde ohne Weiteres mit
Verordnung vom 30. Januar 1855 für Sachſen publicirt. Es ſagte
ja im Grunde nichts Neues. Dieſe Geſetze gelten noch gegenwärtig,
und bilden einen tiefen Gegenſatz gegen das freie bayeriſche, öſterreichiſche
und preußiſche Syſtem.

In Württemberg dagegen iſt die bisherige Entwicklungsgeſchichte
etwas anderes, das Reſultat dagegen das gleiche. Das württem-
bergiſche
Preßrecht wird von Mohl (württemberg. Verfaſſungsrecht
§. 73) richtig als ein doppeltes bezeichnet, das eigentlich württembergiſche
auf Grundlage des Geſetzes vom 30. Jan. 1817, und die verſchiedenen
Geſetze des deutſchen Bundes. Nirgends iſt wohl der Gegenſatz zwiſchen
der freiſinnigen Richtung der örtlichen Geſetzgebung und den reaktionären
Beſtrebungen des deutſchen Bundes ſo klar ausgedrückt als hier; es iſt
ein höchſt belehrendes Stück innerer Geſchichte Deutſchlands. Die Dar-
ſtellung Mohls (S. 385—372) gehört zu den beſten in dieſem trefflichen

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[141/0157] 1850 die Preßpolizei ordnete. Der Bundesbeſchluß von 1854 ward nicht publicirt (Pözl, bayeriſches Verfaſſungsrecht §. 27, Doll- manns Geſetzbuch des Königreichs Bayern, III. Heft, 1). — Bayerns Geſetzgebung iſt von allen deutſchen die freieſte; es kennt weder Con- ceſſionen noch Cautionen, keine Beſchränkung des Druckerei- oder Ver- lagsgewerbes, die Schwurgerichte entſcheiden, und ſelbſt bei der Be- ſtrafung für Polizeiübertretungen ſteht die Gerichtsbarkeit nicht der Polizei, ſondern den Gerichten zu. — Den zerfahrenen Zuſtand Deutſchlands kennzeichnet kaum etwas beſſer, als der Geiſt und Inhalt des Bundes- beſchluſſes vom 6. Juli 1854 gegenüber dieſem trefflichen bayeriſchen Geſetz. — Das Königreich Sachſen hatte am 14. März 1851 ein eigenes Preßgeſetz erlaſſen, welches neben den gewöhnlichen Maßregeln der Preßpolizei (Anzeige, Pflichtexemplar, Angabe von Drucker und Ver- leger, Caution, Recht der Beſchlagnahme) auch noch den Grundſatz feſt- hält, daß die Strafen nur auf gerichtlichem Wege erkannt werden können; jedoch ſoll, wenn eine Zeitſchrift binnen Jahresfriſt zwei gerichtliche Ver- urtheilungen erfahren hat, die Kreisdirektion das Recht haben, das Blatt zeitlich oder gänzlich zu verbieten (§. 30). Eben ſo gegen Drucker und Verleger (§. 31). Das „Geſetz vom 4. April 1851, einige ſtraf- rechtliche Beſtimmungen betreffend,“ aber beſtimmte offen die Strafbar- keit nicht bloß einzelner „Aufforderungen,“ ſondern ſelbſt „tadelnde Kritiken der Regierung, öffentlicher Behörden oder einzelner Berufs- handlungen — wenn dabei Beweggründe untergelegt oder Eigenſchaften beigelegt werden, welche im Publikum (?) Haß oder Verachtung gegen dieſelben zu erregen geeignet ſind.“ Der Kampf gegen die Tendenz liegt hier offen vor. Damit war ſchon dem Repreſſivſyſtem die Bahn gebrochen und der Bundesbeſchluß von 1854 wurde ohne Weiteres mit Verordnung vom 30. Januar 1855 für Sachſen publicirt. Es ſagte ja im Grunde nichts Neues. Dieſe Geſetze gelten noch gegenwärtig, und bilden einen tiefen Gegenſatz gegen das freie bayeriſche, öſterreichiſche und preußiſche Syſtem. In Württemberg dagegen iſt die bisherige Entwicklungsgeſchichte etwas anderes, das Reſultat dagegen das gleiche. Das württem- bergiſche Preßrecht wird von Mohl (württemberg. Verfaſſungsrecht §. 73) richtig als ein doppeltes bezeichnet, das eigentlich württembergiſche auf Grundlage des Geſetzes vom 30. Jan. 1817, und die verſchiedenen Geſetze des deutſchen Bundes. Nirgends iſt wohl der Gegenſatz zwiſchen der freiſinnigen Richtung der örtlichen Geſetzgebung und den reaktionären Beſtrebungen des deutſchen Bundes ſo klar ausgedrückt als hier; es iſt ein höchſt belehrendes Stück innerer Geſchichte Deutſchlands. Die Dar- ſtellung Mohls (S. 385—372) gehört zu den beſten in dieſem trefflichen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/157>, abgerufen am 24.11.2024.