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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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nach vorhergegangener Aufmessung (bis Ende 1769) eingeführt, wofür
den neuen Besitzern die Zehentbefreiung auf dreißig Jahre zugestanden
ward; daher ward 1770 eine eigene Commission nach dem Muster der
preußischen bestellt; das Patent vom 14. März 1775 bestimmte nament-
lich den Antheil der Grundherren an der Gemeindeweide (die Hälfte
bei bisherigem gemeinschaftlichem Gebrauch). Stubenrauch Verwal-
tungsgesetzeskunde II. §. 447. Indessen haben alle diese und ähnliche
Vorschriften jener immerhin höchst strebsamen Zeit einen gemeinsamen
Charakter; die Gemeinheitstheilung erscheint nämlich stets nicht so sehr
als ein selbständiger Akt, sondern vielmehr als ein Theil des großen
Versuches der Verwaltung, überhaupt die weiten, damals öde liegen-
den Landstrecken unter Cultur zu setzen, die niedergelegten Bauernhöfe
wieder anzubauen und so nur überhaupt erst einmal die Landescultur
wieder lebendig zu machen, die durch den siebenjährigen Krieg furchtbar
gelitten hatte. Die Gemeinheitstheilungen wurden offenbar wesentlich
nur aufgenommen, insofern das Gemeindeland selbst öde und unbe-
nutzt lag; der Gedanke, daß diese an und für sich, auch bei regel-
mäßiger Benützung, stattfinden sollen, kommt nicht zur Geltung; von
den Aufgaben der Gemeinde als solcher ist noch keine Rede, und diese
Standpunkte faßt denn am besten das preußische Landrecht zu-
sammen in dem Satz, der den Uebergang zum 19. Jahrhundert bildet:
"Die von mehreren Dorfseinwohnern oder benachbarten Gutsbesitzern
bisher auf irgend eine Art gemeinschaftlich ausgeübte Benützung der
Grundstücke soll, zum Besten der allgemeinen Landescultur, so
viel als möglich aufgehoben werden. In allen Fällen findet jedoch
dergleichen Auseinandersetzung nur in so weit statt, als dadurch die
Landescultur im Ganzen befördert und gebessert wird" (Preußi-
sches allgemeines Landrecht I. 17. §. 311, 313). Das Gesammtresultat
der vierzigjährigen Arbeit, die mit Friedrich II. beginnt, ist daher am
Schlusse des vorigen Jahrhunderts das: im Allgemeinen scheint die
Auftheilung wünschenswerth für die Entwicklung der Landwirthschaft;
in jedem besondern Falle aber muß einerseits das Interesse der ein-
zelnen Gemeinde
und das Recht der Berechtigten die Entschei-
dung haben. Einen Zwang zur unbedingten Auftheilung gibt es daher
nicht; die Regierung kann die Sache höchstens anerkennen und indirekt
befördern.

3) Die Gemeinheitstheilung des 19. Jahrhunderts. Knaus.

Von diesem an sich einfachen Standpunkt geht nun die Gesetz-
gebung des 19. Jahrhunderts aus. Auch ihr kommt der Begriff und

nach vorhergegangener Aufmeſſung (bis Ende 1769) eingeführt, wofür
den neuen Beſitzern die Zehentbefreiung auf dreißig Jahre zugeſtanden
ward; daher ward 1770 eine eigene Commiſſion nach dem Muſter der
preußiſchen beſtellt; das Patent vom 14. März 1775 beſtimmte nament-
lich den Antheil der Grundherren an der Gemeindeweide (die Hälfte
bei bisherigem gemeinſchaftlichem Gebrauch). Stubenrauch Verwal-
tungsgeſetzeskunde II. §. 447. Indeſſen haben alle dieſe und ähnliche
Vorſchriften jener immerhin höchſt ſtrebſamen Zeit einen gemeinſamen
Charakter; die Gemeinheitstheilung erſcheint nämlich ſtets nicht ſo ſehr
als ein ſelbſtändiger Akt, ſondern vielmehr als ein Theil des großen
Verſuches der Verwaltung, überhaupt die weiten, damals öde liegen-
den Landſtrecken unter Cultur zu ſetzen, die niedergelegten Bauernhöfe
wieder anzubauen und ſo nur überhaupt erſt einmal die Landescultur
wieder lebendig zu machen, die durch den ſiebenjährigen Krieg furchtbar
gelitten hatte. Die Gemeinheitstheilungen wurden offenbar weſentlich
nur aufgenommen, inſofern das Gemeindeland ſelbſt öde und unbe-
nutzt lag; der Gedanke, daß dieſe an und für ſich, auch bei regel-
mäßiger Benützung, ſtattfinden ſollen, kommt nicht zur Geltung; von
den Aufgaben der Gemeinde als ſolcher iſt noch keine Rede, und dieſe
Standpunkte faßt denn am beſten das preußiſche Landrecht zu-
ſammen in dem Satz, der den Uebergang zum 19. Jahrhundert bildet:
„Die von mehreren Dorfseinwohnern oder benachbarten Gutsbeſitzern
bisher auf irgend eine Art gemeinſchaftlich ausgeübte Benützung der
Grundſtücke ſoll, zum Beſten der allgemeinen Landescultur, ſo
viel als möglich aufgehoben werden. In allen Fällen findet jedoch
dergleichen Auseinanderſetzung nur in ſo weit ſtatt, als dadurch die
Landescultur im Ganzen befördert und gebeſſert wird“ (Preußi-
ſches allgemeines Landrecht I. 17. §. 311, 313). Das Geſammtreſultat
der vierzigjährigen Arbeit, die mit Friedrich II. beginnt, iſt daher am
Schluſſe des vorigen Jahrhunderts das: im Allgemeinen ſcheint die
Auftheilung wünſchenswerth für die Entwicklung der Landwirthſchaft;
in jedem beſondern Falle aber muß einerſeits das Intereſſe der ein-
zelnen Gemeinde
und das Recht der Berechtigten die Entſchei-
dung haben. Einen Zwang zur unbedingten Auftheilung gibt es daher
nicht; die Regierung kann die Sache höchſtens anerkennen und indirekt
befördern.

