Diese Bewegung erscheint in zwei Hauptformen. Zuerst tritt sie auf als Unterordnung der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit unter die Beamtengerichte; dann als der Versuch, den Bauernstand zu erhalten und zu heben. Letzteres wieder geschieht theils durch das Verbot des "Legens" der Bauernhöfe, theils durch Beschützung der Bauern gegen die wildere Mißhandlung der Herren, theils als Herstellung der ersten Formen der Verwaltung der Landwirthschaft in den Landes-Oekonomie- Collegien, theils endlich als direkter Versuch, die Leibeigenschaft aufzu- heben.
Jede dieser großen Maßregeln hat ihre eigene Geschichte; doch wird es Aufgabe einer selbständigen Arbeit sein müssen, dieses hochwichtige Gebiet des Kampfes der Regierungen mit der Grundherrlichkeit noch genauer durchzuführen, als das in etwas sporadischer Weise bereits von Sugenheim geschehen ist, dessen Arbeit übrigens dauernd an der Spitze dieses Theiles der Geschichte Deutschlands steht, und namentlich zuerst denselben mit tiefem Verständniß und umfassender Gelehrsamkeit in seinem Verhältniß zum Gesammtleben Europas dargestellt hat. Wir haben dazu nur einige wenige Bemerkungen hinzuzufügen. Die Geschichte der Aufhebung der Leibeigenschaft beginnt schon mit der Verordnung vom 16. December 1702, durch welche Friedrich I. von Preußen be- fahl, daß auf "Seinen Domänen" die Leibeigenschaft aufgehoben werden solle (Stenzel, Geschichte des preußischen Staats III. 680. Preuß, Friedrich der Große III. 97). Von da an bis zu den letzten gesetzlichen Akten unseres Jahrhunderts, welche die Leibeigenschaft wirklich besei- tigen, zeigt es sich in immer wiederkehrender Folge, daß man sich weder über den rechtlichen Inhalt, noch über die eigentliche Bedeutung der Leibeigenschaft jemals recht klar wurde, namentlich aber über ihr Verhältniß zur Hörigkeit. Das nun beruhte darauf, daß es bereits damals die alte strenge Scheidung zwischen Leibeigenen und Bauern, welche die Grundlage der ursprünglichen Geschlechterordnung war, nicht mehr gab. Der Unterschied war ein gradueller geworden, statt daß er früher ein qualitativer gewesen. Die Folge daran war, daß jedes Rütteln an der Leibeigenschaft die ganze Geschlechterordnung der Grundherrlichkeit erschütterte, und daß daher die Regierungen einerseits bei derselben nicht stehen bleiben konnten, sondern consequent zum Ver- nichtungskampfe mit der gesammten herrschenden Stellung des Adels von ihr aus fortschreiten mußten, während es eben deßwegen anderer- seits vollkommen erklärlich war, wenn die herrschende Klasse dem Landes- herrn offen ins Gesicht sagte, daß sie selbst nicht gewilligt seien, ihr Recht aufzugeben, die letzteren aber nicht berechtigt, es aufzuheben, wie die pommerischen Stände selbst gegenüber einem Manne wie Friedrich II.
Dieſe Bewegung erſcheint in zwei Hauptformen. Zuerſt tritt ſie auf als Unterordnung der gutsherrlichen Gerichtsbarkeit unter die Beamtengerichte; dann als der Verſuch, den Bauernſtand zu erhalten und zu heben. Letzteres wieder geſchieht theils durch das Verbot des „Legens“ der Bauernhöfe, theils durch Beſchützung der Bauern gegen die wildere Mißhandlung der Herren, theils als Herſtellung der erſten Formen der Verwaltung der Landwirthſchaft in den Landes-Oekonomie- Collegien, theils endlich als direkter Verſuch, die Leibeigenſchaft aufzu- heben.
