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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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enthalten müsse. Dieser Mangel in der Theorie ward entscheidend, weil
er es möglich machte, theils die Presse auch in ihrem Geiste unter die
Verwaltungsgewalt zu stellen, theils aber das Strafrecht auch auf den
Geist anzuwenden, ohne daß die Literatur dagegen ein ernstes Gegen-
gewicht zu bieten wüßte. Andererseits entstand gleichzeitig der Bundes-
tag aufs neue, und aufs neue trat daher für die Bildung des positiven
Rechts der Gedanke ins Leben, die Gesetzgebung über die Presse wie
vor 1848 vom Bundestag ausgehen zu lassen. So entstand dann eine
doppelte Gesetzgebung. Die eine war die bundestagliche, die andere die
der Territorien. Daß dabei an eine rechtliche Einheit so wenig zu
denken war als an eine theoretische, war klar. Es bleibt daher nichts
anderes übrig, als diese beiden Grundformen zu charakterisiren und die
einzelnen Preßgesetzgebungen daran anzuschließen.

Im Allgemeinen nun kann man sagen, daß die Bundesgesetzgebung
das Repressivprincip wieder hergestellt hat, während die Staats-
gesetzgebungen der großen Staaten sich von demselben, so weit sie über-
haupt zur Selbständigkeit gelangt sind, losgemacht und zum Theil
wenigstens das System des Rechts der Preßfreiheit durchgeführt
haben.

Der historische Verlauf dieser Gesetzgebung ist im Großen und
Ganzen folgender.

Der erste Staat, der zu einer selbständigen Preßgesetzgebung ge-
langte, war Preußen (Gesetz über die Presse vom 12. Mai 1851),
das in fast allen seinen Punkten noch heute gilt. Die Bearbeitungen
dieses Gesetzes sind außer dem dasselbe betreffenden Theil im Staats-
recht von Rönne (das Gesetz über die Presse 1851), L. Hartmann
(das Gesetz über die Presse 1861), Schwark (das Gesetz über die
Presse 1862) nebst Conrad (die preußische Preß- und Nachdrucksgesetz-
gebung 1862). -- Oesterreich empfing sein erstes freies Preßgesetz
am 13. März 1849; dann folgte das Preßgesetz vom 27. Mai 1852,
das das Repressivsystem wieder herstellte und zuletzt das neue Gesetz
vom 17. December 1862, das in Princip und Ausführung den Ge-
danken der Preßfreiheit gesetzlich durchführte. Höchst gründlich ist für
das ganze Gebiet des Preßrechts P. Harum (die gegenwärtige öster-
reichische Preßgesetzgebung, systematische Darstellung über das Autor-
recht und die Preßpolizeigesetzgebung 1857). Das neue Preßgesetz ist
commentirt von Lienhardt. -- Bayern hatte schon durch Verordnung
vom 13. Juni 1803 die Censur aufgehoben, jedoch für die Zeitungen
sie beibehalten (1806), und dieß bestand fort bis 1848, wo das Edikt
über die Freiheit der Presse (4. Juni 1848) die Censur beseitigte und
das Gesetz zum Schutz gegen den Mißbrauch der Presse vom 17. März

enthalten müſſe. Dieſer Mangel in der Theorie ward entſcheidend, weil
er es möglich machte, theils die Preſſe auch in ihrem Geiſte unter die
Verwaltungsgewalt zu ſtellen, theils aber das Strafrecht auch auf den
Geiſt anzuwenden, ohne daß die Literatur dagegen ein ernſtes Gegen-
gewicht zu bieten wüßte. Andererſeits entſtand gleichzeitig der Bundes-
tag aufs neue, und aufs neue trat daher für die Bildung des poſitiven
Rechts der Gedanke ins Leben, die Geſetzgebung über die Preſſe wie
vor 1848 vom Bundestag ausgehen zu laſſen. So entſtand dann eine
doppelte Geſetzgebung. Die eine war die bundestagliche, die andere die
der Territorien. Daß dabei an eine rechtliche Einheit ſo wenig zu
denken war als an eine theoretiſche, war klar. Es bleibt daher nichts
anderes übrig, als dieſe beiden Grundformen zu charakteriſiren und die
einzelnen Preßgeſetzgebungen daran anzuſchließen.

Im Allgemeinen nun kann man ſagen, daß die Bundesgeſetzgebung
das Repreſſivprincip wieder hergeſtellt hat, während die Staats-
geſetzgebungen der großen Staaten ſich von demſelben, ſo weit ſie über-
haupt zur Selbſtändigkeit gelangt ſind, losgemacht und zum Theil
wenigſtens das Syſtem des Rechts der Preßfreiheit durchgeführt
haben.

Der hiſtoriſche Verlauf dieſer Geſetzgebung iſt im Großen und
Ganzen folgender.

