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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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bestimmte Jahre gegeben; allein es ward grundsätzlich festgehalten, daß
das Eigenthum der Gemeinde bleibe, selbst bei den erblichen lots, so
daß bei Aussterben der berechtigten Familie dieß lot wieder an die Ge-
meinde zurückfiel; natürlich in gleicher Weise bei den lots a vie. Das
Recht der Einzelnen an den lots war daher eine Dienstbarkeit des Ge-
meindeguts, und ward wohl schon früher gegen eine bestimmte, wenn
auch nur kleine redevance annuelle überlassen. Die Bedingung für
den Anspruch auf ein lot war die Ansässigkeit (etre etablir ou tenir
menage dans la commune);
der Einzelne verlor das lot, sowie er die
Gemeinde selbst verließ. Die einzelnen Bestimmungen über die Größe
und Vertheilung dieser lots waren dann nach den Provinzen, und in
den Provinzen wieder nach den Ortschaften verschieden; sie sind aber
in den Coutumes selten verzeichnet, weil diese wesentlich das Rechts-
verhältniß zwischen Grundherren und Bauernschaft, und nicht so sehr
die eigentlich bäuerlichen Rechte, zum Inhalte hatten. Die französische
Revolution traf nun auf diese Weise ziemlich geordnete Rechtsverhält-
nisse des Gemeindegutes an, und es war natürlich, daß die neue
Organisation communale dieselben nicht angriff. Allein in denselben
war Ein Punkt, der mit dem obigen Princip, Untheilbarkeit des Gemeinde-
guts, in tiefem Gegensatz stand. Das war die Erblichkeit und die
Verleihung der lots auf Lebenszeit, welche die freie Benutzung und
Verwaltung der biens communaux durch die Gemeinde selbst hinderten.
Daher sind eine Reihe von Bestimmungen erlassen, welche jene Rechte
aufzuheben trachten, und das freie Verfügungsrecht der Gemeinde her-
stellen sollen. Erbliche Verleihungen sind namentlich ausdrücklich ver-
boten (Arr. vom 10. April 1852); neue Verleihungen auf Lebenszeit
dürfen nicht stattfinden; die allotissements sollen in Terminen von drei,
sechs, neun, und nur dann auf 30 Jahre stattfinden, wenn der Gemeinde-
rath keine andere Verwerthung zu treffen weiß. Für die lots wird ein
jährlicher Pacht gezahlt. Das Conseil municipal beschließt über die Ver-
theilung und die Pacht der lots; er hat auch das Recht, Bestimmungen
über den Gebrauch derselben vorzuschreiben, "pour faire participer plus
egalement
les habitants a ces avantages;"
kein neues Gemeindeglied
hat die Pflicht, für das Recht auf Betheiligung an diesen Gemeinde-
allotissements etwas zu zahlen; die Jurisprudence hat auch festgestellt,
daß dazu ein einjähriger Aufenthalt nicht nothwendig sei. Die Frage,
ob jemand zur Theilnahme an den biens communaux berechtigt sei
oder nicht, wird nicht durch administrative Behörden, sondern durch die
Gerichte entschieden (Arr. vom 30. November 1850 und 8. December 1853);
nur das Eine wird vorausgesetzt, daß die Zutheilung der lots nur an
Hausbesitzer stattfinden dürfe (distribution par feux); im Uebrigen hat

beſtimmte Jahre gegeben; allein es ward grundſätzlich feſtgehalten, daß
das Eigenthum der Gemeinde bleibe, ſelbſt bei den erblichen lots, ſo
daß bei Ausſterben der berechtigten Familie dieß lot wieder an die Ge-
meinde zurückfiel; natürlich in gleicher Weiſe bei den lots à vie. Das
Recht der Einzelnen an den lots war daher eine Dienſtbarkeit des Ge-
meindeguts, und ward wohl ſchon früher gegen eine beſtimmte, wenn
auch nur kleine redevance annuelle überlaſſen. Die Bedingung für
den Anſpruch auf ein lot war die Anſäſſigkeit (être établir ou tenir
ménage dans la commune);
der Einzelne verlor das lot, ſowie er die
Gemeinde ſelbſt verließ. Die einzelnen Beſtimmungen über die Größe
und Vertheilung dieſer lots waren dann nach den Provinzen, und in
den Provinzen wieder nach den Ortſchaften verſchieden; ſie ſind aber
in den Coutumes ſelten verzeichnet, weil dieſe weſentlich das Rechts-
verhältniß zwiſchen Grundherren und Bauernſchaft, und nicht ſo ſehr
die eigentlich bäuerlichen Rechte, zum Inhalte hatten. Die franzöſiſche
Revolution traf nun auf dieſe Weiſe ziemlich geordnete Rechtsverhält-
niſſe des Gemeindegutes an, und es war natürlich, daß die neue
Organisation communale dieſelben nicht angriff. Allein in denſelben
war Ein Punkt, der mit dem obigen Princip, Untheilbarkeit des Gemeinde-
guts, in tiefem Gegenſatz ſtand. Das war die Erblichkeit und die
Verleihung der lots auf Lebenszeit, welche die freie Benutzung und
Verwaltung der biens communaux durch die Gemeinde ſelbſt hinderten.
Daher ſind eine Reihe von Beſtimmungen erlaſſen, welche jene Rechte
aufzuheben trachten, und das freie Verfügungsrecht der Gemeinde her-
ſtellen ſollen. Erbliche Verleihungen ſind namentlich ausdrücklich ver-
boten (Arr. vom 10. April 1852); neue Verleihungen auf Lebenszeit
dürfen nicht ſtattfinden; die allotissements ſollen in Terminen von drei,
ſechs, neun, und nur dann auf 30 Jahre ſtattfinden, wenn der Gemeinde-
rath keine andere Verwerthung zu treffen weiß. Für die lots wird ein
jährlicher Pacht gezahlt. Das Conseil municipal beſchließt über die Ver-
theilung und die Pacht der lots; er hat auch das Recht, Beſtimmungen
über den Gebrauch derſelben vorzuſchreiben, „pour faire participer plus
également
les habitants à ces avantages;“
kein neues Gemeindeglied
hat die Pflicht, für das Recht auf Betheiligung an dieſen Gemeinde-
allotissements etwas zu zahlen; die Jurisprudence hat auch feſtgeſtellt,
daß dazu ein einjähriger Aufenthalt nicht nothwendig ſei. Die Frage,
ob jemand zur Theilnahme an den biens communaux berechtigt ſei
oder nicht, wird nicht durch adminiſtrative Behörden, ſondern durch die
Gerichte entſchieden (Arr. vom 30. November 1850 und 8. December 1853);
nur das Eine wird vorausgeſetzt, daß die Zutheilung der lots nur an
Hausbeſitzer ſtattfinden dürfe (distribution par feux); im Uebrigen hat

