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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Das Bildungswesen.

(Die Verwaltung und das geistige Leben.)


Dritter Theil.
Das allgemeine Bildungswesen.
I. Begriff desselben.

Die allgemeine Bildung umfaßt in ihrem Begriffe die Gesammt-
heit derjenigen geistigen Güter, welche nicht mehr für einen bestimmten
Erwerb und Beruf dienen sollen.

Während daher das geistige, für Beruf und Erwerb bestimmte
Leben stets den Charakter eines wenn auch geistig hochstehenden und
großen, so doch beschränkten Ganzen enthält, ist jene allgemeine Bil-
dung der Faktor, welcher der geistigen Welt das Element des unend-
lichen Fortschrittes wiedergibt und erhält. Sie ist ihrem Principe nach
die Anerkennung, ja die Forderung der geistigen Freiheit, ihrer Wirk-
lichkeit nach die Verwirklichung derselben. Während daher die Elementar-
und Berufsbildung auch bei einem stillstehenden, ja in seiner Entwicklung
zurückgehenden Volke nicht bloß eine hohe und selbst in allem Einzelnen
fortschreitende sein kann, ist die allgemeine Bildung das endgültige Kri-
terium der wahrhaft historischen, die Weltgeschichte bewegenden Völker.

Die Macht dieser Wahrheit ist so groß, daß sie sich auch in allen
übrigen Gebieten des Bildungswesens Bahn bricht. Die allgemeine Bil-
dung kann ihrem höhern Wesen nach zwar von den beiden andern
Stufen unterschieden, aber nicht von ihnen abgeschlossen werden. Denn
am Ende ist alles geistige Leben Ein Ganzes. Wohl aber kann ein
Volk und eine Zeit sie in sehr verschiedenem Grade mit der speciellen
Bildung verbinden. Und daher muß man sagen, daß der Charakter
und das Maß der freiheitlichen, unendlichen und damit welthistorischen
Entwicklungsfähigkeit eines Volkes an dem Grade gemessen werden kann,

Stein, die Verwaltungslehre. VI. 1
Das Bildungsweſen.

(Die Verwaltung und das geiſtige Leben.)


Dritter Theil.
Das allgemeine Bildungsweſen.
I. Begriff deſſelben.

Die allgemeine Bildung umfaßt in ihrem Begriffe die Geſammt-
heit derjenigen geiſtigen Güter, welche nicht mehr für einen beſtimmten
Erwerb und Beruf dienen ſollen.

Während daher das geiſtige, für Beruf und Erwerb beſtimmte
Leben ſtets den Charakter eines wenn auch geiſtig hochſtehenden und
großen, ſo doch beſchränkten Ganzen enthält, iſt jene allgemeine Bil-
dung der Faktor, welcher der geiſtigen Welt das Element des unend-
lichen Fortſchrittes wiedergibt und erhält. Sie iſt ihrem Principe nach
die Anerkennung, ja die Forderung der geiſtigen Freiheit, ihrer Wirk-
lichkeit nach die Verwirklichung derſelben. Während daher die Elementar-
und Berufsbildung auch bei einem ſtillſtehenden, ja in ſeiner Entwicklung
zurückgehenden Volke nicht bloß eine hohe und ſelbſt in allem Einzelnen
fortſchreitende ſein kann, iſt die allgemeine Bildung das endgültige Kri-
terium der wahrhaft hiſtoriſchen, die Weltgeſchichte bewegenden Völker.

Die Macht dieſer Wahrheit iſt ſo groß, daß ſie ſich auch in allen
übrigen Gebieten des Bildungsweſens Bahn bricht. Die allgemeine Bil-
dung kann ihrem höhern Weſen nach zwar von den beiden andern
Stufen unterſchieden, aber nicht von ihnen abgeſchloſſen werden. Denn
am Ende iſt alles geiſtige Leben Ein Ganzes. Wohl aber kann ein
Volk und eine Zeit ſie in ſehr verſchiedenem Grade mit der ſpeciellen
Bildung verbinden. Und daher muß man ſagen, daß der Charakter
und das Maß der freiheitlichen, unendlichen und damit welthiſtoriſchen
Entwicklungsfähigkeit eines Volkes an dem Grade gemeſſen werden kann,

Stein, die Verwaltungslehre. VI. 1
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[[1]/0017] Das Bildungsweſen. (Die Verwaltung und das geiſtige Leben.) Dritter Theil. Das allgemeine Bildungsweſen. I. Begriff deſſelben. Die allgemeine Bildung umfaßt in ihrem Begriffe die Geſammt- heit derjenigen geiſtigen Güter, welche nicht mehr für einen beſtimmten Erwerb und Beruf dienen ſollen. Während daher das geiſtige, für Beruf und Erwerb beſtimmte Leben ſtets den Charakter eines wenn auch geiſtig hochſtehenden und großen, ſo doch beſchränkten Ganzen enthält, iſt jene allgemeine Bil- dung der Faktor, welcher der geiſtigen Welt das Element des unend- lichen Fortſchrittes wiedergibt und erhält. Sie iſt ihrem Principe nach die Anerkennung, ja die Forderung der geiſtigen Freiheit, ihrer Wirk- lichkeit nach die Verwirklichung derſelben. Während daher die Elementar- und Berufsbildung auch bei einem ſtillſtehenden, ja in ſeiner Entwicklung zurückgehenden Volke nicht bloß eine hohe und ſelbſt in allem Einzelnen fortſchreitende ſein kann, iſt die allgemeine Bildung das endgültige Kri- terium der wahrhaft hiſtoriſchen, die Weltgeſchichte bewegenden Völker. Die Macht dieſer Wahrheit iſt ſo groß, daß ſie ſich auch in allen übrigen Gebieten des Bildungsweſens Bahn bricht. Die allgemeine Bil- dung kann ihrem höhern Weſen nach zwar von den beiden andern Stufen unterſchieden, aber nicht von ihnen abgeſchloſſen werden. Denn am Ende iſt alles geiſtige Leben Ein Ganzes. Wohl aber kann ein Volk und eine Zeit ſie in ſehr verſchiedenem Grade mit der ſpeciellen Bildung verbinden. Und daher muß man ſagen, daß der Charakter und das Maß der freiheitlichen, unendlichen und damit welthiſtoriſchen Entwicklungsfähigkeit eines Volkes an dem Grade gemeſſen werden kann, Stein, die Verwaltungslehre. VI. 1

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/17>, abgerufen am 21.11.2024.