Jede dieſer großen Maßregeln hat ihre eigene Geſchichte; doch wird es Aufgabe einer ſelbſtändigen Arbeit ſein müſſen, dieſes hochwichtige Gebiet des Kampfes der Regierungen mit der Grundherrlichkeit noch genauer durchzuführen, als das in etwas ſporadiſcher Weiſe bereits von Sugenheim geſchehen iſt, deſſen Arbeit übrigens dauernd an der Spitze dieſes Theiles der Geſchichte Deutſchlands ſteht, und namentlich zuerſt denſelben mit tiefem Verſtändniß und umfaſſender Gelehrſamkeit in ſeinem Verhältniß zum Geſammtleben Europas dargeſtellt hat. Wir haben dazu nur einige wenige Bemerkungen hinzuzufügen. Die Geſchichte der Aufhebung der Leibeigenſchaft beginnt ſchon mit der Verordnung vom 16. December 1702, durch welche Friedrich I. von Preußen be- fahl, daß auf „Seinen Domänen“ die Leibeigenſchaft aufgehoben werden ſolle (Stenzel, Geſchichte des preußiſchen Staats III. 680. Preuß, Friedrich der Große III. 97). Von da an bis zu den letzten geſetzlichen Akten unſeres Jahrhunderts, welche die Leibeigenſchaft wirklich beſei- tigen, zeigt es ſich in immer wiederkehrender Folge, daß man ſich weder über den rechtlichen Inhalt, noch über die eigentliche Bedeutung der Leibeigenſchaft jemals recht klar wurde, namentlich aber über ihr Verhältniß zur Hörigkeit. Das nun beruhte darauf, daß es bereits damals die alte ſtrenge Scheidung zwiſchen Leibeigenen und Bauern, welche die Grundlage der urſprünglichen Geſchlechterordnung war, nicht mehr gab. Der Unterſchied war ein gradueller geworden, ſtatt daß er früher ein qualitativer geweſen. Die Folge daran war, daß jedes Rütteln an der Leibeigenſchaft die ganze Geſchlechterordnung der Grundherrlichkeit erſchütterte, und daß daher die Regierungen einerſeits bei derſelben nicht ſtehen bleiben konnten, ſondern conſequent zum Ver- nichtungskampfe mit der geſammten herrſchenden Stellung des Adels von ihr aus fortſchreiten mußten, während es eben deßwegen anderer- ſeits vollkommen erklärlich war, wenn die herrſchende Klaſſe dem Landes- herrn offen ins Geſicht ſagte, daß ſie ſelbſt nicht gewilligt ſeien, ihr Recht aufzugeben, die letzteren aber nicht berechtigt, es aufzuheben, wie die pommeriſchen Stände ſelbſt gegenüber einem Manne wie Friedrich II.
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Dieſe Bewegung erſcheint in zwei Hauptformen. Zuerſt tritt ſie
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Beamtengerichte; dann als der Verſuch, den Bauernſtand zu erhalten
und zu heben. Letzteres wieder geſchieht theils durch das Verbot des
„Legens“ der Bauernhöfe, theils durch Beſchützung der Bauern gegen
die wildere Mißhandlung der Herren, theils als Herſtellung der erſten
Formen der Verwaltung der Landwirthſchaft in den Landes-Oekonomie-
Collegien, theils endlich als direkter Verſuch, die Leibeigenſchaft aufzu-
heben.
Jede dieſer großen Maßregeln hat ihre eigene Geſchichte; doch wird
es Aufgabe einer ſelbſtändigen Arbeit ſein müſſen, dieſes hochwichtige
Gebiet des Kampfes der Regierungen mit der Grundherrlichkeit noch
genauer durchzuführen, als das in etwas ſporadiſcher Weiſe bereits
von Sugenheim geſchehen iſt, deſſen Arbeit übrigens dauernd an der
Spitze dieſes Theiles der Geſchichte Deutſchlands ſteht, und namentlich
zuerſt denſelben mit tiefem Verſtändniß und umfaſſender Gelehrſamkeit
in ſeinem Verhältniß zum Geſammtleben Europas dargeſtellt hat. Wir
haben dazu nur einige wenige Bemerkungen hinzuzufügen. Die Geſchichte
der Aufhebung der Leibeigenſchaft beginnt ſchon mit der Verordnung
vom 16. December 1702, durch welche Friedrich I. von Preußen be-
fahl, daß auf „Seinen Domänen“ die Leibeigenſchaft aufgehoben werden
ſolle (Stenzel, Geſchichte des preußiſchen Staats III. 680. Preuß,
Friedrich der Große III. 97). Von da an bis zu den letzten geſetzlichen
Akten unſeres Jahrhunderts, welche die Leibeigenſchaft wirklich beſei-
tigen, zeigt es ſich in immer wiederkehrender Folge, daß man ſich weder
über den rechtlichen Inhalt, noch über die eigentliche Bedeutung der
Leibeigenſchaft jemals recht klar wurde, namentlich aber über ihr
Verhältniß zur Hörigkeit. Das nun beruhte darauf, daß es bereits
damals die alte ſtrenge Scheidung zwiſchen Leibeigenen und Bauern,
welche die Grundlage der urſprünglichen Geſchlechterordnung war, nicht
mehr gab. Der Unterſchied war ein gradueller geworden, ſtatt
daß er früher ein qualitativer geweſen. Die Folge daran war, daß
jedes Rütteln an der Leibeigenſchaft die ganze Geſchlechterordnung der
Grundherrlichkeit erſchütterte, und daß daher die Regierungen einerſeits
bei derſelben nicht ſtehen bleiben konnten, ſondern conſequent zum Ver-
nichtungskampfe mit der geſammten herrſchenden Stellung des Adels
von ihr aus fortſchreiten mußten, während es eben deßwegen anderer-
ſeits vollkommen erklärlich war, wenn die herrſchende Klaſſe dem Landes-
herrn offen ins Geſicht ſagte, daß ſie ſelbſt nicht gewilligt ſeien, ihr
Recht aufzugeben, die letzteren aber nicht berechtigt, es aufzuheben, wie
die pommeriſchen Stände ſelbſt gegenüber einem Manne wie Friedrich II.
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/217>, abgerufen am 24.11.2024.
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