gegenüber die allgemeine Bewegung der Gegenwart, so ist es kein Zweifel, daß wir einer neuen Gestalt dieser Frage entgegen gehen.
Was nun die Perioden betrifft, in denen der bisherige Proceß verläuft, so wird man die Mitte des vorigen Jahrhunderts bis gegen das Ende desselben als die der rein polizeilichen, gezwungenen, die des gegenwärtigen als die der vereinbarten Auftheilung bezeichnen. Gemeinsam ist beiden die Vorstellung, daß die Auftheilung eine von der Landwirthschaftspflege geforderte Maßregel sei, daß die Ver- waltung sie so viel als möglich zu unterstützen und zu fördern habe, so wie der fast gänzliche Mangel an jedem Verständniß des Gemeinde- lebens. In beiden Epochen geht auch hier die Literatur mit der Ge- setzgebung Hand in Hand, und bei aller Besonderheit ist doch der Charakter der Entwicklung in allen Theilen Deutschlands im Wesent- lichen gleich. Der stoffliche Inhalt beider Perioden ist im Wesentlichen folgender.
2) Die Zeit der polizeilichen Auftheilungen. Justi. FriedrichII. Wöllner. Runde. Frank.
Es ist höchst wahrscheinlich der Anstoß zu der ganzen Frage von der physiokratischen Schule ausgegangen, die überhaupt viel mehr Be- deutendes angeregt hat, als man gewöhnlich annimmt. Doch läßt sich äußerlich ein Einfluß nicht nachweisen. Fest steht nur, daß der erste (?), der sich auf das Entschiedenste für die Gemeinheitstheilung aussprach, wieder der eigentliche Vater der eudämonistischen Polizeiwissenschaft, Justi, ist, der zugleich der ganzen Frage diejenige Stellung gab, welche sie bis auf die Gegenwart behalten hat. Er verband sie einerseits mit der Landwirthschaftspflege überhaupt, andererseits mit dem Hauptprincip der gesammten Agrarverfassung. Bei ihm tritt bereits die Frage nach den großen und kleinen Gütern, die Zusammensetzung und Verkoppe- lung, zugleich mit der Frage der Entlastung (s. oben) und der Ge- meinheitstheilung auf (Grundfesten der Polizeiwissenschaft Bd. I. Buch V. Hauptst. 2. Abschn. von der Eintheilung der Aecker in gewisse Felder. 1760, §. 191). Er spricht sich entschieden für die Auftheilung aus, und zwar mit ganz bestimmter Begründung durch die Nachweisung der Nachtheile der Dreifelderwirthschaft, an deren Stelle er bereits die Einzelfütterung fordert; namentlich weist er zuerst die großen Nach- theile der "Hut- und Triftgerechtigkeit" nach (§. 202), und ist der erste, der England als Beispiel des Nutzens der Verkoppelung aufführt (§. 204), was ihm bis auf Thaer und auch noch jetzt vielfach ohne gründliches Eingehen auf die Sache nachgesprochen wird; ebenso eifert
gegenüber die allgemeine Bewegung der Gegenwart, ſo iſt es kein Zweifel, daß wir einer neuen Geſtalt dieſer Frage entgegen gehen.
Was nun die Perioden betrifft, in denen der bisherige Proceß verläuft, ſo wird man die Mitte des vorigen Jahrhunderts bis gegen das Ende deſſelben als die der rein polizeilichen, gezwungenen, die des gegenwärtigen als die der vereinbarten Auftheilung bezeichnen. Gemeinſam iſt beiden die Vorſtellung, daß die Auftheilung eine von der Landwirthſchaftspflege geforderte Maßregel ſei, daß die Ver- waltung ſie ſo viel als möglich zu unterſtützen und zu fördern habe, ſo wie der faſt gänzliche Mangel an jedem Verſtändniß des Gemeinde- lebens. In beiden Epochen geht auch hier die Literatur mit der Ge- ſetzgebung Hand in Hand, und bei aller Beſonderheit iſt doch der Charakter der Entwicklung in allen Theilen Deutſchlands im Weſent- lichen gleich. Der ſtoffliche Inhalt beider Perioden iſt im Weſentlichen folgender.
2) Die Zeit der polizeilichen Auftheilungen. Juſti. FriedrichII. Wöllner. Runde. Frank.
