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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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copyhold besteht; die zweite enthält die Aufhebung des Lehnsystems
für die freeholds und tenements in capite, ändert aber wenig an den
Verhältnissen, die sich aus der ersten für den unfreien Grundbesitz ent-
wickeln; die dritte endlich ist die des 19. Jahrhunderts mit ihrer eigent-
lichen Entlastung sowohl der Zehnten als der copyholds.

Erste Epoche.
Von der Eroberung bis auf Karl II.

Man kann wohl mit gutem Recht sagen, daß Englands eigentliche
Geschichte erst mit der Schlacht von Hastings beginnt, welche derselben
den, von da an unverwischbaren Stempel der innern Gleichartigkeit
und der äußern Einheit aufdrückt.

Die Eroberung der Normannen trifft auf denselben Zustand der
ursprünglichen Geschlechterordnung, den wir allenthalben bei den ger-
manischen Völkern antreffen. Es scheiden sich im Wesentlichen zwei
Klassen, die der herrschenden Bauerngeschlechter, und die der persönlich
und wirthschaftlich Unfreien, dieselben, die wir als servi bei den Deutschen,
als traels bei den Skandinaven finden, und deren Ursprung wir hier
dahingestellt sein lassen. Diese Leibeigenen gehen in die folgende
Epoche über, und es ist kein Zweifel, daß alles das, was von den
späteren villanis oder villeins gesagt, grundsätzlich nur das alte ger-
manische Recht derselben ist, wie es auf dem ganzen Continent er-
scheint. Bractons Definition der villanis ist die ganz allgemeine des
ursprünglichen Leibeigenen "ille qui tenet in villenagio (s. unten) faciet
quidquid ei praeceptum fuerit, nec scire debet sive quid facere
debet in crastino, et semper tenebitur ad incerta (L. Angl. IV. 1. 28)"

oder, wie Blackstone es auf die folgende Zeit anwendet: a sort of
people in a condition of downright servitude used and employed in
the most servile works, and belonging both they, their children and
effects to the Lord of the soil (II.
6.). Sie waren daher früher wie
später ein rein sachliches Eigenthum und konnten, wie das Gut, das sie
besaßen verkauft und vererbt werden. "Long after 1225 they were con-
sidered as a saleable commodity"
(Eden, State of the poor I. 35.),
mit Beispielen noch aus dem 14. Jahrhundert (1339), so auch in der
Magna Charta c. 4. und 9. Henr. III. c. 4. Ein eignes Eigenthum
hatten sie nicht "quando cunque placuerit, (dominus) auferre peterit
a villano sive magnagium suum et omnia bona"
(Bracton I. 9). Und
wenn die Schilderungen, die noch Thomas Morus in seiner Utopia
1516) von dem Zustande eines großen Theiles der niederen Bevölkerung
gibt, auch auf England Anwendung finden (S. 18--30 der Glasgower

copyhold beſteht; die zweite enthält die Aufhebung des Lehnſyſtems
für die freeholds und tenements in capite, ändert aber wenig an den
Verhältniſſen, die ſich aus der erſten für den unfreien Grundbeſitz ent-
wickeln; die dritte endlich iſt die des 19. Jahrhunderts mit ihrer eigent-
lichen Entlaſtung ſowohl der Zehnten als der copyholds.

Erſte Epoche.
Von der Eroberung bis auf Karl II.

Man kann wohl mit gutem Recht ſagen, daß Englands eigentliche
Geſchichte erſt mit der Schlacht von Haſtings beginnt, welche derſelben
den, von da an unverwiſchbaren Stempel der innern Gleichartigkeit
und der äußern Einheit aufdrückt.

Die Eroberung der Normannen trifft auf denſelben Zuſtand der
urſprünglichen Geſchlechterordnung, den wir allenthalben bei den ger-
maniſchen Völkern antreffen. Es ſcheiden ſich im Weſentlichen zwei
Klaſſen, die der herrſchenden Bauerngeſchlechter, und die der perſönlich
und wirthſchaftlich Unfreien, dieſelben, die wir als servi bei den Deutſchen,
als traels bei den Skandinaven finden, und deren Urſprung wir hier
dahingeſtellt ſein laſſen. Dieſe Leibeigenen gehen in die folgende
Epoche über, und es iſt kein Zweifel, daß alles das, was von den
ſpäteren villanis oder villeins geſagt, grundſätzlich nur das alte ger-
maniſche Recht derſelben iſt, wie es auf dem ganzen Continent er-
ſcheint. Bractons Definition der villanis iſt die ganz allgemeine des
urſprünglichen Leibeigenen „ille qui tenet in villenagio (ſ. unten) faciet
quidquid ei praeceptum fuerit, nec scire debet sive quid facere
debet in crastino, et semper tenebitur ad incerta (L. Angl. IV. 1. 28)“

