Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.Holland und Belgien. Während in England, Frankreich und Deutschland drei Formen Was zunächst Holland betrifft, so stand es bis zum Sturze der Stein, die Verwaltungslehre. VI. 10
Holland und Belgien. Während in England, Frankreich und Deutſchland drei Formen Was zunächſt Holland betrifft, ſo ſtand es bis zum Sturze der Stein, die Verwaltungslehre. VI. 10
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Holland und Belgien.
Während in England, Frankreich und Deutſchland drei Formen
des Preßrechts auftreten, in denen die Preßpolizei noch immer mit dem
Preßſtrafrecht in Verbindung ſteht und daher der Begriff und Inhalt
des Preßrechts überhaupt unſicher wird, ſehen wir in Holland und
Belgien eine vierte Form auftreten. Der Charakter derſelben iſt ein
Preßrecht, welches nicht einmal eine formell anerkannte Preßpolizei
beſitzt, und welches alles Strafrecht auf die durch die Preſſe begangene
Verbrechen bezieht. Doch unterſcheiden ſich wieder beide, und beide
haben allerdings das miteinander gemein, daß ſie — man kann nicht
anders ſagen als aus Bedenken gegen jede denkbare Beſchränkung der
Preſſe — auch nicht einmal die allernothwendigſten Grundſätze des
Polizeirechts formulirt haben. In Holland und Belgien iſt der Gedanke
freier als der Denkende; denn es gibt weder Anzeige, noch Beſchlag-
nahme, und das ganze polizeiliche Recht iſt noch ſehr unentwickelt, wie
es überhaupt kein eigenes Preßgeſetz gibt.
Was zunächſt Holland betrifft, ſo ſtand es bis zum Sturze der
napoleoniſchen Herrſchaft unter dem Präventivſyſtem Frankreichs. Gleich
nach der Befreiung vom napoleoniſchen Joche begann Wilhelm I. ſeine
Regierung mit der Verordnung vom 14. Januar 1814 mit der Auf-
hebung der Cenſur „als gänzlich im Widerſtreit mit der freien Denk-
weiſe, worauf jeder ächte Niederländer den höchſten Werth legt, und die
von jeher die Regierung dieſes Land ausgezeichnet hat.“ Die völlige
Freiheit jeder Veröffentlichung wird ausdrücklich anerkannt, unter rein
gerichtlicher Verantwortlichkeit mit der genaueren Beſtimmung, daß, wenn
der Verfaſſer nicht bekannt iſt, der Drucker allein verantwortlich
wird (Art. 4). Ferner ſoll jedes Druckwerk (stuik), welches ohne
den Namen des Verfaſſers oder des Druckers ausgegeben wird, und
ohne Angabe von Zeit und Ort des Druckes, als ein „libel” angeſehen
und der Herausgeber und Verbreiter als Urheber von Schmähſchriften
(paskwilschrijver) verfolgt werden können.“ Von einem Kampf gegen
den Geiſt der Druckſachen iſt keine Rede; freilich auch nicht von Be-
ſchlagnahme. Das alte Grundgeſetz faßte — ſo viel wir ſehen das
einzige in ganz Europa — die Preſſe nicht als Gegenſtand der Polizei,
ſondern von dem hohen, allein richtigen Standpunkt eines Theils des
Bildungsweſen auf (Hauptſt. X. Van hed onderwijs), und ſprach
als leitenden Gedanken (in Art. 227 des Entwurfs von 1815 und
Art. 225 des Gerichtsgeſetzes von 1817) aus: „Es iſt jedem geſtattet,
ſeine Gedanken und Gefühle durch die Preſſe mitzutheilen als ein hoch-
wichtiges Mittel zur Ausbreitung von Kenntniſſen und zum Fort-
ſchritt der Aufklärung, ohne irgend einer Erlaubniß dazu zu
Stein, die Verwaltungslehre. VI. 10
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