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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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der seßhaften (regardants auf villein tenure sitzenden) in ziemlich gleichem
Schritte vor sich. Während aus den letzteren die copyholders werden,
werden aus den villeins en gros, den alten serfs oder thraels,
die labourers. Das sind die beiden Elemente der Entwicklung der
Freiheit in der Geschlechterordnung Englands; und es ist wohl schon
hier klar, daß diese ganze Geschichte Englands eine wesentlich verschiedene
von der des Continents ist, obwohl sie genau aus denselben Ele-
menten hervorgeht.

Allerdings muß man nun nicht glauben, daß alles dieses weder
in den von uns angegebenen einfachen Verhältnissen verläuft, noch auch
daß es plötzlich oder vollständig geschehen ist. Wir sehen vielmehr, daß
z. B. die Realrechte der Bannmühlen und selbst der Bannöfen der
Grundherren noch lange bestanden (Kenett, Parochial Antiquities
396; die Bäcker- und Müllerstatute der Gild of Berwik bei Eden
I. 21). Auch sind Klagen genug über die Härte der Herren gegen ihre
eigenen Leute; noch im 14. Jahrhundert kommen Verkäufe von Leib-
eigenen vor, und Hallam findet noch unter Eduard III. neben 94 copy-
holders
(hatten sie schon alle wirklich copys, oder nahm man den
copyhold nur an?) noch sechs Leibeigene (Sugenheim S. 299). Ja die
Herren verweigerten stets direkt die unbedingte gesetzliche Anerkennung
der Manumission der villeins, so daß Macaulay (History of Eng-
land I.
1.) noch sagen muß, daß "that the institute (of villenage)
even to this hour, not has been abolished by statute."
Doch das
war gleichgültig, da das common law sie beseitigt hatte (Sugenheim
S. 300). Die Unfreiheit war deßhalb nicht weniger gebrochen. Alle
villeins haben ein gleichartiges, wenn auch kein gleiches Recht; alle
labourers stehen unter dem Gesetze; das Gericht gehört nie und nir-
gends mehr dem Grundherrn, sondern dem Könige; der Grundherr
des Continents existirt in England überhaupt nicht, sondern
aus dem feudalen Lord ist ein Großgrundbesitzer geworden.
Das ist der materielle Schluß der ersten großen Epoche; den formalen
bringt nun dafür das wohlbekannte Stat. 12. Ch. II. 24 von 1672.
Dieses Statute, von welchem Blackstone sagt, es sei "a greater acqui-
sition to the civil property of this kingdom than even magna
charta itself" (II. 5.)
bestimmt nun folgende Grundsätze, die in Be-
ziehung auf das Obige leicht zu erklären sind. Erstlich, daß alle
Arten von tenures (s. unten), die vom Könige oder von einem an-
dern
gehalten werden, zu einem freien Eigenthum gemacht werden
sollen, daß sie also nach continentalem Begriffe aus einem Lehn zu
einem Allod erhoben werden. Das bezeichnet das Gesetz jetzt als Er-
hebung aller dieser tenures into free and common soccage; die

der ſeßhaften (regardants auf villein tenure ſitzenden) in ziemlich gleichem
Schritte vor ſich. Während aus den letzteren die copyholders werden,
werden aus den villeins en gros, den alten serfs oder thraels,
die labourers. Das ſind die beiden Elemente der Entwicklung der
Freiheit in der Geſchlechterordnung Englands; und es iſt wohl ſchon
hier klar, daß dieſe ganze Geſchichte Englands eine weſentlich verſchiedene
von der des Continents iſt, obwohl ſie genau aus denſelben Ele-
menten hervorgeht.

