Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.falsch ist, selbst da, wo dieser Geist als ein unzweifelhaft gefährlicher Daraus ergibt sich nun der concrete rechtliche Inhalt desjenigen, falſch iſt, ſelbſt da, wo dieſer Geiſt als ein unzweifelhaft gefährlicher Daraus ergibt ſich nun der concrete rechtliche Inhalt desjenigen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0094" n="78"/> falſch iſt, ſelbſt da, wo dieſer Geiſt als ein unzweifelhaft gefährlicher<lb/> erſcheint. Und zwar deßhalb, weil ſich derſelbe jeder direkten Maßregel<lb/> von Seiten der Verwaltung und der Polizei insbeſondere entzieht. Das<lb/> wieder beruht pſychologiſch darauf, daß die Leſer für die entfernteren<lb/> Schlußfolgerungen in dem Grade empfänglicher werden, in welchem<lb/> man die näherliegenden polizeilich verfolgt. Deßhalb ſteht die Regel<lb/> feſt, daß eine Verfolgung des Geiſtes einer beſtimmten Richtung in der<lb/> Preſſe im weiteſten Sinne ſtets den entgegengeſetzten Erfolg von dem<lb/> hat, was man beabſichtigt. Es iſt überflüſſig, dafür auf jahrhundert-<lb/> alte Erfahrungen hinzuweiſen. Es erſcheint ebenſo überflüſſig, das durch<lb/> die höhere Natur des Geiſtes überhaupt zu begründen. Wohl aber<lb/> muß ſich die Verwaltungslehre, indem ſie jenes allgemein geiſtige Ele-<lb/> ment der Preſſe als außerhalb jeder direkten Einwirkung der Verwal-<lb/> tung, und mithin außerhalb des Verwaltungsrechts liegend, anerkennt,<lb/> davon Rechenſchaft ablegen, daß die Preſſe ihrerſeits den Keim der<lb/> Heilung für die Uebel, die ſie anzurichten vermag, wieder in ſich ſelber<lb/> trägt. Es erſcheint auch hier unnöthig, genauer zu verfolgen, wie und<lb/> worin dieß der Fall iſt, theils direkt durch die beſſere Preſſe, theils<lb/> indirekt durch die Natur der Preſſe überhaupt. Denn auch der pſycho-<lb/> logiſche Satz iſt gewiß, daß die Vorſicht der Leſer in der Annahme<lb/> eines Urtheils oder einer geiſtigen Richtung in dem Grade ſteigt, in<lb/> welchem der Schriftſteller rückſichtsloſer auftritt. Das Element aber,<lb/> welches dieſe Vorſicht ſtark macht, iſt einerſeits das Intereſſe, andrerſeits<lb/> die Bildung. Sind in einem öffentlichen Zuſtande die erſteren gewahrt<lb/> und gefördert, und die zweite allgemein, ſo kann der Geiſt der Preſſe<lb/> wohl tiefe Irrthümer begehen, aber er kann keine Gefahren mehr be-<lb/> reiten. Und nur mit dieſen hat es die Verwaltung zu thun.</p><lb/> <p>Daraus ergibt ſich nun der concrete rechtliche Inhalt desjenigen,<lb/> was man die <hi rendition="#g">Freiheit der Preſſe</hi> zu nennen hat. Dieſelbe beſteht<lb/> demnach nicht in Abweſenheit eines Strafrechts der Preſſe; ſie iſt nicht<lb/> beſchränkt durch das Recht der polizeilichen Anzeige und eben ſo wenig<lb/> durch das der Beſchlagnahme; ſie iſt endlich nicht geſetzt in der Be-<lb/> freiung von den Maßregeln der höheren Sicherheitspolizei im Falle<lb/> äußerer Gefahr. Sie muß vielmehr davon ausgehen, daß ſie ſelbſt<lb/> genau demſelben Straf- und Polizeirecht unterworfen iſt, wie der<lb/> Staatsbürger, deſſen Gedanken ſie enthält oder anregt; es iſt ein Un-<lb/> ding, mehr Unbeſchränktheit für den Gedanken, der in das Volk tritt,<lb/> zu fordern, als für den Einzelnen, der ihn denkt. Sondern die <hi rendition="#g">Frei-<lb/> heit der Preſſe bedeutet und iſt das Aufgeben jeder direkten<lb/> und indirekten Maßregel</hi> gegen das, was wir den <hi rendition="#g">Geiſt der<lb/> Preſſe</hi> genannt haben. Und in der That hat die Frage nach der<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [78/0094]
