I. Begriff und Inhalt der wirthschaftlichen Verwaltung oder Volkswirthschaftspflege.
Indem wir jetzt zum dritten großen Hauptgebiet der inneren Ver- waltung übergehen, müssen wir mit einer Aufgabe beginnen, die zwar keineswegs zu den angenehmen gehört, aber die dennoch unerläßlich ist.
In keinem Theile der gesammten Staatswissenschaft nämlich gibt es eine solche fast unabsehbare Masse von Vorarbeiten für die eigent- liche Verwaltungslehre, als in demjenigen, der sich auf die volks- wirthschaftlichen Verhältnisse bezieht. Dieselben sind theils selbständig aufgetreten, theils erscheinen sie in einzelnen Abhandlungen und Unter- suchungen aller Art, theils sind sie mit der gewöhnlichen Volkswirth- schaftslehre so verschmolzen und verflochten, daß sie mit ihr ein fast untrennbares Ganze bilden. Allein, so hart das Urtheil auch klingen mag, so müssen wir es dennoch aussprechen, daß hier auf allen Punkten eine vollständige Verwirrung oder doch Unklarheit und Systemlosigkeit der Begriffe herrscht, die, wie wir glauben, in gar keinem andern Theile der Wissenschaften überhaupt ihres Gleichen hat. Es ist nicht bloß keine Einigung über Begriff und Wort erzielt, sondern sie wird auch nicht einmal angestrebt; ja was für die wissenschaftliche Entwicklung das Uebelste ist, es wird kaum noch empfunden, daß diese Verwirrung da ist, und die beinahe vollständige Willkür in der Behandlungsweise erzeugt, welche unsere Zeit in dieser Beziehung auszeichnet. Es ist dabei unmöglich geworden, sich irgend etwas Bestimmtes bei den Aus- drücken zu denken, welche man hier gebraucht, um alle diese Gebiete je nach individuellem Ermessen zusammen zu fassen, zu scheiden, halb oder ganz zu verschmelzen, von einem zum andern überzugehen. Schon die Worte, welche man gebraucht, zeigen jene vollständige Unklarheit, die über diesem weiten Felde wie ein dunkler Nebel schwebt. Bald wird man in der reinen Nationalökonomie ganze Ausführungen finden, welche bereits "Anwendungen" derselben sind; bald nennt man das,
Einleitung.
I. Begriff und Inhalt der wirthſchaftlichen Verwaltung oder Volkswirthſchaftspflege.
Indem wir jetzt zum dritten großen Hauptgebiet der inneren Ver- waltung übergehen, müſſen wir mit einer Aufgabe beginnen, die zwar keineswegs zu den angenehmen gehört, aber die dennoch unerläßlich iſt.
In keinem Theile der geſammten Staatswiſſenſchaft nämlich gibt es eine ſolche faſt unabſehbare Maſſe von Vorarbeiten für die eigent- liche Verwaltungslehre, als in demjenigen, der ſich auf die volks- wirthſchaftlichen Verhältniſſe bezieht. Dieſelben ſind theils ſelbſtändig aufgetreten, theils erſcheinen ſie in einzelnen Abhandlungen und Unter- ſuchungen aller Art, theils ſind ſie mit der gewöhnlichen Volkswirth- ſchaftslehre ſo verſchmolzen und verflochten, daß ſie mit ihr ein faſt untrennbares Ganze bilden. Allein, ſo hart das Urtheil auch klingen mag, ſo müſſen wir es dennoch ausſprechen, daß hier auf allen Punkten eine vollſtändige Verwirrung oder doch Unklarheit und Syſtemloſigkeit der Begriffe herrſcht, die, wie wir glauben, in gar keinem andern Theile der Wiſſenſchaften überhaupt ihres Gleichen hat. Es iſt nicht bloß keine Einigung über Begriff und Wort erzielt, ſondern ſie wird auch nicht einmal angeſtrebt; ja was für die wiſſenſchaftliche Entwicklung das Uebelſte iſt, es wird kaum noch empfunden, daß dieſe Verwirrung da iſt, und die beinahe vollſtändige Willkür in der Behandlungsweiſe erzeugt, welche unſere Zeit in dieſer Beziehung auszeichnet. Es iſt dabei unmöglich geworden, ſich irgend etwas Beſtimmtes bei den Aus- drücken zu denken, welche man hier gebraucht, um alle dieſe Gebiete je nach individuellem Ermeſſen zuſammen zu faſſen, zu ſcheiden, halb oder ganz zu verſchmelzen, von einem zum andern überzugehen. Schon die Worte, welche man gebraucht, zeigen jene vollſtändige Unklarheit, die über dieſem weiten Felde wie ein dunkler Nebel ſchwebt. Bald wird man in der reinen Nationalökonomie ganze Ausführungen finden, welche bereits „Anwendungen“ derſelben ſind; bald nennt man das,
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Einleitung.
I. Begriff und Inhalt der wirthſchaftlichen Verwaltung oder
Volkswirthſchaftspflege.
Indem wir jetzt zum dritten großen Hauptgebiet der inneren Ver-
waltung übergehen, müſſen wir mit einer Aufgabe beginnen, die zwar
keineswegs zu den angenehmen gehört, aber die dennoch unerläßlich iſt.
In keinem Theile der geſammten Staatswiſſenſchaft nämlich gibt
es eine ſolche faſt unabſehbare Maſſe von Vorarbeiten für die eigent-
liche Verwaltungslehre, als in demjenigen, der ſich auf die volks-
wirthſchaftlichen Verhältniſſe bezieht. Dieſelben ſind theils ſelbſtändig
aufgetreten, theils erſcheinen ſie in einzelnen Abhandlungen und Unter-
ſuchungen aller Art, theils ſind ſie mit der gewöhnlichen Volkswirth-
ſchaftslehre ſo verſchmolzen und verflochten, daß ſie mit ihr ein faſt
untrennbares Ganze bilden. Allein, ſo hart das Urtheil auch klingen
mag, ſo müſſen wir es dennoch ausſprechen, daß hier auf allen Punkten
eine vollſtändige Verwirrung oder doch Unklarheit und Syſtemloſigkeit
der Begriffe herrſcht, die, wie wir glauben, in gar keinem andern Theile
der Wiſſenſchaften überhaupt ihres Gleichen hat. Es iſt nicht bloß
keine Einigung über Begriff und Wort erzielt, ſondern ſie wird auch
nicht einmal angeſtrebt; ja was für die wiſſenſchaftliche Entwicklung
das Uebelſte iſt, es wird kaum noch empfunden, daß dieſe Verwirrung da
iſt, und die beinahe vollſtändige Willkür in der Behandlungsweiſe
erzeugt, welche unſere Zeit in dieſer Beziehung auszeichnet. Es iſt
dabei unmöglich geworden, ſich irgend etwas Beſtimmtes bei den Aus-
drücken zu denken, welche man hier gebraucht, um alle dieſe Gebiete
je nach individuellem Ermeſſen zuſammen zu faſſen, zu ſcheiden, halb
oder ganz zu verſchmelzen, von einem zum andern überzugehen. Schon
die Worte, welche man gebraucht, zeigen jene vollſtändige Unklarheit,
die über dieſem weiten Felde wie ein dunkler Nebel ſchwebt. Bald
wird man in der reinen Nationalökonomie ganze Ausführungen finden,
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/21>, abgerufen am 21.11.2024.
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