Allerdings muß man nun nicht glauben, daß alles dieſes weder
in den von uns angegebenen einfachen Verhältniſſen verläuft, noch auch
daß es plötzlich oder vollſtändig geſchehen iſt. Wir ſehen vielmehr, daß
z. B. die Realrechte der Bannmühlen und ſelbſt der Bannöfen der
Grundherren noch lange beſtanden (Kenett, Parochial Antiquities
396; die Bäcker- und Müllerſtatute der Gild of Berwik bei Eden
I. 21). Auch ſind Klagen genug über die Härte der Herren gegen ihre
eigenen Leute; noch im 14. Jahrhundert kommen Verkäufe von Leib-
eigenen vor, und Hallam findet noch unter Eduard III. neben 94 copy-
holders
(hatten ſie ſchon alle wirklich copys, oder nahm man den
copyhold nur an?) noch ſechs Leibeigene (Sugenheim S. 299). Ja die
Herren verweigerten ſtets direkt die unbedingte geſetzliche Anerkennung
der Manumiſſion der villeins, ſo daß Macaulay (History of Eng-
land I.
1.) noch ſagen muß, daß „that the institute (of villenage)
even to this hour, not has been abolished by statute.“
Doch das
war gleichgültig, da das common law ſie beſeitigt hatte (Sugenheim
S. 300). Die Unfreiheit war deßhalb nicht weniger gebrochen. Alle
villeins haben ein gleichartiges, wenn auch kein gleiches Recht; alle
labourers ſtehen unter dem Geſetze; das Gericht gehört nie und nir-
gends mehr dem Grundherrn, ſondern dem Könige; der Grundherr
des Continents exiſtirt in England überhaupt nicht, ſondern
aus dem feudalen Lord iſt ein Großgrundbeſitzer geworden.
Das iſt der materielle Schluß der erſten großen Epoche; den formalen
bringt nun dafür das wohlbekannte Stat. 12. Ch. II. 24 von 1672.
Dieſes Statute, von welchem Blackſtone ſagt, es ſei „a greater acqui-
sition to the civil property of this kingdom than even magna
charta itself“ (II. 5.)
beſtimmt nun folgende Grundſätze, die in Be-
ziehung auf das Obige leicht zu erklären ſind. Erſtlich, daß alle
Arten von tenures (ſ. unten), die vom Könige oder von einem an-
dern
gehalten werden, zu einem freien Eigenthum gemacht werden
ſollen, daß ſie alſo nach continentalem Begriffe aus einem Lehn zu
einem Allod erhoben werden. Das bezeichnet das Geſetz jetzt als Er-
hebung aller dieſer tenures into free and common soccage; die

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[123/0141] der ſeßhaften (regardants auf villein tenure ſitzenden) in ziemlich gleichem Schritte vor ſich. Während aus den letzteren die copyholders werden, werden aus den villeins en gros, den alten serfs oder thraels, die labourers. Das ſind die beiden Elemente der Entwicklung der Freiheit in der Geſchlechterordnung Englands; und es iſt wohl ſchon hier klar, daß dieſe ganze Geſchichte Englands eine weſentlich verſchiedene von der des Continents iſt, obwohl ſie genau aus denſelben Ele- menten hervorgeht. Allerdings muß man nun nicht glauben, daß alles dieſes weder in den von uns angegebenen einfachen Verhältniſſen verläuft, noch auch daß es plötzlich oder vollſtändig geſchehen iſt. Wir ſehen vielmehr, daß z. B. die Realrechte der Bannmühlen und ſelbſt der Bannöfen der Grundherren noch lange beſtanden (Kenett, Parochial Antiquities 396; die Bäcker- und Müllerſtatute der Gild of Berwik bei Eden I. 21). Auch ſind Klagen genug über die Härte der Herren gegen ihre eigenen Leute; noch im 14. Jahrhundert kommen Verkäufe von Leib- eigenen vor, und Hallam findet noch unter Eduard III. neben 94 copy- holders (hatten ſie ſchon alle wirklich copys, oder nahm man den copyhold nur an?) noch ſechs Leibeigene (Sugenheim S. 299). Ja die Herren verweigerten ſtets direkt die unbedingte geſetzliche Anerkennung der Manumiſſion der villeins, ſo daß Macaulay (History of Eng- land I. 1.) noch ſagen muß, daß „that the institute (of villenage) even to this hour, not has been abolished by statute.“ Doch das war gleichgültig, da das common law ſie beſeitigt hatte (Sugenheim S. 300). Die Unfreiheit war deßhalb nicht weniger gebrochen. Alle villeins haben ein gleichartiges, wenn auch kein gleiches Recht; alle labourers ſtehen unter dem Geſetze; das Gericht gehört nie und nir- gends mehr dem Grundherrn, ſondern dem Könige; der Grundherr des Continents exiſtirt in England überhaupt nicht, ſondern aus dem feudalen Lord iſt ein Großgrundbeſitzer geworden. Das iſt der materielle Schluß der erſten großen Epoche; den formalen bringt nun dafür das wohlbekannte Stat. 12. Ch. II. 24 von 1672. Dieſes Statute, von welchem Blackſtone ſagt, es ſei „a greater acqui- sition to the civil property of this kingdom than even magna charta itself“ (II. 5.) beſtimmt nun folgende Grundſätze, die in Be- ziehung auf das Obige leicht zu erklären ſind. Erſtlich, daß alle Arten von tenures (ſ. unten), die vom Könige oder von einem an- dern gehalten werden, zu einem freien Eigenthum gemacht werden ſollen, daß ſie alſo nach continentalem Begriffe aus einem Lehn zu einem Allod erhoben werden. Das bezeichnet das Geſetz jetzt als Er- hebung aller dieſer tenures into free and common soccage; die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/141>, abgerufen am 21.11.2024.