für das Gemeindevermögen, welche Frankreichs Organisation commu- nale aufnimmt und welche von Frankreich aus zum Theil wörtlich in die Gemeindeordnungen Deutschlands übergegangen sind: daß das Ge- meindegut als persönliches, einheitliches, und natürlich damit untheil- bares Vermögen der Gemeinde verwaltet und für die Bedürfnisse der Gemeinde als Ganzes verwendet werden soll; und daß die Gemeinde über die Substanz dieses Vermögens nur unter der Zustimmung der höheren Behörden verfügen darf. Diese Untheilbarkeit des Gemeinde- gutes ist nicht bloß an sich entschieden anerkannt, sondern sogar jede Verfügung verboten, welche eine Theilung des Eigenthums als Conse- quenz nach sich ziehen könnte und den Präfekten ausdrücklich zur Pflicht gemacht, sie zu verhindern (Avis du Conseil d'Etat vom 21. Februar und 21. November 1838). Gemeindewaldungen dürfen ohnehin unter keiner Bedingung aufgetheilt werden (Code forestier, art. 92). In diesen beiden elementaren Bestimmungen ist der Unterschied zwischen Stadt- und Landgemeinde aufgehoben, und statt der Principien der Gemeinheits- theilungen vielmehr der Grundsatz der Selbstverwaltung der Gemeinde- gründe zum Zwecke der Gemeinde grundsätzlich anerkannt. Die Ge- meindeweide oder -Flur steht jetzt unter denselben Grundsätzen, wie eben die Schulhäuser, Magistratsgebäude, Hallen, Kapitalien u. s. w. Das schien nun wohl sehr einfach.
In der Praxis jedoch gestaltete sich das ganze Verhältniß vermöge der Natur der Gemeindefluren wesentlich anders. Nachdem der Grund- satz des untheilbaren Vermögens anerkannt war, kam es darauf an, die Gemeindeflur nun auch praktisch zum Ertrag zu bringen. Und hier nun traten die Verhältnisse der vaine pature und des parcours, von dem wir sogleich reden werden, in entscheidender Weise ein. Da diese nämlich das Recht auf eine Gemeinde weide wenigstens zum Theil über- flüssig machten, so konnte eine Benutzung der Gemeindeflur wesentlich nur durch Verleihung von bestimmten Antheilen an die Mit- glieder der Dorfgemeinde ausgeübt werden. Diese Verleihung war daher wohl so alt, als jene vaine pature und der parcours selbst. Für diese eben bestanden deßhalb schon aus der früheren Zeit alte Ordnungen, und es war gar nicht die Absicht des Code rural, an denselben principiell etwas Wesentliches zu ändern. Dieß zum Theil alte, zum Theil neugeordnete System der Vertheilung der Benutzung hieß und heißt das System der "allotissements." Nach demselben wird die ganze Gemeindeflur in Loose -- allotissements -- getheilt; zum großen Theil sind dieselben bereits seit unvordenklichen Zeiten bestimmt. Diese allotissements theilten sich schon vor der Revolution in drei Kategorien. Sie waren theils erblich, theils auf Lebenszeit, theils für
Stein, die Verwaltungslehre. VII. 18
für das Gemeindevermögen, welche Frankreichs Organisation commu- nale aufnimmt und welche von Frankreich aus zum Theil wörtlich in die Gemeindeordnungen Deutſchlands übergegangen ſind: daß das Ge- meindegut als perſönliches, einheitliches, und natürlich damit untheil- bares Vermögen der Gemeinde verwaltet und für die Bedürfniſſe der Gemeinde als Ganzes verwendet werden ſoll; und daß die Gemeinde über die Subſtanz dieſes Vermögens nur unter der Zuſtimmung der höheren Behörden verfügen darf. Dieſe Untheilbarkeit des Gemeinde- gutes iſt nicht bloß an ſich entſchieden anerkannt, ſondern ſogar jede Verfügung verboten, welche eine Theilung des Eigenthums als Conſe- quenz nach ſich ziehen könnte und den Präfekten ausdrücklich zur Pflicht gemacht, ſie zu verhindern (Avis du Conseil d’Etat vom 21. Februar und 21. November 1838). Gemeindewaldungen dürfen ohnehin unter keiner Bedingung aufgetheilt werden (Code forestier, art. 92). In dieſen beiden elementaren Beſtimmungen iſt der Unterſchied zwiſchen Stadt- und Landgemeinde aufgehoben, und ſtatt der Principien der Gemeinheits- theilungen vielmehr der Grundſatz der Selbſtverwaltung der Gemeinde- gründe zum Zwecke der Gemeinde grundſätzlich anerkannt. Die Ge- meindeweide oder -Flur ſteht jetzt unter denſelben Grundſätzen, wie eben die Schulhäuſer, Magiſtratsgebäude, Hallen, Kapitalien u. ſ. w. Das ſchien nun wohl ſehr einfach.
