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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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bedürfen; doch bleibt jeder für alles, was er schreibt, druckt, ausgibt
oder verbreitet, der Gesellschaft oder dem Einzelnen verantwortlich, sofern
die Rechte derselben beleidigt werden." Die weitere Ausführung dieses
Grundsatzes enthält das Gesetz vom 28. September 1816; der Bericht,
der die Vorlage einleitet, im Auszug bei de Bosch-Kemper (Nederl.
Staatsregt §. XXXI
). Die Hauptaufgabe dieses Gesetzes, das die völlige
Freiheit der Presse nach Innen gewährt, war der gesetzliche Schutz
auswärtiger Souveräne gegen die holländische Journalistik. Wie schön
und männlich lautet in jener Zeit, wo die Censur auf dem ganzen
Continent galt und selbst England die Fox Libel Bill anerkennt, der
Vortrag der holländischen Regierung: "So lange Besonnenheit und
Aufrichtigkeit die Grundlagen des nationalen Charakters ausmachen
sollen, kann die Entscheidung in einem Kampfe zwischen Wahrheit und
Irrthümer hier zu Lande niemals bedenklich sein, und wir werden deß-
halb keine Besprechung oder keinen Ausdruck der Anschauung (gevve-
lens
) über die innere Verwaltung durch irgend welche Vorschriften be-
schränken, als durch das bereits bestehende Recht." Doch wurden einige
strengere polizeiliche Maßregeln durch das Gesetz vom 6. März 1818
eingeführt "gegen Ruhestörungen durch die Presse;" das Gesetz vom
16. Mai 1824 hob dieß Gesetz wieder auf, machte jedoch, wesentlich
nach französischem Vorgange, die Aufregung zu "Haß und Verachtung"
(hoon en laster) gegen den König und das Gesetz vom 1. Juni 1830
auch gegen die höchsten Regierungscollegien strafbar, ohne daß die
Polizei der Presse strenger ward; dieselbe blieb nach wie vor unter dem
Gerichte. Aber auch diese Gesetzgebung ward nach der Julirevolution
beseitigt, und das alte Gesetz von 1815 wieder hergestellt. Als daher
das neue Grundgesetz von 1848 gegeben ward, war eine neue Gesetz-
gebung über das Preßrecht nicht nothwendig. Nun ist es bezeichnend,
daß die Preßfreiheit aus dem Hauptstück über das Bildungswesen weg-
genommen, und als Art. 8 in das erste Hauptstück (Von dem Reiche
und seinen Bewohnern) gesetzt ward. Der Art. 8 lautet: "Niemand
hat eine vorherige Erlaubniß nöthig, um durch die Presse seine Ge-
danken und Anschauungen zu veröffentlichen, vorbehaltlich jeder Ver-
antwortlichkeit nach dem Gesetze." Daß daneben die Bestimmungen
der Preßpolizei von 1815 fortbestehen, namentlich in Beziehung auf
Angabe von Drucker, Druckort und Verleger, ist klar; auch kann wohl
das Recht zur vorläufigen Beschlagnahme nicht bezweifelt werden. Aber
die holländische Literatur hat den Gedanken einer Polizei nicht ausge-
bildet; de Bosch-Kemper (Nederl. Staatsregt. §. XXXI) ist sich dar-
über durchaus unklar; ebenso Opzoomer (Staatsregtelik Onderzock
S. 121--137); doch ist über das Princip kein Zweifel.

bedürfen; doch bleibt jeder für alles, was er ſchreibt, druckt, ausgibt
oder verbreitet, der Geſellſchaft oder dem Einzelnen verantwortlich, ſofern
die Rechte derſelben beleidigt werden.“ Die weitere Ausführung dieſes
Grundſatzes enthält das Geſetz vom 28. September 1816; der Bericht,
der die Vorlage einleitet, im Auszug bei de Boſch-Kemper (Nederl.
