Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.Sache gelegen, hat sich bis auf die Gegenwart erhalten, indem ein Offenbar gibt es gar keinen Grund, der die in der Carolina Sache gelegen, hat ſich bis auf die Gegenwart erhalten, indem ein Offenbar gibt es gar keinen Grund, der die in der Carolina <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0035" n="19"/> Sache gelegen, hat ſich bis auf die Gegenwart erhalten, indem ein<lb/> zweites, weſentliches Moment hinzutrat.</p><lb/> <p>Offenbar gibt es <hi rendition="#g">gar</hi> keinen Grund, der die in der <hi rendition="#aq">Carolina</hi><lb/> aufgeſtellten Fälle der Unzucht als ſtraflos erſcheinen laſſen könne.<lb/> Allein ſo wie die wirthſchaftlichen Verhältniſſe die Gründung der Ehen<lb/> ſchwer machen, erſcheint es eben ſo ſchwer vermeidlich, die öffentlichen<lb/> Mädchen gänzlich zu beſeitigen. Das nun iſt namentlich in den<lb/> Städten der Fall, in denen ſogar die Zunftverhältniſſe und das ſtrenge<lb/> Recht der Niederlaſſung die Ehen verhindern. Hier beginnt daher jetzt<lb/> ein eigenthümlicher Kampf der Polizei mit der Unzucht, wie er ſchon<lb/> in Rom vorhanden war, und hier bildet ſich daher auch das Recht der<lb/> Sittenpolizei. Der Inhalt deſſelben beruht auf dem kirchlichen Grund-<lb/> ſatz, daß niemand öffentliches Aergerniß geben ſoll, und auf dem poli-<lb/> zeilichen, der Oberaufſicht über die feilen Mädchen. <hi rendition="#g">Formell</hi> beſteht<lb/> das Verbot der letztern fort; es wird formell auch in den Strafrechts-<lb/> lehren fortgeführt; in Wirklichkeit aber gilt der Grundſatz der römiſchen<lb/> Dirnenpolizei mit Conceſſion des Aedilis, Steuer und Unterſuchung,<lb/> und dieſer Grundſatz bleibt ſelbſt in der Epoche der neuen Strafgeſetz-<lb/> gebung beſtehen. Dieſe Strafgeſetzgebung hat, unter Beibehaltung des<lb/> Strafrechts für alle andern Fälle, dieß öffentliche Dirnenweſen aus der<lb/> Strafgeſetzgebung <hi rendition="#g">weggelaſſen</hi>, und zwar nach Muſter der franzöſiſchen<lb/> Geſetzgebung, die eine Aufgabe der Ortspolizei daraus machte. Dieſer<lb/> Standpunkt iſt nun der allgemein geltende und allein durchführbare.<lb/> Derſelbe bildet daher jetzt das eigentliche Gebiet der Unzucht<hi rendition="#g">spolizei</hi><lb/> im ſtrengen Gegenſatz zum Unzucht<hi rendition="#g">srecht</hi>, das nach wie vor im Straf-<lb/> recht ſeinen Platz ſich erhielt. Dieſe Polizei hat ſogar ihr eigenthüm-<lb/> liches Syſtem von Fragen entwickelt, die allerdings mehr geeignet ſind<lb/> zu einer praktiſchen als zu einer theoretiſch-ſyſtematiſchen Erledigung.<lb/> Das erſte Gebiet dieſer Fragen gehört der Geſundheitspolizei und der<lb/> Gefahr der Anſteckung an, und iſt unter Syphilis bereits im Geſund-<lb/> heitsweſen dargelegt. Das zweite bewegt ſich in etwas unentſchiedener<lb/> und unbeſtimmter Weiſe auf dem Felde des öffentlichen Aergerniſſes,<lb/> und enthält namentlich die Frage nach der Zweckmäßigkeit der <hi rendition="#g">Bor-<lb/> delle</hi>. Die Gründe <hi rendition="#g">für</hi> die polizeiliche Zuläſſigkeit beſtehen in der<lb/> Möglichkeit der ſanitären und ſonſtigen Ueberwachung; die Gründe<lb/><hi rendition="#g">dagegen</hi> theils in der Abwehr des Aergerniſſes, aber wohl weſent-<lb/> lich in der wichtigen Wahrheit, daß nicht die Bordelle ſelbſt das eigent-<lb/> lich bedenkliche Moment ſind, ſondern vielmehr die durch dieſelbe unver-<lb/> meidlich werdende und doch uncontrolirbare Entwicklung einer ſyſte-<lb/> matiſch organiſirten <hi rendition="#g">Kuppelei</hi> mit ihren Verführungen zum Eintritt<lb/> in die öffentlichen Häuſer. Aus dieſem Grunde kämpfen die intelligenten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0035]
Sache gelegen, hat ſich bis auf die Gegenwart erhalten, indem ein
zweites, weſentliches Moment hinzutrat.
