Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.Auf wesentlich gleicher Grundlage beruht das Preßrecht Belgiens. Auf weſentlich gleicher Grundlage beruht das Preßrecht Belgiens. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <pb facs="#f0163" n="147"/> <p>Auf weſentlich gleicher Grundlage beruht das Preßrecht <hi rendition="#g">Belgiens</hi>.<lb/> Belgien hat daſſelbe in ſeiner Conſtitution von 1830 gleich ſo feſt be-<lb/> gründet, daß dieſe Geſetzgebung durch keine ſpätere erſchüttert iſt. Cha-<lb/> rakter dieſes Rechts iſt völlige Preßfreiheit, aber auch Mangel einer<lb/> ſyſtematiſchen Preßpolizei. In Belgien iſt nicht bloß das Druck- und<lb/> Verlagsgewerbe vollſtändig frei, ſondern es hat auch die Anzeige, die<lb/> Ausgabe und die Gründung der Zeitungen <hi rendition="#g">gar keine</hi> polizeiliche<lb/> Vorausſetzung (Conſtitution Art. 18. 14. 198), ja es iſt ſogar durch<lb/> Decret vom 19. Juli 1831 jeder Stempel auf Zeitungen beſeitigt, und<lb/> durch Geſetz vom 3. Mai 1839 die Poſtverſendung aufs Aeußerſte<lb/> erleichtert. Daneben ſteht der Grundſatz feſt, daß der <hi rendition="#g">Beweis der<lb/> Wahrheit</hi> bei Angriffen auf die Regierung hier — wir glauben<lb/><hi rendition="#g">allein</hi> in Europa — zugelaſſen iſt, ſo daß dieſer Beweis den Schrift-<lb/> ſteller von jeder Strafe frei macht (Decret vom 20. Juli 1831). Ja<lb/> eine falſche Behauptung iſt nach <hi rendition="#g">Brix</hi> (<hi rendition="#aq">La Constitution belge et les<lb/> lois organiques.</hi> 1865. S. 40. 41.) ſtraflos, wenn ſie unwiſſentlich<lb/> aufgeſtellt wurde. Alle durch die Preſſe begangenen Vergehen werden<lb/> durch die Jury abgeurtheilt (Decret vom 20. Juli 1831). Ueber den<lb/> Grundbegriff deſſen nun, was als <hi rendition="#aq">délit de presse</hi> angeſehen werden<lb/> ſoll, ſpricht ſich ein Urtheil der <hi rendition="#aq">Cour de Cassation</hi> vom 28. März<lb/> 1839 in einer Weiſe aus, die wir hier um ſo mehr anführen, als<lb/> daſſelbe den weſentlichen Unterſchied zwiſchen Geiſt und Wort, der dem<lb/> ganzen Unterſchied des Repreſſivſyſtems und des Syſtems des freien<lb/> Preßrechts zum Grunde liegt, in einer ſo klaren Form bezeichnet, daß<lb/> wir es als den beſten Beweis für die Aufrechthaltung dieſer Unter-<lb/> ſcheidung hier anführen dürfen. <hi rendition="#aq">„Pour qu’il y ait délit de presse,“</hi><lb/> ſagt der Gerichtshof, <hi rendition="#aq">„il faut qu’il y ait expression <hi rendition="#g">directe</hi> de la<lb/> pensée, ou la manifestation d’une <hi rendition="#g">opinion</hi>, et que de plus il y<lb/> ait écrit. Cependant le jury connaît de la calomnie commise par des<lb/> imprimés contre un fonctionnaire, bien que ce ne soit pas là un<lb/> délit d<hi rendition="#g">’opinion ou de tendance</hi> et qu’il ne puisse pas revêtir<lb/> un caractère politique.“</hi> (<hi rendition="#g">Brix</hi> a. a. O. S. 42.) Das Decret vom<lb/> 20. Juli 1831 iſt das Grundgeſetz für das Preßrecht überhaupt. Dar-<lb/> nach ſind Drucker, Redner, Anſchläger Theilnehmer des Verbrechens.<lb/> Die Strafen haben zur Vorausſetzung den „Angriff auf die <hi rendition="#g">verbind-<lb/> liche Kraft</hi> der Geſetze und Aufforderung, Ungehorſam, Verläumdung<lb/> der Perſon des Königs, Injurien; der Beweis der Wahrheit iſt <hi rendition="#g">zuge-<lb/> laſſen</hi>; die Verfolgung tritt nur auf Klage der beleidigten Partei ein,<lb/> mit einziger Ausnahme der Majeſtätsbeleidigungen. Die Jury ent-<lb/> ſcheidet; iſt der Verfaſſer nicht bekannt, ſo haftet der Drucker perſönlich;<lb/> Recht des Einrückens einer Antwort in ein Journal bei perſönlichen<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [147/0163]
Auf weſentlich gleicher Grundlage beruht das Preßrecht Belgiens.