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[274/0292] beſtimmte Jahre gegeben; allein es ward grundſätzlich feſtgehalten, daß das Eigenthum der Gemeinde bleibe, ſelbſt bei den erblichen lots, ſo daß bei Ausſterben der berechtigten Familie dieß lot wieder an die Ge- meinde zurückfiel; natürlich in gleicher Weiſe bei den lots à vie. Das Recht der Einzelnen an den lots war daher eine Dienſtbarkeit des Ge- meindeguts, und ward wohl ſchon früher gegen eine beſtimmte, wenn auch nur kleine redevance annuelle überlaſſen. Die Bedingung für den Anſpruch auf ein lot war die Anſäſſigkeit (être établir ou tenir ménage dans la commune); der Einzelne verlor das lot, ſowie er die Gemeinde ſelbſt verließ. Die einzelnen Beſtimmungen über die Größe und Vertheilung dieſer lots waren dann nach den Provinzen, und in den Provinzen wieder nach den Ortſchaften verſchieden; ſie ſind aber in den Coutumes ſelten verzeichnet, weil dieſe weſentlich das Rechts- verhältniß zwiſchen Grundherren und Bauernſchaft, und nicht ſo ſehr die eigentlich bäuerlichen Rechte, zum Inhalte hatten. Die franzöſiſche Revolution traf nun auf dieſe Weiſe ziemlich geordnete Rechtsverhält- niſſe des Gemeindegutes an, und es war natürlich, daß die neue Organisation communale dieſelben nicht angriff. Allein in denſelben war Ein Punkt, der mit dem obigen Princip, Untheilbarkeit des Gemeinde- guts, in tiefem Gegenſatz ſtand. Das war die Erblichkeit und die Verleihung der lots auf Lebenszeit, welche die freie Benutzung und Verwaltung der biens communaux durch die Gemeinde ſelbſt hinderten. Daher ſind eine Reihe von Beſtimmungen erlaſſen, welche jene Rechte aufzuheben trachten, und das freie Verfügungsrecht der Gemeinde her- ſtellen ſollen. Erbliche Verleihungen ſind namentlich ausdrücklich ver- boten (Arr. vom 10. April 1852); neue Verleihungen auf Lebenszeit dürfen nicht ſtattfinden; die allotissements ſollen in Terminen von drei, ſechs, neun, und nur dann auf 30 Jahre ſtattfinden, wenn der Gemeinde- rath keine andere Verwerthung zu treffen weiß. Für die lots wird ein jährlicher Pacht gezahlt. Das Conseil municipal beſchließt über die Ver- theilung und die Pacht der lots; er hat auch das Recht, Beſtimmungen über den Gebrauch derſelben vorzuſchreiben, „pour faire participer plus également les habitants à ces avantages;“ kein neues Gemeindeglied hat die Pflicht, für das Recht auf Betheiligung an dieſen Gemeinde- allotissements etwas zu zahlen; die Jurisprudence hat auch feſtgeſtellt, daß dazu ein einjähriger Aufenthalt nicht nothwendig ſei. Die Frage, ob jemand zur Theilnahme an den biens communaux berechtigt ſei oder nicht, wird nicht durch adminiſtrative Behörden, ſondern durch die Gerichte entſchieden (Arr. vom 30. November 1850 und 8. December 1853); nur das Eine wird vorausgeſetzt, daß die Zutheilung der lots nur an Hausbeſitzer ſtattfinden dürfe (distribution par feux); im Uebrigen hat

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/292>, abgerufen am 22.11.2024.