Es iſt höchſt wahrſcheinlich der Anſtoß zu der ganzen Frage von der phyſiokratiſchen Schule ausgegangen, die überhaupt viel mehr Be- deutendes angeregt hat, als man gewöhnlich annimmt. Doch läßt ſich äußerlich ein Einfluß nicht nachweiſen. Feſt ſteht nur, daß der erſte (?), der ſich auf das Entſchiedenſte für die Gemeinheitstheilung ausſprach, wieder der eigentliche Vater der eudämoniſtiſchen Polizeiwiſſenſchaft, Juſti, iſt, der zugleich der ganzen Frage diejenige Stellung gab, welche ſie bis auf die Gegenwart behalten hat. Er verband ſie einerſeits mit der Landwirthſchaftspflege überhaupt, andererſeits mit dem Hauptprincip der geſammten Agrarverfaſſung. Bei ihm tritt bereits die Frage nach den großen und kleinen Gütern, die Zuſammenſetzung und Verkoppe- lung, zugleich mit der Frage der Entlaſtung (ſ. oben) und der Ge- meinheitstheilung auf (Grundfeſten der Polizeiwiſſenſchaft Bd. I. Buch V. Hauptſt. 2. Abſchn. von der Eintheilung der Aecker in gewiſſe Felder. 1760, §. 191). Er ſpricht ſich entſchieden für die Auftheilung aus, und zwar mit ganz beſtimmter Begründung durch die Nachweiſung der Nachtheile der Dreifelderwirthſchaft, an deren Stelle er bereits die Einzelfütterung fordert; namentlich weist er zuerſt die großen Nach- theile der „Hut- und Triftgerechtigkeit“ nach (§. 202), und iſt der erſte, der England als Beiſpiel des Nutzens der Verkoppelung aufführt (§. 204), was ihm bis auf Thaer und auch noch jetzt vielfach ohne gründliches Eingehen auf die Sache nachgeſprochen wird; ebenſo eifert
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><p><pbfacs="#f0298"n="280"/>
gegenüber die allgemeine Bewegung der Gegenwart, ſo iſt es kein<lb/>
Zweifel, daß wir einer neuen Geſtalt dieſer Frage entgegen gehen.</p><lb/><p>Was nun die Perioden betrifft, in denen der bisherige Proceß<lb/>
verläuft, ſo wird man die Mitte des vorigen Jahrhunderts bis gegen<lb/>
das Ende deſſelben als die der rein polizeilichen, <hirendition="#g">gezwungenen</hi>, die<lb/>
des gegenwärtigen als die der <hirendition="#g">vereinbarten</hi> Auftheilung bezeichnen.<lb/>
Gemeinſam iſt beiden die Vorſtellung, daß die Auftheilung eine von<lb/>
der <hirendition="#g">Landwirthſchaftspflege</hi> geforderte Maßregel ſei, daß die Ver-<lb/>
waltung ſie ſo viel als möglich zu unterſtützen und zu fördern habe,<lb/>ſo wie der faſt gänzliche Mangel an jedem Verſtändniß des Gemeinde-<lb/>
lebens. In beiden Epochen geht auch hier die Literatur mit der Ge-<lb/>ſetzgebung Hand in Hand, und bei aller Beſonderheit iſt doch der<lb/>
Charakter der Entwicklung in allen Theilen Deutſchlands im Weſent-<lb/>
lichen gleich. Der ſtoffliche Inhalt beider Perioden iſt im Weſentlichen<lb/>
folgender.</p></div><lb/><divn="7"><head>2) <hirendition="#g">Die Zeit der polizeilichen Auftheilungen. Juſti. Friedrich</hi><hirendition="#aq">II.</hi><lb/><hirendition="#g">Wöllner. Runde. Frank</hi>.</head><lb/><p>Es iſt höchſt wahrſcheinlich der Anſtoß zu der ganzen Frage von<lb/>
der phyſiokratiſchen Schule ausgegangen, die überhaupt viel mehr Be-<lb/>
deutendes angeregt hat, als man gewöhnlich annimmt. Doch läßt ſich<lb/>
äußerlich ein Einfluß nicht nachweiſen. Feſt ſteht nur, daß der erſte (?),<lb/>
der ſich auf das Entſchiedenſte <hirendition="#g">für</hi> die Gemeinheitstheilung ausſprach,<lb/>
wieder der eigentliche Vater der eudämoniſtiſchen Polizeiwiſſenſchaft,<lb/><hirendition="#g">Juſti</hi>, iſt, der zugleich der ganzen Frage diejenige Stellung gab, welche<lb/>ſie bis auf die Gegenwart behalten hat. Er verband ſie einerſeits mit<lb/>
der Landwirthſchaftspflege überhaupt, andererſeits mit dem Hauptprincip<lb/>
der geſammten Agrarverfaſſung. Bei ihm tritt bereits die Frage nach<lb/>
