Gerichtsverwalters vom Gerichtsaktuar (Berger, Oeconom. Jurispr. IV. 6.), wodurch man in Preußen zu dem Grundsatz kam, daß der Gerichtsherr die Justiz überhaupt nicht mehr persönlich, sondern nur durch einen Justizbeamten ausüben dürfe, was übrigens eben nur in Preußen galt (Fischer §. 88; vgl. Sugenheim S. 398). Allein der Grundgedanke der Erbgerichtsbarkeit blieb bestehen, und namentlich in den kleinen deutschen Reichslanden änderte sich gar nichts.
Mit diesem allgemeinen Resultate schließt das 18. Jahrhundert. Auf allen Punkten ist der Kampf der Staatsidee mit dem Rechte der herrschenden Klasse eröffnet. Die Leibeigenschaft ist zum Theil aufge- hoben, die freiwilligen Ablösungen sind zum Theil versucht, die Erb- gerichtsbarkeit ist zum Theil beschränkt, das alte Verhältniß ist in seinen Grundvesten erschüttert. Allein jene gesellschaftlichen Reste sind Privat- rechte geworden, und die Klasse der Grundherren hat sich für die Ver- theidigung derselben allenthalben erhoben, allenthalben das "Landes- recht" und die "Landesprivilegien" gegenüber der Krone dafür aufgerufen allenthalben die gefahrbringende Umgestaltung bekämpft, und das neun- zehnte Jahrhundert findet noch nirgends ein faßbares Resultat. Es hat den großen Proceß der Ablösung erst selbst zu schaffen.
Und hier nun darf man einen Blick auf das dominium eminens und seine specielle Stellung zur Entlastung zurückwerfen. Auch hier zeigt sich sein inniger Zusammenhang mit der Staatsidee. Wie der Staat selbst an den socialen Gewalten die begränzenden Faktoren seiner Entwicklung findet, so auch das dominium eminens. Es vermag nicht, in die eigentliche gesellschaftliche Frage hinabzusteigen. Seinem historischen Ursprung getreu, bedeutet es auch in dieser Zeit nur das Verhältniß des Staats zu den Grundherren als herrschender Klasse, und das do- minium (super)eminens erscheint daher mehr und mehr nur noch als Lehensobereigenthum des Fürsten gegenüber dem Vasallen. Die Frage, die mit dem 18. Jahrhundert entsteht, die Frage nach dem Recht des Staats, die beherrschte Klasse durch Beschränkung des Rechts der herr- schenden zu heben, nimmt jene Idee des dominium eminens gar nicht in sich auf. Sie hat den höheren Rechtstitel dafür gegeben, daß die Landesherrn die Selbständigkeit der herrschenden Stände und ihrer Landtage brachten; sie hat die fürstliche Gewalt mit dem Recht auf die einzelnen Hoheitsrechte ausgefüllt, und ist zum juristischen Princip der höchsten Verwaltung geworden, aber mehr vermag sie nicht. Es ist noch immer nur eine höchste Form des "Eigenthums;" sowie es daher einem zweiten Eigenthum sich gegenüber findet, dem Eigen- thum der Grundherren an allen Rechten der Grundherrlichkeit, so ist es gleichsam paralysirt. Die damalige Wissenschaft weiß nichts Bestimmtes
Gerichtsverwalters vom Gerichtsaktuar (Berger, Oeconom. Jurispr. IV. 6.), wodurch man in Preußen zu dem Grundſatz kam, daß der Gerichtsherr die Juſtiz überhaupt nicht mehr perſönlich, ſondern nur durch einen Juſtizbeamten ausüben dürfe, was übrigens eben nur in Preußen galt (Fiſcher §. 88; vgl. Sugenheim S. 398). Allein der Grundgedanke der Erbgerichtsbarkeit blieb beſtehen, und namentlich in den kleinen deutſchen Reichslanden änderte ſich gar nichts.
Mit dieſem allgemeinen Reſultate ſchließt das 18. Jahrhundert. Auf allen Punkten iſt der Kampf der Staatsidee mit dem Rechte der herrſchenden Klaſſe eröffnet. Die Leibeigenſchaft iſt zum Theil aufge- hoben, die freiwilligen Ablöſungen ſind zum Theil verſucht, die Erb- gerichtsbarkeit iſt zum Theil beſchränkt, das alte Verhältniß iſt in ſeinen Grundveſten erſchüttert. Allein jene geſellſchaftlichen Reſte ſind Privat- rechte geworden, und die Klaſſe der Grundherren hat ſich für die Ver- theidigung derſelben allenthalben erhoben, allenthalben das „Landes- recht“ und die „Landesprivilegien“ gegenüber der Krone dafür aufgerufen allenthalben die gefahrbringende Umgeſtaltung bekämpft, und das neun- zehnte Jahrhundert findet noch nirgends ein faßbares Reſultat. Es hat den großen Proceß der Ablöſung erſt ſelbſt zu ſchaffen.
