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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Bauern selbst auszudehnen; so entstand das Weide- und Blumen-
suchrecht des grundherrlichen Viehes, das stets als etwas von den
Grundlasten Verschiedenes betrachtet wurde, und daher (s. oben) auch
nicht stets unmittelbar unter die Entlastung begriffen, sondern vielfach
in besonderer Ablösung beseitigt ward. Bei dem Walde dagegen war
das Verhältniß umgekehrt. Hier behielt die Bauernschaft allerdings oft
einen ihr speciell als Gemeindemark zugetheilten Wald, den Gemeinde-
wald, und hat denselben bis auf den heutigen Tag im Eigenthum;
wo aber der große Waldbestand nicht aufgetheilt war, und die einzige
Benützung noch in der Jagd bestand, da nahm entweder der Landes-
herr als Inhaber des Jagdregals, oder der Grundherr als Jagdherr
-- oft auch vermöge des Jagdregals -- das Eigenthum der Waldung
überhaupt ohne Weiteres in Anspruch, oft im stärksten Gegensatze zu
der Rechtsanschauung und Tradition seiner Dörfer. Das alte Dorf-
markenrecht an allem unaufgetheilten Gut blieb dann nur noch in der
Gestalt des Rechtes der Bauern, aus dem Walde sich ihren Bedarf an
Holz zu holen und zwar ursprünglich gewiß für jede Form des Bedarfs,
für Bau- und Brennbedarf aller Art, wobei zugleich der Wald für
Vieh und namentlich für Schweine als Gemeindeweide galt und benützt
ward. Mit der immer größeren Entwicklung der adelichen Jägerei und
zum Theil wohl auch mit der allmälig beginnenden örtlichen Entwal-
dung begann denn auch hier der Kampf zwischen dem Rechte des
Grundherrn und dem der Bauernschaft, ein Kampf, der einerseits zum
Jagdrecht des Herrn führte und sogar auf ursprünglich freiem Boden
das Jagdrecht für den Grundherrn meist gewaltsam gewann, wogegen
die alten freien Bauern durch Wilderei kämpften, andrerseits aber zu
einer an vielen Orten genau bestimmten Berechtigung der Bauern-
schaften an der Waldbenützung führten und zwar meist in Beziehung
auf das Holz, dann aber oft auch in Beziehung auf die Waldweide.
So war die Gestalt dieser Dinge mit dem 18. Jahrhundert geworden;
die Walddienstbarkeiten oder Forstservituten, die in Deutschland erst
mit der Mitte des 19. Jahrhunderts abgelöst worden, können ohne
Zurückbeziehung auf die alte Markgenossenschaft nicht richtig beurtheilt
werden. In Beziehung auf beide Formen des Gemeingutes aber, die
Flur und den Wald, gilt im Allgemeinen, daß erstlich die alte Dorf-
flur der ursprünglich freien Bauern so weit ihr Eigenthum bleibt, als
dieselbe wirklich und nachweisbar von der Dorfschaft in Besitz genom-
men ist, und daß zweitens das Verhältniß zwischen Bauernschaft und
Gemeindeherrlichkeit in hundert verschiedenen, örtlich und historisch ent-
standenen Fällen, aber dennoch auf der gemeinsamen gesellschaftlichen
Grundlage in den Weide- und Waldservituten zum Ausdruck kommt.

Bauern ſelbſt auszudehnen; ſo entſtand das Weide- und Blumen-
ſuchrecht des grundherrlichen Viehes, das ſtets als etwas von den
Grundlaſten Verſchiedenes betrachtet wurde, und daher (ſ. oben) auch
nicht ſtets unmittelbar unter die Entlaſtung begriffen, ſondern vielfach
in beſonderer Ablöſung beſeitigt ward. Bei dem Walde dagegen war
das Verhältniß umgekehrt. Hier behielt die Bauernſchaft allerdings oft
einen ihr ſpeciell als Gemeindemark zugetheilten Wald, den Gemeinde-
wald, und hat denſelben bis auf den heutigen Tag im Eigenthum;
wo aber der große Waldbeſtand nicht aufgetheilt war, und die einzige
Benützung noch in der Jagd beſtand, da nahm entweder der Landes-
herr als Inhaber des Jagdregals, oder der Grundherr als Jagdherr
— oft auch vermöge des Jagdregals — das Eigenthum der Waldung
überhaupt ohne Weiteres in Anſpruch, oft im ſtärkſten Gegenſatze zu
der Rechtsanſchauung und Tradition ſeiner Dörfer. Das alte Dorf-
markenrecht an allem unaufgetheilten Gut blieb dann nur noch in der
Geſtalt des Rechtes der Bauern, aus dem Walde ſich ihren Bedarf an
Holz zu holen und zwar urſprünglich gewiß für jede Form des Bedarfs,
für Bau- und Brennbedarf aller Art, wobei zugleich der Wald für
Vieh und namentlich für Schweine als Gemeindeweide galt und benützt
ward. Mit der immer größeren Entwicklung der adelichen Jägerei und
zum Theil wohl auch mit der allmälig beginnenden örtlichen Entwal-
dung begann denn auch hier der Kampf zwiſchen dem Rechte des
Grundherrn und dem der Bauernſchaft, ein Kampf, der einerſeits zum
Jagdrecht des Herrn führte und ſogar auf urſprünglich freiem Boden
das Jagdrecht für den Grundherrn meiſt gewaltſam gewann, wogegen
die alten freien Bauern durch Wilderei kämpften, andrerſeits aber zu
einer an vielen Orten genau beſtimmten Berechtigung der Bauern-
ſchaften an der Waldbenützung führten und zwar meiſt in Beziehung
auf das Holz, dann aber oft auch in Beziehung auf die Waldweide.