falſch iſt, ſelbſt da, wo dieſer Geiſt als ein unzweifelhaft gefährlicher
erſcheint. Und zwar deßhalb, weil ſich derſelbe jeder direkten Maßregel
von Seiten der Verwaltung und der Polizei insbeſondere entzieht. Das
wieder beruht pſychologiſch darauf, daß die Leſer für die entfernteren
Schlußfolgerungen in dem Grade empfänglicher werden, in welchem
man die näherliegenden polizeilich verfolgt. Deßhalb ſteht die Regel
feſt, daß eine Verfolgung des Geiſtes einer beſtimmten Richtung in der
Preſſe im weiteſten Sinne ſtets den entgegengeſetzten Erfolg von dem
hat, was man beabſichtigt. Es iſt überflüſſig, dafür auf jahrhundert-
alte Erfahrungen hinzuweiſen. Es erſcheint ebenſo überflüſſig, das durch
die höhere Natur des Geiſtes überhaupt zu begründen. Wohl aber
muß ſich die Verwaltungslehre, indem ſie jenes allgemein geiſtige Ele-
ment der Preſſe als außerhalb jeder direkten Einwirkung der Verwal-
tung, und mithin außerhalb des Verwaltungsrechts liegend, anerkennt,
davon Rechenſchaft ablegen, daß die Preſſe ihrerſeits den Keim der
Heilung für die Uebel, die ſie anzurichten vermag, wieder in ſich ſelber
trägt. Es erſcheint auch hier unnöthig, genauer zu verfolgen, wie und
worin dieß der Fall iſt, theils direkt durch die beſſere Preſſe, theils
indirekt durch die Natur der Preſſe überhaupt. Denn auch der pſycho-
logiſche Satz iſt gewiß, daß die Vorſicht der Leſer in der Annahme
eines Urtheils oder einer geiſtigen Richtung in dem Grade ſteigt, in
welchem der Schriftſteller rückſichtsloſer auftritt. Das Element aber,
welches dieſe Vorſicht ſtark macht, iſt einerſeits das Intereſſe, andrerſeits
die Bildung. Sind in einem öffentlichen Zuſtande die erſteren gewahrt
und gefördert, und die zweite allgemein, ſo kann der Geiſt der Preſſe
wohl tiefe Irrthümer begehen, aber er kann keine Gefahren mehr be-
reiten. Und nur mit dieſen hat es die Verwaltung zu thun.
Daraus ergibt ſich nun der concrete rechtliche Inhalt desjenigen,
was man die Freiheit der Preſſe zu nennen hat. Dieſelbe beſteht
demnach nicht in Abweſenheit eines Strafrechts der Preſſe; ſie iſt nicht
beſchränkt durch das Recht der polizeilichen Anzeige und eben ſo wenig
durch das der Beſchlagnahme; ſie iſt endlich nicht geſetzt in der Be-
freiung von den Maßregeln der höheren Sicherheitspolizei im Falle
äußerer Gefahr. Sie muß vielmehr davon ausgehen, daß ſie ſelbſt
genau demſelben Straf- und Polizeirecht unterworfen iſt, wie der
Staatsbürger, deſſen Gedanken ſie enthält oder anregt; es iſt ein Un-
ding, mehr Unbeſchränktheit für den Gedanken, der in das Volk tritt,
zu fordern, als für den Einzelnen, der ihn denkt. Sondern die Frei-
heit der Preſſe bedeutet und iſt das Aufgeben jeder direkten
und indirekten Maßregel gegen das, was wir den Geiſt der
Preſſe genannt haben. Und in der That hat die Frage nach der
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