Und hier nun darf man einen Blick auf das dominium eminens und ſeine ſpecielle Stellung zur Entlaſtung zurückwerfen. Auch hier zeigt ſich ſein inniger Zuſammenhang mit der Staatsidee. Wie der Staat ſelbſt an den ſocialen Gewalten die begränzenden Faktoren ſeiner Entwicklung findet, ſo auch das dominium eminens. Es vermag nicht, in die eigentliche geſellſchaftliche Frage hinabzuſteigen. Seinem hiſtoriſchen Urſprung getreu, bedeutet es auch in dieſer Zeit nur das Verhältniß des Staats zu den Grundherren als herrſchender Klaſſe, und das do- minium (super)eminens erſcheint daher mehr und mehr nur noch als Lehensobereigenthum des Fürſten gegenüber dem Vaſallen. Die Frage, die mit dem 18. Jahrhundert entſteht, die Frage nach dem Recht des Staats, die beherrſchte Klaſſe durch Beſchränkung des Rechts der herr- ſchenden zu heben, nimmt jene Idee des dominium eminens gar nicht in ſich auf. Sie hat den höheren Rechtstitel dafür gegeben, daß die Landesherrn die Selbſtändigkeit der herrſchenden Stände und ihrer Landtage brachten; ſie hat die fürſtliche Gewalt mit dem Recht auf die einzelnen Hoheitsrechte ausgefüllt, und iſt zum juriſtiſchen Princip der höchſten Verwaltung geworden, aber mehr vermag ſie nicht. Es iſt noch immer nur eine höchſte Form des „Eigenthums;“ ſowie es daher einem zweiten Eigenthum ſich gegenüber findet, dem Eigen- thum der Grundherren an allen Rechten der Grundherrlichkeit, ſo iſt es gleichſam paralyſirt. Die damalige Wiſſenſchaft weiß nichts Beſtimmtes
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Gerichtsverwalters vom Gerichtsaktuar (Berger, Oeconom. Jurispr.
IV. 6.), wodurch man in Preußen zu dem Grundſatz kam, daß der
Gerichtsherr die Juſtiz überhaupt nicht mehr perſönlich, ſondern nur
durch einen Juſtizbeamten ausüben dürfe, was übrigens eben nur in
Preußen galt (Fiſcher §. 88; vgl. Sugenheim S. 398). Allein
der Grundgedanke der Erbgerichtsbarkeit blieb beſtehen, und namentlich
in den kleinen deutſchen Reichslanden änderte ſich gar nichts.
Mit dieſem allgemeinen Reſultate ſchließt das 18. Jahrhundert.
Auf allen Punkten iſt der Kampf der Staatsidee mit dem Rechte der
herrſchenden Klaſſe eröffnet. Die Leibeigenſchaft iſt zum Theil aufge-
hoben, die freiwilligen Ablöſungen ſind zum Theil verſucht, die Erb-
gerichtsbarkeit iſt zum Theil beſchränkt, das alte Verhältniß iſt in ſeinen
Grundveſten erſchüttert. Allein jene geſellſchaftlichen Reſte ſind Privat-
rechte geworden, und die Klaſſe der Grundherren hat ſich für die Ver-
theidigung derſelben allenthalben erhoben, allenthalben das „Landes-
recht“ und die „Landesprivilegien“ gegenüber der Krone dafür aufgerufen
allenthalben die gefahrbringende Umgeſtaltung bekämpft, und das neun-
zehnte Jahrhundert findet noch nirgends ein faßbares Reſultat. Es
hat den großen Proceß der Ablöſung erſt ſelbſt zu ſchaffen.
Und hier nun darf man einen Blick auf das dominium eminens
und ſeine ſpecielle Stellung zur Entlaſtung zurückwerfen. Auch hier
zeigt ſich ſein inniger Zuſammenhang mit der Staatsidee. Wie der
Staat ſelbſt an den ſocialen Gewalten die begränzenden Faktoren ſeiner
Entwicklung findet, ſo auch das dominium eminens. Es vermag nicht,
in die eigentliche geſellſchaftliche Frage hinabzuſteigen. Seinem hiſtoriſchen
Urſprung getreu, bedeutet es auch in dieſer Zeit nur das Verhältniß
des Staats zu den Grundherren als herrſchender Klaſſe, und das do-
minium (super)eminens erſcheint daher mehr und mehr nur noch als
Lehensobereigenthum des Fürſten gegenüber dem Vaſallen. Die Frage,
die mit dem 18. Jahrhundert entſteht, die Frage nach dem Recht des
Staats, die beherrſchte Klaſſe durch Beſchränkung des Rechts der herr-
ſchenden zu heben, nimmt jene Idee des dominium eminens gar nicht
in ſich auf. Sie hat den höheren Rechtstitel dafür gegeben, daß die
Landesherrn die Selbſtändigkeit der herrſchenden Stände und ihrer
Landtage brachten; ſie hat die fürſtliche Gewalt mit dem Recht auf
die einzelnen Hoheitsrechte ausgefüllt, und iſt zum juriſtiſchen Princip
der höchſten Verwaltung geworden, aber mehr vermag ſie nicht.
Es iſt noch immer nur eine höchſte Form des „Eigenthums;“ ſowie
es daher einem zweiten Eigenthum ſich gegenüber findet, dem Eigen-
thum der Grundherren an allen Rechten der Grundherrlichkeit, ſo iſt es
gleichſam paralyſirt. Die damalige Wiſſenſchaft weiß nichts Beſtimmtes
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/219>, abgerufen am 16.02.2025.
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