Staatsregt §. XXXI
). Die Hauptaufgabe dieſes Geſetzes, das die völlige
Freiheit der Preſſe nach Innen gewährt, war der geſetzliche Schutz
auswärtiger Souveräne gegen die holländiſche Journaliſtik. Wie ſchön
und männlich lautet in jener Zeit, wo die Cenſur auf dem ganzen
Continent galt und ſelbſt England die Fox Libel Bill anerkennt, der
Vortrag der holländiſchen Regierung: „So lange Beſonnenheit und
Aufrichtigkeit die Grundlagen des nationalen Charakters ausmachen
ſollen, kann die Entſcheidung in einem Kampfe zwiſchen Wahrheit und
Irrthümer hier zu Lande niemals bedenklich ſein, und wir werden deß-
halb keine Beſprechung oder keinen Ausdruck der Anſchauung (gevve-
lens
) über die innere Verwaltung durch irgend welche Vorſchriften be-
ſchränken, als durch das bereits beſtehende Recht.“ Doch wurden einige
ſtrengere polizeiliche Maßregeln durch das Geſetz vom 6. März 1818
eingeführt „gegen Ruheſtörungen durch die Preſſe;“ das Geſetz vom
16. Mai 1824 hob dieß Geſetz wieder auf, machte jedoch, weſentlich
nach franzöſiſchem Vorgange, die Aufregung zu „Haß und Verachtung“
(hoon en laster) gegen den König und das Geſetz vom 1. Juni 1830
auch gegen die höchſten Regierungscollegien ſtrafbar, ohne daß die
Polizei der Preſſe ſtrenger ward; dieſelbe blieb nach wie vor unter dem
Gerichte. Aber auch dieſe Geſetzgebung ward nach der Julirevolution
beſeitigt, und das alte Geſetz von 1815 wieder hergeſtellt. Als daher
das neue Grundgeſetz von 1848 gegeben ward, war eine neue Geſetz-
gebung über das Preßrecht nicht nothwendig. Nun iſt es bezeichnend,
daß die Preßfreiheit aus dem Hauptſtück über das Bildungsweſen weg-
genommen, und als Art. 8 in das erſte Hauptſtück (Von dem Reiche
und ſeinen Bewohnern) geſetzt ward. Der Art. 8 lautet: „Niemand
hat eine vorherige Erlaubniß nöthig, um durch die Preſſe ſeine Ge-
danken und Anſchauungen zu veröffentlichen, vorbehaltlich jeder Ver-
antwortlichkeit nach dem Geſetze.“ Daß daneben die Beſtimmungen
der Preßpolizei von 1815 fortbeſtehen, namentlich in Beziehung auf
Angabe von Drucker, Druckort und Verleger, iſt klar; auch kann wohl
das Recht zur vorläufigen Beſchlagnahme nicht bezweifelt werden. Aber
die holländiſche Literatur hat den Gedanken einer Polizei nicht ausge-
bildet; de Boſch-Kemper (Nederl. Staatsregt. §. XXXI) iſt ſich dar-
über durchaus unklar; ebenſo Opzoomer (Staatsregtelik Onderzock
S. 121—137); doch iſt über das Princip kein Zweifel.

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[146/0162] bedürfen; doch bleibt jeder für alles, was er ſchreibt, druckt, ausgibt oder verbreitet, der Geſellſchaft oder dem Einzelnen verantwortlich, ſofern die Rechte derſelben beleidigt werden.“ Die weitere Ausführung dieſes Grundſatzes enthält das Geſetz vom 28. September 1816; der Bericht, der die Vorlage einleitet, im Auszug bei de Boſch-Kemper (Nederl. Staatsregt §. XXXI). Die Hauptaufgabe dieſes Geſetzes, das die völlige Freiheit der Preſſe nach Innen gewährt, war der geſetzliche Schutz auswärtiger Souveräne gegen die holländiſche Journaliſtik. Wie ſchön und männlich lautet in jener Zeit, wo die Cenſur auf dem ganzen Continent galt und ſelbſt England die Fox Libel Bill anerkennt, der Vortrag der holländiſchen Regierung: „So lange Beſonnenheit und Aufrichtigkeit die Grundlagen des nationalen Charakters ausmachen ſollen, kann die Entſcheidung in einem Kampfe zwiſchen Wahrheit und Irrthümer hier zu Lande niemals bedenklich ſein, und wir werden deß- halb keine Beſprechung oder keinen Ausdruck der Anſchauung (gevve- lens) über die innere Verwaltung durch irgend welche Vorſchriften be- ſchränken, als durch das bereits beſtehende Recht.“ Doch wurden einige ſtrengere polizeiliche Maßregeln durch das Geſetz vom 6. März 1818 eingeführt „gegen Ruheſtörungen durch die Preſſe;“ das Geſetz vom 16. Mai 1824 hob dieß Geſetz wieder auf, machte jedoch, weſentlich nach franzöſiſchem Vorgange, die Aufregung zu „Haß und Verachtung“ (hoon en laster) gegen den König und das Geſetz vom 1. Juni 1830 auch gegen die höchſten Regierungscollegien ſtrafbar, ohne daß die Polizei der Preſſe ſtrenger ward; dieſelbe blieb nach wie vor unter dem Gerichte. Aber auch dieſe Geſetzgebung ward nach der Julirevolution beſeitigt, und das alte Geſetz von 1815 wieder hergeſtellt. Als daher das neue Grundgeſetz von 1848 gegeben ward, war eine neue Geſetz- gebung über das Preßrecht nicht nothwendig. Nun iſt es bezeichnend, daß die Preßfreiheit aus dem Hauptſtück über das Bildungsweſen weg- genommen, und als Art. 8 in das erſte Hauptſtück (Von dem Reiche und ſeinen Bewohnern) geſetzt ward. Der Art. 8 lautet: „Niemand hat eine vorherige Erlaubniß nöthig, um durch die Preſſe ſeine Ge- danken und Anſchauungen zu veröffentlichen, vorbehaltlich jeder Ver- antwortlichkeit nach dem Geſetze.“ Daß daneben die Beſtimmungen der Preßpolizei von 1815 fortbeſtehen, namentlich in Beziehung auf Angabe von Drucker, Druckort und Verleger, iſt klar; auch kann wohl das Recht zur vorläufigen Beſchlagnahme nicht bezweifelt werden. Aber die holländiſche Literatur hat den Gedanken einer Polizei nicht ausge- bildet; de Boſch-Kemper (Nederl. Staatsregt. §. XXXI) iſt ſich dar- über durchaus unklar; ebenſo Opzoomer (Staatsregtelik Onderzock S. 121—137); doch iſt über das Princip kein Zweifel.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/162>, abgerufen am 24.11.2024.