Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.was aus der Vermengung der Nationalökonomie und der Volkswirth- Denn in der That, nicht um Einzelkritik und nicht um dialektische Denn keine Wissenschaft überhaupt kann zur vollen Entwicklung was aus der Vermengung der Nationalökonomie und der Volkswirth- Denn in der That, nicht um Einzelkritik und nicht um dialektiſche Denn keine Wiſſenſchaft überhaupt kann zur vollen Entwicklung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0022" n="4"/> was aus der Vermengung der Nationalökonomie und der Volkswirth-<lb/> ſchaftspflege entſteht, angewandte Nationalökonomie, ohne ſich zu fra-<lb/> gen, <hi rendition="#g">wer</hi> ſie anwendet, und noch weniger, ob dieſe Anwendung nicht<lb/> eine weſentlich andere iſt, wenn der Einzelne und wenn der Staat<lb/> ſie macht; bald ſpricht man von Nationalökonomik, mit einem bar-<lb/> bariſchen Worte ein unaufgelöstes Verhalten ſehr verſchiedener Dinge<lb/> zudeckend; bald ſpricht man von Staatswirthſchaft und Staatswirth-<lb/> ſchaftslehre, Nationalökonomie, Finanzen und Volkswirthſchaftspflege<lb/> darunter begreifend, ohne ihr Verhältniß zu beſtimmen; bald hat man<lb/> daneben eine „Polizeiwiſſenſchaft“ und neben dieſer wieder ein „Ver-<lb/> waltungsrecht.“ Bald aber bemüht man ſich grundſätzlich um gar<lb/> keinen ſyſtematiſchen Begriff, und mithin auch um gar keine ſyſtema-<lb/> tiſche Behandlung, läßt ſich hin und wieder mit einer Formeldefinition<lb/> begnügen, reiht dann Paragraphen an Paragraphen, ohne irgend<lb/> welchen leitenden Gedanken, wirft in das leere Gefäß eines ſolchen<lb/> Paragraphen allerlei Material hinein, was irgendwie damit im Zu-<lb/> ſammenhang ſteht, geſchichtliche, philoſophiſche, ſtatiſtiſche, literariſche,<lb/> praktiſche Notizen, und dazu in rückſichtsloſer Vermengung franzöſiſche,<lb/> deutſche, engliſche Citate, auch „intereſſante“ ſpaniſche, ruſſiſche, ſchwe-<lb/> diſche Kleinigkeiten, nimmt Nationalökonomie, Technik, Verwaltung,<lb/> Geſetzgebung hinzu, und dieß wird ſo eine „Wiſſenſchaft.“ Es iſt <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> möglich, auf dieſer Baſis weiter zu arbeiten.</p><lb/> <p>Denn in der That, nicht um Einzelkritik und nicht um dialektiſche<lb/> Experimente handelt es ſich, wenn wir nicht umhin können, dieſe Art<lb/> und Weiſe auf das Entſchiedenſte zu bekämpfen. Und auch das iſt<lb/> nicht einmal das Letzte, was wir darüber zu ſagen haben, daß wir<lb/> dadurch unſern eigenſten Werth, den des organiſchen Beherrſchens des<lb/> geiſtigen Stoffes, die große Function, welche dem <hi rendition="#g">deutſchen</hi> Geiſte<lb/> verliehen iſt, an der Nachahmerei der engliſchen und franzöſiſchen Un-<lb/> klarheit und ihrer intereſſanten Darſtellungsweiſe verlieren, ohne doch<lb/> mit Notizengelehrſamkeit den Glanz und die praktiſche Fülle derſelben<lb/> erſetzen zu können. <hi rendition="#g">Niemand</hi> leiſtet das Beſte, wenn er nicht ſeinem<lb/> eigenſten Weſen Ausdruck zu ſchaffen vermag. Wir Deutſche aber ſind<lb/> doch das Volk der „Denker,“ das iſt des unterſcheidenden, ordnenden,<lb/> organiſchen Gedankens. Und deßhalb werden wir nur dann das Höchſte<lb/> leiſten, wenn wir auch in der Staatswiſſenſchaft das organiſche Wiſſen<lb/> zur Geltung bringen. Doch das iſt nicht das Einzige, nicht einmal<lb/> das Wichtigſte um deſſentwillen wir die Feder zu dieſen Bemerkungen<lb/> ergreifen.</p><lb/> <p>Denn keine Wiſſenſchaft überhaupt kann zur vollen Entwicklung<lb/> gelangen, wenn ſie nicht ihr eigenes Princip kennt, und mit Bewußtſein<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [4/0022]