Offenbar gibt es gar keinen Grund, der die in der Carolina
aufgeſtellten Fälle der Unzucht als ſtraflos erſcheinen laſſen könne.
Allein ſo wie die wirthſchaftlichen Verhältniſſe die Gründung der Ehen
ſchwer machen, erſcheint es eben ſo ſchwer vermeidlich, die öffentlichen
Mädchen gänzlich zu beſeitigen. Das nun iſt namentlich in den
Städten der Fall, in denen ſogar die Zunftverhältniſſe und das ſtrenge
Recht der Niederlaſſung die Ehen verhindern. Hier beginnt daher jetzt
ein eigenthümlicher Kampf der Polizei mit der Unzucht, wie er ſchon
in Rom vorhanden war, und hier bildet ſich daher auch das Recht der
Sittenpolizei. Der Inhalt deſſelben beruht auf dem kirchlichen Grund-
ſatz, daß niemand öffentliches Aergerniß geben ſoll, und auf dem poli-
zeilichen, der Oberaufſicht über die feilen Mädchen. Formell beſteht
das Verbot der letztern fort; es wird formell auch in den Strafrechts-
lehren fortgeführt; in Wirklichkeit aber gilt der Grundſatz der römiſchen
Dirnenpolizei mit Conceſſion des Aedilis, Steuer und Unterſuchung,
und dieſer Grundſatz bleibt ſelbſt in der Epoche der neuen Strafgeſetz-
gebung beſtehen. Dieſe Strafgeſetzgebung hat, unter Beibehaltung des
Strafrechts für alle andern Fälle, dieß öffentliche Dirnenweſen aus der
Strafgeſetzgebung weggelaſſen, und zwar nach Muſter der franzöſiſchen
Geſetzgebung, die eine Aufgabe der Ortspolizei daraus machte. Dieſer
Standpunkt iſt nun der allgemein geltende und allein durchführbare.
Derſelbe bildet daher jetzt das eigentliche Gebiet der Unzuchtspolizei
im ſtrengen Gegenſatz zum Unzuchtsrecht, das nach wie vor im Straf-
recht ſeinen Platz ſich erhielt. Dieſe Polizei hat ſogar ihr eigenthüm-
liches Syſtem von Fragen entwickelt, die allerdings mehr geeignet ſind
zu einer praktiſchen als zu einer theoretiſch-ſyſtematiſchen Erledigung.
Das erſte Gebiet dieſer Fragen gehört der Geſundheitspolizei und der
Gefahr der Anſteckung an, und iſt unter Syphilis bereits im Geſund-
heitsweſen dargelegt. Das zweite bewegt ſich in etwas unentſchiedener
und unbeſtimmter Weiſe auf dem Felde des öffentlichen Aergerniſſes,
und enthält namentlich die Frage nach der Zweckmäßigkeit der Bor-
delle. Die Gründe für die polizeiliche Zuläſſigkeit beſtehen in der
Möglichkeit der ſanitären und ſonſtigen Ueberwachung; die Gründe
dagegen theils in der Abwehr des Aergerniſſes, aber wohl weſent-
lich in der wichtigen Wahrheit, daß nicht die Bordelle ſelbſt das eigent-
lich bedenkliche Moment ſind, ſondern vielmehr die durch dieſelbe unver-
meidlich werdende und doch uncontrolirbare Entwicklung einer ſyſte-
matiſch organiſirten Kuppelei mit ihren Verführungen zum Eintritt
in die öffentlichen Häuſer. Aus dieſem Grunde kämpfen die intelligenten
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