den großen und kleinen Gütern, die Zuſammenſetzung und Verkoppe-<lb/>
lung, zugleich mit der Frage der Entlaſtung (ſ. oben) <hirendition="#g">und</hi> der Ge-<lb/>
meinheitstheilung auf (Grundfeſten der Polizeiwiſſenſchaft Bd. <hirendition="#aq">I.</hi> Buch <hirendition="#aq">V.</hi><lb/>
Hauptſt. 2. Abſchn. von der Eintheilung der Aecker in gewiſſe Felder.<lb/>
1760, §. 191). Er ſpricht ſich entſchieden <hirendition="#g">für</hi> die Auftheilung aus,<lb/>
und zwar mit ganz beſtimmter Begründung durch die Nachweiſung der<lb/>
Nachtheile der <hirendition="#g">Dreifelderwirthſchaft</hi>, an deren Stelle er bereits<lb/>
die Einzelfütterung fordert; namentlich weist er zuerſt die großen Nach-<lb/>
theile der „Hut- und Triftgerechtigkeit“ nach (§. 202), und iſt der erſte,<lb/>
der England als Beiſpiel des Nutzens der Verkoppelung aufführt<lb/>
(§. 204), was ihm bis auf <hirendition="#g">Thaer</hi> und auch noch jetzt vielfach ohne<lb/>
gründliches Eingehen auf die Sache nachgeſprochen wird; ebenſo eifert<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[280/0298]
gegenüber die allgemeine Bewegung der Gegenwart, ſo iſt es kein
Zweifel, daß wir einer neuen Geſtalt dieſer Frage entgegen gehen.
Was nun die Perioden betrifft, in denen der bisherige Proceß
verläuft, ſo wird man die Mitte des vorigen Jahrhunderts bis gegen
das Ende deſſelben als die der rein polizeilichen, gezwungenen, die
des gegenwärtigen als die der vereinbarten Auftheilung bezeichnen.
Gemeinſam iſt beiden die Vorſtellung, daß die Auftheilung eine von
der Landwirthſchaftspflege geforderte Maßregel ſei, daß die Ver-
waltung ſie ſo viel als möglich zu unterſtützen und zu fördern habe,
ſo wie der faſt gänzliche Mangel an jedem Verſtändniß des Gemeinde-
lebens. In beiden Epochen geht auch hier die Literatur mit der Ge-
ſetzgebung Hand in Hand, und bei aller Beſonderheit iſt doch der
Charakter der Entwicklung in allen Theilen Deutſchlands im Weſent-
lichen gleich. Der ſtoffliche Inhalt beider Perioden iſt im Weſentlichen
folgender.
2) Die Zeit der polizeilichen Auftheilungen. Juſti. Friedrich II.
Wöllner. Runde. Frank.
Es iſt höchſt wahrſcheinlich der Anſtoß zu der ganzen Frage von
der phyſiokratiſchen Schule ausgegangen, die überhaupt viel mehr Be-
deutendes angeregt hat, als man gewöhnlich annimmt. Doch läßt ſich
äußerlich ein Einfluß nicht nachweiſen. Feſt ſteht nur, daß der erſte (?),
der ſich auf das Entſchiedenſte für die Gemeinheitstheilung ausſprach,
wieder der eigentliche Vater der eudämoniſtiſchen Polizeiwiſſenſchaft,
Juſti, iſt, der zugleich der ganzen Frage diejenige Stellung gab, welche
ſie bis auf die Gegenwart behalten hat. Er verband ſie einerſeits mit
der Landwirthſchaftspflege überhaupt, andererſeits mit dem Hauptprincip
der geſammten Agrarverfaſſung. Bei ihm tritt bereits die Frage nach
den großen und kleinen Gütern, die Zuſammenſetzung und Verkoppe-
lung, zugleich mit der Frage der Entlaſtung (ſ. oben) und der Ge-
meinheitstheilung auf (Grundfeſten der Polizeiwiſſenſchaft Bd. I. Buch V.
Hauptſt. 2. Abſchn. von der Eintheilung der Aecker in gewiſſe Felder.
1760, §. 191). Er ſpricht ſich entſchieden für die Auftheilung aus,
und zwar mit ganz beſtimmter Begründung durch die Nachweiſung der
Nachtheile der Dreifelderwirthſchaft, an deren Stelle er bereits
die Einzelfütterung fordert; namentlich weist er zuerſt die großen Nach-
theile der „Hut- und Triftgerechtigkeit“ nach (§. 202), und iſt der erſte,
der England als Beiſpiel des Nutzens der Verkoppelung aufführt
(§. 204), was ihm bis auf Thaer und auch noch jetzt vielfach ohne
gründliches Eingehen auf die Sache nachgeſprochen wird; ebenſo eifert
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/298>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.