was aus der Vermengung der Nationalökonomie und der Volkswirth-
ſchaftspflege entſteht, angewandte Nationalökonomie, ohne ſich zu fra-
gen, wer ſie anwendet, und noch weniger, ob dieſe Anwendung nicht
eine weſentlich andere iſt, wenn der Einzelne und wenn der Staat
ſie macht; bald ſpricht man von Nationalökonomik, mit einem bar-
bariſchen Worte ein unaufgelöstes Verhalten ſehr verſchiedener Dinge
zudeckend; bald ſpricht man von Staatswirthſchaft und Staatswirth-
ſchaftslehre, Nationalökonomie, Finanzen und Volkswirthſchaftspflege
darunter begreifend, ohne ihr Verhältniß zu beſtimmen; bald hat man
daneben eine „Polizeiwiſſenſchaft“ und neben dieſer wieder ein „Ver-
waltungsrecht.“ Bald aber bemüht man ſich grundſätzlich um gar
keinen ſyſtematiſchen Begriff, und mithin auch um gar keine ſyſtema-
tiſche Behandlung, läßt ſich hin und wieder mit einer Formeldefinition
begnügen, reiht dann Paragraphen an Paragraphen, ohne irgend
welchen leitenden Gedanken, wirft in das leere Gefäß eines ſolchen
Paragraphen allerlei Material hinein, was irgendwie damit im Zu-
ſammenhang ſteht, geſchichtliche, philoſophiſche, ſtatiſtiſche, literariſche,
praktiſche Notizen, und dazu in rückſichtsloſer Vermengung franzöſiſche,
deutſche, engliſche Citate, auch „intereſſante“ ſpaniſche, ruſſiſche, ſchwe-
diſche Kleinigkeiten, nimmt Nationalökonomie, Technik, Verwaltung,
Geſetzgebung hinzu, und dieß wird ſo eine „Wiſſenſchaft.“ Es iſt nicht
möglich, auf dieſer Baſis weiter zu arbeiten.
Denn in der That, nicht um Einzelkritik und nicht um dialektiſche
Experimente handelt es ſich, wenn wir nicht umhin können, dieſe Art
und Weiſe auf das Entſchiedenſte zu bekämpfen. Und auch das iſt
nicht einmal das Letzte, was wir darüber zu ſagen haben, daß wir
dadurch unſern eigenſten Werth, den des organiſchen Beherrſchens des
geiſtigen Stoffes, die große Function, welche dem deutſchen Geiſte
verliehen iſt, an der Nachahmerei der engliſchen und franzöſiſchen Un-
klarheit und ihrer intereſſanten Darſtellungsweiſe verlieren, ohne doch
mit Notizengelehrſamkeit den Glanz und die praktiſche Fülle derſelben
erſetzen zu können. Niemand leiſtet das Beſte, wenn er nicht ſeinem
eigenſten Weſen Ausdruck zu ſchaffen vermag. Wir Deutſche aber ſind
doch das Volk der „Denker,“ das iſt des unterſcheidenden, ordnenden,
organiſchen Gedankens. Und deßhalb werden wir nur dann das Höchſte
leiſten, wenn wir auch in der Staatswiſſenſchaft das organiſche Wiſſen
zur Geltung bringen. Doch das iſt nicht das Einzige, nicht einmal
das Wichtigſte um deſſentwillen wir die Feder zu dieſen Bemerkungen
ergreifen.
Denn keine Wiſſenſchaft überhaupt kann zur vollen Entwicklung
gelangen, wenn ſie nicht ihr eigenes Princip kennt, und mit Bewußtſein
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