In der Praxis jedoch geſtaltete ſich das ganze Verhältniß vermöge der Natur der Gemeindefluren weſentlich anders. Nachdem der Grund- ſatz des untheilbaren Vermögens anerkannt war, kam es darauf an, die Gemeindeflur nun auch praktiſch zum Ertrag zu bringen. Und hier nun traten die Verhältniſſe der vaine pâture und des parcours, von dem wir ſogleich reden werden, in entſcheidender Weiſe ein. Da dieſe nämlich das Recht auf eine Gemeinde weide wenigſtens zum Theil über- flüſſig machten, ſo konnte eine Benutzung der Gemeindeflur weſentlich nur durch Verleihung von beſtimmten Antheilen an die Mit- glieder der Dorfgemeinde ausgeübt werden. Dieſe Verleihung war daher wohl ſo alt, als jene vaine pâture und der parcours ſelbſt. Für dieſe eben beſtanden deßhalb ſchon aus der früheren Zeit alte Ordnungen, und es war gar nicht die Abſicht des Code rural, an denſelben principiell etwas Weſentliches zu ändern. Dieß zum Theil alte, zum Theil neugeordnete Syſtem der Vertheilung der Benutzung hieß und heißt das Syſtem der „allotissements.“ Nach demſelben wird die ganze Gemeindeflur in Looſe — allotissements — getheilt; zum großen Theil ſind dieſelben bereits ſeit unvordenklichen Zeiten beſtimmt. Dieſe allotissements theilten ſich ſchon vor der Revolution in drei Kategorien. Sie waren theils erblich, theils auf Lebenszeit, theils für
Stein, die Verwaltungslehre. VII. 18
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für das Gemeindevermögen, welche Frankreichs Organisation commu-
nale aufnimmt und welche von Frankreich aus zum Theil wörtlich in
die Gemeindeordnungen Deutſchlands übergegangen ſind: daß das Ge-
meindegut als perſönliches, einheitliches, und natürlich damit untheil-
bares Vermögen der Gemeinde verwaltet und für die Bedürfniſſe der
Gemeinde als Ganzes verwendet werden ſoll; und daß die Gemeinde
über die Subſtanz dieſes Vermögens nur unter der Zuſtimmung der
höheren Behörden verfügen darf. Dieſe Untheilbarkeit des Gemeinde-
gutes iſt nicht bloß an ſich entſchieden anerkannt, ſondern ſogar jede
Verfügung verboten, welche eine Theilung des Eigenthums als Conſe-
quenz nach ſich ziehen könnte und den Präfekten ausdrücklich zur Pflicht
gemacht, ſie zu verhindern (Avis du Conseil d’Etat vom 21. Februar
und 21. November 1838). Gemeindewaldungen dürfen ohnehin unter
keiner Bedingung aufgetheilt werden (Code forestier, art. 92). In dieſen
beiden elementaren Beſtimmungen iſt der Unterſchied zwiſchen Stadt- und
Landgemeinde aufgehoben, und ſtatt der Principien der Gemeinheits-
theilungen vielmehr der Grundſatz der Selbſtverwaltung der Gemeinde-
gründe zum Zwecke der Gemeinde grundſätzlich anerkannt. Die Ge-
meindeweide oder -Flur ſteht jetzt unter denſelben Grundſätzen, wie eben
die Schulhäuſer, Magiſtratsgebäude, Hallen, Kapitalien u. ſ. w. Das
ſchien nun wohl ſehr einfach.
In der Praxis jedoch geſtaltete ſich das ganze Verhältniß vermöge
der Natur der Gemeindefluren weſentlich anders. Nachdem der Grund-
ſatz des untheilbaren Vermögens anerkannt war, kam es darauf an,
die Gemeindeflur nun auch praktiſch zum Ertrag zu bringen. Und hier
nun traten die Verhältniſſe der vaine pâture und des parcours, von
dem wir ſogleich reden werden, in entſcheidender Weiſe ein. Da dieſe
nämlich das Recht auf eine Gemeinde weide wenigſtens zum Theil über-
flüſſig machten, ſo konnte eine Benutzung der Gemeindeflur weſentlich
nur durch Verleihung von beſtimmten Antheilen an die Mit-
glieder der Dorfgemeinde ausgeübt werden. Dieſe Verleihung
war daher wohl ſo alt, als jene vaine pâture und der parcours ſelbſt.
Für dieſe eben beſtanden deßhalb ſchon aus der früheren Zeit alte
Ordnungen, und es war gar nicht die Abſicht des Code rural, an
denſelben principiell etwas Weſentliches zu ändern. Dieß zum Theil
alte, zum Theil neugeordnete Syſtem der Vertheilung der Benutzung
hieß und heißt das Syſtem der „allotissements.“ Nach demſelben wird
die ganze Gemeindeflur in Looſe — allotissements — getheilt; zum
großen Theil ſind dieſelben bereits ſeit unvordenklichen Zeiten beſtimmt.
Dieſe allotissements theilten ſich ſchon vor der Revolution in drei
Kategorien. Sie waren theils erblich, theils auf Lebenszeit, theils für
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/291>, abgerufen am 28.07.2024.
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