Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.Strafe für den unliebsamen Geist eines Journals. -- Das zweite Strafe für den unliebſamen Geiſt eines Journals. — Das zweite <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0160" n="144"/> Strafe für den unliebſamen Geiſt eines Journals. — Das zweite<lb/> Princip iſt die <hi rendition="#g">Freiheit des Gedankens</hi> und die <hi rendition="#g">Strafbarkeit<lb/> des Ausdrucks</hi> — die Freiheit der geiſtigen Arbeit und die gericht-<lb/> liche Verantwortlichkeit der geiſtigen That. Sein erſter Ausdruck iſt<lb/> die gewerbliche Freiheit des Preßunternehmens des Buches wie der Zei-<lb/> tung, jedoch gegen polizeiliche Anzeige, mit Beſchlagnahme gegen Haftung<lb/> und gerichtlichem Verfahren. Sein zweiter Ausdruck iſt die Beſeitigung<lb/> des Syſtems der Verwarnungen und des polizeilichen Verbotes. Sein<lb/> dritter iſt die Beſeitigung des Urtheils gegen das <hi rendition="#g">Unternehmen</hi> und<lb/> Zurückführung auf die Perſon des verantwortlichen Redacteurs u. ſ. w.<lb/> — Das dritte Princip iſt die Ueberweiſung der durch die Preſſe be-<lb/> gangenen Verbrechen an die <hi rendition="#g">Gerichte</hi>. Und hier müſſen wir wieder-<lb/> holen, was wir ſchon einmal geſagt haben. Da wir im Syſtem der<lb/> Preßfreiheit überhaupt kein eigentliches Preßverbrechen anerkennen können,<lb/> indem ein Preßyerbrechen eben in dem <hi rendition="#g">Geiſt</hi> der Preſſe beſteht und<lb/> ſein Thatbeſtand nur durch Schlußfolgerungen und nicht durch einzelne<lb/> Ausdrücke gegeben wird, ſo iſt damit der <hi rendition="#g">formelle</hi> Uebergang vom<lb/> Repreſſiv- zum freien Syſtem dadurch gegeben, daß <hi rendition="#g">alle</hi> durch die<lb/> Preſſe (<hi rendition="#aq">par la voie de la presse</hi>) begangenen Verbrechen in das Straf-<lb/> geſetzbuch aufgenommen werden. Nur <hi rendition="#g">kann</hi> — und das war ſogar<lb/> die beſtimmte Forderung des Bundesbeſchluſſes von 1854 — die Straf-<lb/> barkeit des Gedankens in der Form in die Strafgeſetzbücher aufgenom-<lb/> men werden, daß die „Form der Darſtellung <hi rendition="#g">geeignet</hi> iſt, jemanden<lb/> dem Haß und der Verachtung auszuſetzen.“ <hi rendition="#g">Wo</hi> dieß der Fall iſt, da<lb/> iſt das Repreſſivſyſtem materiell im peinlichen Recht enthalten, allein<lb/> alsdann iſt dieſe Frage ſo wie die nach dem Schwurgericht keine Frage<lb/> der Preßfreiheit für ſich, ſondern eine Frage des Strafrechts der Ge-<lb/> dankenäußerung überhaupt; die Preſſe hat hier <hi rendition="#g">kein beſonderes<lb/> Recht für ſich zu fordern</hi>, ſondern ſteht auf <hi rendition="#g">gleicher</hi> Stufe mit<lb/> jeder andern Form der Aeußerung des Gedankens; es gibt kein Preß-<lb/> ſtrafrecht im freien Preßrecht. — Das vierte Princip iſt die Auffaſſung<lb/> des Preßrechts als eines <hi rendition="#g">Polizeirechts</hi> und der Preßgeſetze als ein-<lb/> facher <hi rendition="#g">Polizeigeſetze</hi>. Den Ausdruck dafür bildet der ſelbſtändige<lb/> Erlaß von Preßgeſetzen. — Das iſt im Großen und Ganzen das Syſtem<lb/> der drei großen deutſchen Staaten. Das der kleineren iſt das harte<lb/> franzöſiſche Repreſſivſyſtem. Dieſer Widerſpruch im deutſchen Rechtsleben<lb/><hi rendition="#g">kann nicht dauern</hi>. Der Uebergang zum freien und gleichen Preß-<lb/> recht — zum freien im Sinne des freien Syſtems, und zum gleichen<lb/> im Sinne einer für ganz Deutſchland <hi rendition="#g">vollkommen gleichen Preß-<lb/> polizeigeſetzgebung</hi> — iſt der nächſten Zeit vorbehalten.</p> </div><lb/> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [144/0160]