Der erſte Staat, der zu einer ſelbſtändigen Preßgeſetzgebung ge-
langte, war Preußen (Geſetz über die Preſſe vom 12. Mai 1851),
das in faſt allen ſeinen Punkten noch heute gilt. Die Bearbeitungen
dieſes Geſetzes ſind außer dem daſſelbe betreffenden Theil im Staats-
recht von Rönne (das Geſetz über die Preſſe 1851), L. Hartmann
(das Geſetz über die Preſſe 1861), Schwark (das Geſetz über die
Preſſe 1862) nebſt Conrad (die preußiſche Preß- und Nachdrucksgeſetz-
gebung 1862). — Oeſterreich empfing ſein erſtes freies Preßgeſetz
am 13. März 1849; dann folgte das Preßgeſetz vom 27. Mai 1852,
das das Repreſſivſyſtem wieder herſtellte und zuletzt das neue Geſetz
vom 17. December 1862, das in Princip und Ausführung den Ge-
danken der Preßfreiheit geſetzlich durchführte. Höchſt gründlich iſt für
das ganze Gebiet des Preßrechts P. Harum (die gegenwärtige öſter-
reichiſche Preßgeſetzgebung, ſyſtematiſche Darſtellung über das Autor-
recht und die Preßpolizeigeſetzgebung 1857). Das neue Preßgeſetz iſt
commentirt von Lienhardt. — Bayern hatte ſchon durch Verordnung
vom 13. Juni 1803 die Cenſur aufgehoben, jedoch für die Zeitungen
ſie beibehalten (1806), und dieß beſtand fort bis 1848, wo das Edikt
über die Freiheit der Preſſe (4. Juni 1848) die Cenſur beſeitigte und
das Geſetz zum Schutz gegen den Mißbrauch der Preſſe vom 17. März

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[140/0156] enthalten müſſe. Dieſer Mangel in der Theorie ward entſcheidend, weil er es möglich machte, theils die Preſſe auch in ihrem Geiſte unter die Verwaltungsgewalt zu ſtellen, theils aber das Strafrecht auch auf den Geiſt anzuwenden, ohne daß die Literatur dagegen ein ernſtes Gegen- gewicht zu bieten wüßte. Andererſeits entſtand gleichzeitig der Bundes- tag aufs neue, und aufs neue trat daher für die Bildung des poſitiven Rechts der Gedanke ins Leben, die Geſetzgebung über die Preſſe wie vor 1848 vom Bundestag ausgehen zu laſſen. So entſtand dann eine doppelte Geſetzgebung. Die eine war die bundestagliche, die andere die der Territorien. Daß dabei an eine rechtliche Einheit ſo wenig zu denken war als an eine theoretiſche, war klar. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als dieſe beiden Grundformen zu charakteriſiren und die einzelnen Preßgeſetzgebungen daran anzuſchließen. Im Allgemeinen nun kann man ſagen, daß die Bundesgeſetzgebung das Repreſſivprincip wieder hergeſtellt hat, während die Staats- geſetzgebungen der großen Staaten ſich von demſelben, ſo weit ſie über- haupt zur Selbſtändigkeit gelangt ſind, losgemacht und zum Theil wenigſtens das Syſtem des Rechts der Preßfreiheit durchgeführt haben. Der hiſtoriſche Verlauf dieſer Geſetzgebung iſt im Großen und Ganzen folgender. Der erſte Staat, der zu einer ſelbſtändigen Preßgeſetzgebung ge- langte, war Preußen (Geſetz über die Preſſe vom 12. Mai 1851), das in faſt allen ſeinen Punkten noch heute gilt. Die Bearbeitungen dieſes Geſetzes ſind außer dem daſſelbe betreffenden Theil im Staats- recht von Rönne (das Geſetz über die Preſſe 1851), L. Hartmann (das Geſetz über die Preſſe 1861), Schwark (das Geſetz über die Preſſe 1862) nebſt Conrad (die preußiſche Preß- und Nachdrucksgeſetz- gebung 1862). — Oeſterreich empfing ſein erſtes freies Preßgeſetz am 13. März 1849; dann folgte das Preßgeſetz vom 27. Mai 1852, das das Repreſſivſyſtem wieder herſtellte und zuletzt das neue Geſetz vom 17. December 1862, das in Princip und Ausführung den Ge- danken der Preßfreiheit geſetzlich durchführte. Höchſt gründlich iſt für das ganze Gebiet des Preßrechts P. Harum (die gegenwärtige öſter- reichiſche Preßgeſetzgebung, ſyſtematiſche Darſtellung über das Autor- recht und die Preßpolizeigeſetzgebung 1857). Das neue Preßgeſetz iſt commentirt von Lienhardt. — Bayern hatte ſchon durch Verordnung vom 13. Juni 1803 die Cenſur aufgehoben, jedoch für die Zeitungen ſie beibehalten (1806), und dieß beſtand fort bis 1848, wo das Edikt über die Freiheit der Preſſe (4. Juni 1848) die Cenſur beſeitigte und das Geſetz zum Schutz gegen den Mißbrauch der Preſſe vom 17. März

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/156>, abgerufen am 21.11.2024.