So war die Geſtalt dieſer Dinge mit dem 18. Jahrhundert geworden;
die Walddienſtbarkeiten oder Forſtſervituten, die in Deutſchland erſt
mit der Mitte des 19. Jahrhunderts abgelöst worden, können ohne
Zurückbeziehung auf die alte Markgenoſſenſchaft nicht richtig beurtheilt
werden. In Beziehung auf beide Formen des Gemeingutes aber, die
Flur und den Wald, gilt im Allgemeinen, daß erſtlich die alte Dorf-
flur der urſprünglich freien Bauern ſo weit ihr Eigenthum bleibt, als
dieſelbe wirklich und nachweisbar von der Dorfſchaft in Beſitz genom-
men iſt, und daß zweitens das Verhältniß zwiſchen Bauernſchaft und
Gemeindeherrlichkeit in hundert verſchiedenen, örtlich und hiſtoriſch ent-
ſtandenen Fällen, aber dennoch auf der gemeinſamen geſellſchaftlichen
Grundlage in den Weide- und Waldſervituten zum Ausdruck kommt.

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[255/0273] Bauern ſelbſt auszudehnen; ſo entſtand das Weide- und Blumen- ſuchrecht des grundherrlichen Viehes, das ſtets als etwas von den Grundlaſten Verſchiedenes betrachtet wurde, und daher (ſ. oben) auch nicht ſtets unmittelbar unter die Entlaſtung begriffen, ſondern vielfach in beſonderer Ablöſung beſeitigt ward. Bei dem Walde dagegen war das Verhältniß umgekehrt. Hier behielt die Bauernſchaft allerdings oft einen ihr ſpeciell als Gemeindemark zugetheilten Wald, den Gemeinde- wald, und hat denſelben bis auf den heutigen Tag im Eigenthum; wo aber der große Waldbeſtand nicht aufgetheilt war, und die einzige Benützung noch in der Jagd beſtand, da nahm entweder der Landes- herr als Inhaber des Jagdregals, oder der Grundherr als Jagdherr — oft auch vermöge des Jagdregals — das Eigenthum der Waldung überhaupt ohne Weiteres in Anſpruch, oft im ſtärkſten Gegenſatze zu der Rechtsanſchauung und Tradition ſeiner Dörfer. Das alte Dorf- markenrecht an allem unaufgetheilten Gut blieb dann nur noch in der Geſtalt des Rechtes der Bauern, aus dem Walde ſich ihren Bedarf an Holz zu holen und zwar urſprünglich gewiß für jede Form des Bedarfs, für Bau- und Brennbedarf aller Art, wobei zugleich der Wald für Vieh und namentlich für Schweine als Gemeindeweide galt und benützt ward. Mit der immer größeren Entwicklung der adelichen Jägerei und zum Theil wohl auch mit der allmälig beginnenden örtlichen Entwal- dung begann denn auch hier der Kampf zwiſchen dem Rechte des Grundherrn und dem der Bauernſchaft, ein Kampf, der einerſeits zum Jagdrecht des Herrn führte und ſogar auf urſprünglich freiem Boden das Jagdrecht für den Grundherrn meiſt gewaltſam gewann, wogegen die alten freien Bauern durch Wilderei kämpften, andrerſeits aber zu einer an vielen Orten genau beſtimmten Berechtigung der Bauern- ſchaften an der Waldbenützung führten und zwar meiſt in Beziehung auf das Holz, dann aber oft auch in Beziehung auf die Waldweide. So war die Geſtalt dieſer Dinge mit dem 18. Jahrhundert geworden; die Walddienſtbarkeiten oder Forſtſervituten, die in Deutſchland erſt mit der Mitte des 19. Jahrhunderts abgelöst worden, können ohne Zurückbeziehung auf die alte Markgenoſſenſchaft nicht richtig beurtheilt werden. In Beziehung auf beide Formen des Gemeingutes aber, die Flur und den Wald, gilt im Allgemeinen, daß erſtlich die alte Dorf- flur der urſprünglich freien Bauern ſo weit ihr Eigenthum bleibt, als dieſelbe wirklich und nachweisbar von der Dorfſchaft in Beſitz genom- men iſt, und daß zweitens das Verhältniß zwiſchen Bauernſchaft und Gemeindeherrlichkeit in hundert verſchiedenen, örtlich und hiſtoriſch ent- ſtandenen Fällen, aber dennoch auf der gemeinſamen geſellſchaftlichen Grundlage in den Weide- und Waldſervituten zum Ausdruck kommt.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/273>, abgerufen am 22.11.2024.