3) Die Gemeinheitstheilung des 19. Jahrhunderts. Knaus.

Von dieſem an ſich einfachen Standpunkt geht nun die Geſetz-
gebung des 19. Jahrhunderts aus. Auch ihr kommt der Begriff und

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[285/0303] nach vorhergegangener Aufmeſſung (bis Ende 1769) eingeführt, wofür den neuen Beſitzern die Zehentbefreiung auf dreißig Jahre zugeſtanden ward; daher ward 1770 eine eigene Commiſſion nach dem Muſter der preußiſchen beſtellt; das Patent vom 14. März 1775 beſtimmte nament- lich den Antheil der Grundherren an der Gemeindeweide (die Hälfte bei bisherigem gemeinſchaftlichem Gebrauch). Stubenrauch Verwal- tungsgeſetzeskunde II. §. 447. Indeſſen haben alle dieſe und ähnliche Vorſchriften jener immerhin höchſt ſtrebſamen Zeit einen gemeinſamen Charakter; die Gemeinheitstheilung erſcheint nämlich ſtets nicht ſo ſehr als ein ſelbſtändiger Akt, ſondern vielmehr als ein Theil des großen Verſuches der Verwaltung, überhaupt die weiten, damals öde liegen- den Landſtrecken unter Cultur zu ſetzen, die niedergelegten Bauernhöfe wieder anzubauen und ſo nur überhaupt erſt einmal die Landescultur wieder lebendig zu machen, die durch den ſiebenjährigen Krieg furchtbar gelitten hatte. Die Gemeinheitstheilungen wurden offenbar weſentlich nur aufgenommen, inſofern das Gemeindeland ſelbſt öde und unbe- nutzt lag; der Gedanke, daß dieſe an und für ſich, auch bei regel- mäßiger Benützung, ſtattfinden ſollen, kommt nicht zur Geltung; von den Aufgaben der Gemeinde als ſolcher iſt noch keine Rede, und dieſe Standpunkte faßt denn am beſten das preußiſche Landrecht zu- ſammen in dem Satz, der den Uebergang zum 19. Jahrhundert bildet: „Die von mehreren Dorfseinwohnern oder benachbarten Gutsbeſitzern bisher auf irgend eine Art gemeinſchaftlich ausgeübte Benützung der Grundſtücke ſoll, zum Beſten der allgemeinen Landescultur, ſo viel als möglich aufgehoben werden. In allen Fällen findet jedoch dergleichen Auseinanderſetzung nur in ſo weit ſtatt, als dadurch die Landescultur im Ganzen befördert und gebeſſert wird“ (Preußi- ſches allgemeines Landrecht I. 17. §. 311, 313). Das Geſammtreſultat der vierzigjährigen Arbeit, die mit Friedrich II. beginnt, iſt daher am Schluſſe des vorigen Jahrhunderts das: im Allgemeinen ſcheint die Auftheilung wünſchenswerth für die Entwicklung der Landwirthſchaft; in jedem beſondern Falle aber muß einerſeits das Intereſſe der ein- zelnen Gemeinde und das Recht der Berechtigten die Entſchei- dung haben. Einen Zwang zur unbedingten Auftheilung gibt es daher nicht; die Regierung kann die Sache höchſtens anerkennen und indirekt befördern. 3) Die Gemeinheitstheilung des 19. Jahrhunderts. Knaus. Von dieſem an ſich einfachen Standpunkt geht nun die Geſetz- gebung des 19. Jahrhunderts aus. Auch ihr kommt der Begriff und

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 285. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/303>, abgerufen am 22.11.2024.