Strafe für den unliebſamen Geiſt eines Journals. — Das zweite
Princip iſt die Freiheit des Gedankens und die Strafbarkeit
des Ausdrucks — die Freiheit der geiſtigen Arbeit und die gericht-
liche Verantwortlichkeit der geiſtigen That. Sein erſter Ausdruck iſt
die gewerbliche Freiheit des Preßunternehmens des Buches wie der Zei-
tung, jedoch gegen polizeiliche Anzeige, mit Beſchlagnahme gegen Haftung
und gerichtlichem Verfahren. Sein zweiter Ausdruck iſt die Beſeitigung
des Syſtems der Verwarnungen und des polizeilichen Verbotes. Sein
dritter iſt die Beſeitigung des Urtheils gegen das Unternehmen und
Zurückführung auf die Perſon des verantwortlichen Redacteurs u. ſ. w.
— Das dritte Princip iſt die Ueberweiſung der durch die Preſſe be-
gangenen Verbrechen an die Gerichte. Und hier müſſen wir wieder-
holen, was wir ſchon einmal geſagt haben. Da wir im Syſtem der
Preßfreiheit überhaupt kein eigentliches Preßverbrechen anerkennen können,
indem ein Preßyerbrechen eben in dem Geiſt der Preſſe beſteht und
ſein Thatbeſtand nur durch Schlußfolgerungen und nicht durch einzelne
Ausdrücke gegeben wird, ſo iſt damit der formelle Uebergang vom
Repreſſiv- zum freien Syſtem dadurch gegeben, daß alle durch die
Preſſe (par la voie de la presse) begangenen Verbrechen in das Straf-
geſetzbuch aufgenommen werden. Nur kann — und das war ſogar
die beſtimmte Forderung des Bundesbeſchluſſes von 1854 — die Straf-
barkeit des Gedankens in der Form in die Strafgeſetzbücher aufgenom-
men werden, daß die „Form der Darſtellung geeignet iſt, jemanden
dem Haß und der Verachtung auszuſetzen.“ Wo dieß der Fall iſt, da
iſt das Repreſſivſyſtem materiell im peinlichen Recht enthalten, allein
alsdann iſt dieſe Frage ſo wie die nach dem Schwurgericht keine Frage
der Preßfreiheit für ſich, ſondern eine Frage des Strafrechts der Ge-
dankenäußerung überhaupt; die Preſſe hat hier kein beſonderes
Recht für ſich zu fordern, ſondern ſteht auf gleicher Stufe mit
jeder andern Form der Aeußerung des Gedankens; es gibt kein Preß-
ſtrafrecht im freien Preßrecht. — Das vierte Princip iſt die Auffaſſung
des Preßrechts als eines Polizeirechts und der Preßgeſetze als ein-
facher Polizeigeſetze. Den Ausdruck dafür bildet der ſelbſtändige
Erlaß von Preßgeſetzen. — Das iſt im Großen und Ganzen das Syſtem
der drei großen deutſchen Staaten. Das der kleineren iſt das harte
franzöſiſche Repreſſivſyſtem. Dieſer Widerſpruch im deutſchen Rechtsleben
kann nicht dauern. Der Uebergang zum freien und gleichen Preß-
recht — zum freien im Sinne des freien Syſtems, und zum gleichen
im Sinne einer für ganz Deutſchland vollkommen gleichen Preß-
polizeigeſetzgebung — iſt der nächſten Zeit vorbehalten.
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