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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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den Stolz der Specialbildung und des Berufs; aber im Ganzen behält
sie Recht. Sie ist, indem sich jedem einzelnen Menschengeiste ein neues
Werden eröffnet, das Element des Werdens für die Gesammtheit. Sie
ist der Keim der ewigen Jugend im Leben des Geistes; sie ist aber
auch nur zu oft der einseitige Feind des Guten und Unzerstörbaren,
das das Bestehende enthält. In ihr ist der geistige Ausdruck des tiefen
Gegensatzes zwischen dem Alten und dem Neuen, des tiefen Mißver-
ständnisses über das wahre Wesen des Besondern und des Allgemeinen,
der Feindschaft zwischen der Verschiedenheit und der Gleichheit. Und
das sind die Elemente, auf denen die gesellschaftliche Stellung der all-
gemeinen Bildung beruht.

Denn es folgt daraus, daß die allgemeine Bildung das naturge-
mäße Gebiet derjenigen Klassen der Gesellschaft ist, welche wir als die
niedere bezeichnen. Die Hebung der niedern Klassen im Sinne der
Gesellschaftslehre bedeutet in der That zweierlei. Einmal ist sie die
Verbesserung der wirthschaftlichen und geistigen Lage derselben inner-
halb
ihrer gesellschaftlichen Stellung; dann aber ist sie dasjenige Ele-
ment, durch welches sie sich den höhern Klassen gleichstellt. Diese
Gleichstellung aber bedeutet zwar zunächst stets eben nur die Gleichheit
in dem Erwerb der geistigen Güter; dann aber bedeutet sie eben so sehr
die Folgerungen und Forderungen, welche an diese wesentliche Gleich-
heit der geistigen Bildung anschließen. Und da nun ewig die geistige
Welt doch zuletzt das gestaltende und ordnende Element für die wirth-
schaftliche ist und sein muß, so ergibt sich, daß die Consequenzen dieser
Entwicklung stets und unvermeidlich bei der großen Frage der Organi-
sation des wirthschaftlichen Lebens anlangen. So wie das aber ge-
schieht, tritt nun ein neues Element in die Geschichte der allgemeinen
Bildung hinein, das nicht weniger mächtig als die letztere selbst, die
Weltgeschichte durchdringt, und in ewigem Kampfe mit jener und ihren
gewaltigen Folgen ist. Das ist das Interesse.

So wie nämlich das Interesse der herrschenden Klasse in der all-
gemeinen Bildung nicht eben bloß das fördernde und geistige Element,
sondern die in ihr liegende Gefährdung ihres Besitzes und ihrer In-
teressen erkennt, so wird sie derselben feindlich. Und da nun nach den
Gesetzen, nach welchen die Staatsverfassungen sich bilden, die gesell-
schaftlich herrschende Klasse zugleich die Macht der Gesetzgebung und Ver-
waltung besitzt und festhält, so folgt, daß sofort eine Bewegung ent-
steht, vermöge deren im Interesse der herrschenden Klasse die Entwick-
lung der allgemeinen Bildung selbst bekämpft wird. Dieser Kampf
ist ein furchtbarer, denn er wird auf geistigem Gebiete geführt, und
die Einzelnen, die ihm zum Opfer fallen, fallen einer Idee, die einer

den Stolz der Specialbildung und des Berufs; aber im Ganzen behält
ſie Recht. Sie iſt, indem ſich jedem einzelnen Menſchengeiſte ein neues
Werden eröffnet, das Element des Werdens für die Geſammtheit. Sie
iſt der Keim der ewigen Jugend im Leben des Geiſtes; ſie iſt aber
auch nur zu oft der einſeitige Feind des Guten und Unzerſtörbaren,
das das Beſtehende enthält. In ihr iſt der geiſtige Ausdruck des tiefen
Gegenſatzes zwiſchen dem Alten und dem Neuen, des tiefen Mißver-
ſtändniſſes über das wahre Weſen des Beſondern und des Allgemeinen,
der Feindſchaft zwiſchen der Verſchiedenheit und der Gleichheit. Und
das ſind die Elemente, auf denen die geſellſchaftliche Stellung der all-
gemeinen Bildung beruht.

Denn es folgt daraus, daß die allgemeine Bildung das naturge-
mäße Gebiet derjenigen Klaſſen der Geſellſchaft iſt, welche wir als die
niedere bezeichnen. Die Hebung der niedern Klaſſen im Sinne der
Geſellſchaftslehre bedeutet in der That zweierlei. Einmal iſt ſie die
Verbeſſerung der wirthſchaftlichen und geiſtigen Lage derſelben inner-
halb
ihrer geſellſchaftlichen Stellung; dann aber iſt ſie dasjenige Ele-
ment, durch welches ſie ſich den höhern Klaſſen gleichſtellt. Dieſe
Gleichſtellung aber bedeutet zwar zunächſt ſtets eben nur die Gleichheit
in dem Erwerb der geiſtigen Güter; dann aber bedeutet ſie eben ſo ſehr
die Folgerungen und Forderungen, welche an dieſe weſentliche Gleich-
heit der geiſtigen Bildung anſchließen. Und da nun ewig die geiſtige
Welt doch zuletzt das geſtaltende und ordnende Element für die wirth-
ſchaftliche iſt und ſein muß, ſo ergibt ſich, daß die Conſequenzen dieſer
Entwicklung ſtets und unvermeidlich bei der großen Frage der Organi-
ſation des wirthſchaftlichen Lebens anlangen. So wie das aber ge-
ſchieht, tritt nun ein neues Element in die Geſchichte der allgemeinen
Bildung hinein, das nicht weniger mächtig als die letztere ſelbſt, die
Weltgeſchichte durchdringt, und in ewigem Kampfe mit jener und ihren
gewaltigen Folgen iſt. Das iſt das Intereſſe.

So wie nämlich das Intereſſe der herrſchenden Klaſſe in der all-
gemeinen Bildung nicht eben bloß das fördernde und geiſtige Element,
ſondern die in ihr liegende Gefährdung ihres Beſitzes und ihrer In-
tereſſen erkennt, ſo wird ſie derſelben feindlich. Und da nun nach den
Geſetzen, nach welchen die Staatsverfaſſungen ſich bilden, die geſell-
ſchaftlich herrſchende Klaſſe zugleich die Macht der Geſetzgebung und Ver-
waltung beſitzt und feſthält, ſo folgt, daß ſofort eine Bewegung ent-
ſteht, vermöge deren im Intereſſe der herrſchenden Klaſſe die Entwick-
lung der allgemeinen Bildung ſelbſt bekämpft wird. Dieſer Kampf
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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/22>, abgerufen am 09.11.2024.