oder, wie Blackſtone es auf die folgende Zeit anwendet: a sort of
people in a condition of downright servitude used and employed in
the most servile works, and belonging both they, their children and
effects to the Lord of the soil (II.
6.). Sie waren daher früher wie
ſpäter ein rein ſachliches Eigenthum und konnten, wie das Gut, das ſie
beſaßen verkauft und vererbt werden. „Long after 1225 they were con-
sidered as a saleable commodity“
(Eden, State of the poor I. 35.),
mit Beiſpielen noch aus dem 14. Jahrhundert (1339), ſo auch in der
Magna Charta c. 4. und 9. Henr. III. c. 4. Ein eignes Eigenthum
hatten ſie nicht „quando cunque placuerit, (dominus) auferre peterit
a villano sive magnagium suum et omnia bona“
(Bracton I. 9). Und
wenn die Schilderungen, die noch Thomas Morus in ſeiner Utopia
1516) von dem Zuſtande eines großen Theiles der niederen Bevölkerung
gibt, auch auf England Anwendung finden (S. 18—30 der Glasgower

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[109/0127] copyhold beſteht; die zweite enthält die Aufhebung des Lehnſyſtems für die freeholds und tenements in capite, ändert aber wenig an den Verhältniſſen, die ſich aus der erſten für den unfreien Grundbeſitz ent- wickeln; die dritte endlich iſt die des 19. Jahrhunderts mit ihrer eigent- lichen Entlaſtung ſowohl der Zehnten als der copyholds. Erſte Epoche. Von der Eroberung bis auf Karl II. Man kann wohl mit gutem Recht ſagen, daß Englands eigentliche Geſchichte erſt mit der Schlacht von Haſtings beginnt, welche derſelben den, von da an unverwiſchbaren Stempel der innern Gleichartigkeit und der äußern Einheit aufdrückt. Die Eroberung der Normannen trifft auf denſelben Zuſtand der urſprünglichen Geſchlechterordnung, den wir allenthalben bei den ger- maniſchen Völkern antreffen. Es ſcheiden ſich im Weſentlichen zwei Klaſſen, die der herrſchenden Bauerngeſchlechter, und die der perſönlich und wirthſchaftlich Unfreien, dieſelben, die wir als servi bei den Deutſchen, als traels bei den Skandinaven finden, und deren Urſprung wir hier dahingeſtellt ſein laſſen. Dieſe Leibeigenen gehen in die folgende Epoche über, und es iſt kein Zweifel, daß alles das, was von den ſpäteren villanis oder villeins geſagt, grundſätzlich nur das alte ger- maniſche Recht derſelben iſt, wie es auf dem ganzen Continent er- ſcheint. Bractons Definition der villanis iſt die ganz allgemeine des urſprünglichen Leibeigenen „ille qui tenet in villenagio (ſ. unten) faciet quidquid ei praeceptum fuerit, nec scire debet sive quid facere debet in crastino, et semper tenebitur ad incerta (L. Angl. IV. 1. 28)“ oder, wie Blackſtone es auf die folgende Zeit anwendet: a sort of people in a condition of downright servitude used and employed in the most servile works, and belonging both they, their children and effects to the Lord of the soil (II. 6.). Sie waren daher früher wie ſpäter ein rein ſachliches Eigenthum und konnten, wie das Gut, das ſie beſaßen verkauft und vererbt werden. „Long after 1225 they were con- sidered as a saleable commodity“ (Eden, State of the poor I. 35.), mit Beiſpielen noch aus dem 14. Jahrhundert (1339), ſo auch in der Magna Charta c. 4. und 9. Henr. III. c. 4. Ein eignes Eigenthum hatten ſie nicht „quando cunque placuerit, (dominus) auferre peterit a villano sive magnagium suum et omnia bona“ (Bracton I. 9). Und wenn die Schilderungen, die noch Thomas Morus in ſeiner Utopia 1516) von dem Zuſtande eines großen Theiles der niederen Bevölkerung gibt, auch auf England Anwendung finden (S. 18—30 der Glasgower

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/127>, abgerufen am 21.11.2024.