Belgien hat daſſelbe in ſeiner Conſtitution von 1830 gleich ſo feſt be-
gründet, daß dieſe Geſetzgebung durch keine ſpätere erſchüttert iſt. Cha-
rakter dieſes Rechts iſt völlige Preßfreiheit, aber auch Mangel einer
ſyſtematiſchen Preßpolizei. In Belgien iſt nicht bloß das Druck- und
Verlagsgewerbe vollſtändig frei, ſondern es hat auch die Anzeige, die
Ausgabe und die Gründung der Zeitungen gar keine polizeiliche
Vorausſetzung (Conſtitution Art. 18. 14. 198), ja es iſt ſogar durch
Decret vom 19. Juli 1831 jeder Stempel auf Zeitungen beſeitigt, und
durch Geſetz vom 3. Mai 1839 die Poſtverſendung aufs Aeußerſte
erleichtert. Daneben ſteht der Grundſatz feſt, daß der Beweis der
Wahrheit bei Angriffen auf die Regierung hier — wir glauben
allein in Europa — zugelaſſen iſt, ſo daß dieſer Beweis den Schrift-
ſteller von jeder Strafe frei macht (Decret vom 20. Juli 1831). Ja
eine falſche Behauptung iſt nach Brix (La Constitution belge et les
lois organiques. 1865. S. 40. 41.) ſtraflos, wenn ſie unwiſſentlich
aufgeſtellt wurde. Alle durch die Preſſe begangenen Vergehen werden
durch die Jury abgeurtheilt (Decret vom 20. Juli 1831). Ueber den
Grundbegriff deſſen nun, was als délit de presse angeſehen werden
ſoll, ſpricht ſich ein Urtheil der Cour de Cassation vom 28. März
1839 in einer Weiſe aus, die wir hier um ſo mehr anführen, als
daſſelbe den weſentlichen Unterſchied zwiſchen Geiſt und Wort, der dem
ganzen Unterſchied des Repreſſivſyſtems und des Syſtems des freien
Preßrechts zum Grunde liegt, in einer ſo klaren Form bezeichnet, daß
wir es als den beſten Beweis für die Aufrechthaltung dieſer Unter-
ſcheidung hier anführen dürfen. „Pour qu’il y ait délit de presse,“
ſagt der Gerichtshof, „il faut qu’il y ait expression directe de la
pensée, ou la manifestation d’une opinion, et que de plus il y
ait écrit. Cependant le jury connaît de la calomnie commise par des
imprimés contre un fonctionnaire, bien que ce ne soit pas là un
délit d’opinion ou de tendance et qu’il ne puisse pas revêtir
un caractère politique.“ (Brix a. a. O. S. 42.) Das Decret vom
20. Juli 1831 iſt das Grundgeſetz für das Preßrecht überhaupt. Dar-
nach ſind Drucker, Redner, Anſchläger Theilnehmer des Verbrechens.
Die Strafen haben zur Vorausſetzung den „Angriff auf die verbind-
liche Kraft der Geſetze und Aufforderung, Ungehorſam, Verläumdung
der Perſon des Königs, Injurien; der Beweis der Wahrheit iſt zuge-
laſſen; die Verfolgung tritt nur auf Klage der beleidigten Partei ein,
mit einziger Ausnahme der Majeſtätsbeleidigungen. Die Jury ent-
ſcheidet; iſt der Verfaſſer nicht bekannt, ſo haftet der Drucker perſönlich;
Recht des Einrückens einer Antwort in ein Journal bei perſönlichen
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