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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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verständlich in den Bergordnungen des 18. Jahrhunderts erhält und bis
auf die neueste Zeit fortpflanzt. Diese Bergordnungen (die bayerische
von 1784, die Josephinische von 1781 und das preußische allgemeine
Landrecht Th. II. Tit. 16, bei Wagner S. 389 ff., Häberlin
S. 24--31) bilden eigentlich das erste System des Enteignungsrechts;
doch kommt bei demselben weder Name noch Begriff der Expropriations-
rechte zur Geltung. Der Grund davon liegt offenbar in der Vorstel-
lung, daß diese Enteignungen noch nicht eben ein allgemeines staats-
bürgerliches Rechtsverhältniß enthalten, sondern immer nur auf ein-
zelne
, ganz örtliche Unternehmungen angewendet werden, und daher
den Charakter des Ausnahmerechts an sich tragen, und daher auch
meistens auf den Rechtstitel der Regalität zurückgeführt werden. Dieser
Standpunkt bleibt, als im 18. Jahrhundert dasselbe Princip auch auf
andere Verhältnisse, namentlich auf das Wasserrecht und speciell auf
die öffentliche Benutzung von Flüssen und schiffbaren Gewässern An-
wendung findet. Auch hier erscheint allerdings der Grundgedanke der
Wasserregalität. Allein die Gewässer sind denn doch viel allgemeiner
als die Bergwerke, und die Anerkennung der Nothwendigkeit, eine Ent-
eignung als Bedingung für die Benutzung solcher Gewässer eintreten
zu lassen, nimmt daher gleich anfangs den Charakter eines Princips
der allgemeinen Enteignung an. Der Hauptvertreter dieser Richtung
ist Ch. Fritsch (Jus fluviatium, Jenae 1672); zu einem ausgearbeiteten
Systeme wird dieselbe erhoben durch Cancrin, Abhandlungen von
dem Wasserrecht (4 Bde. Halle 1789--1800), ein Werk aus jener gründ-
lichen Zeit, in der man nicht glaubte, das Verwaltungsrecht als Po-
lizeiwissenschaft mit einigen allgemeinen Phrasen erledigen zu können.
(Vgl. Häberlin S. 31.) Aber auch jetzt noch kommt man noch nicht
zu dem Begriffe und Recht einer eigentlichen Enteignung; man sieht es
den Schriftstellern an, daß sie sich scheuen, den Rechtstitel der Enteig-
nung in einem allgemeinen Grundsatz zu suchen; ihre Kategorien sind
noch immer die des Privatrechts; die staatsbürgerliche Verwaltung ist
noch nicht durchgedrungen; es sind noch die ersten vereinzelten Schritte
für die Herstellung eines allgemeinen Rechtssystems, und in dieser Ver-
einzelung der Anwendung des Enteignungsrechts wesentlich auf Grund-
lage der Regalität besteht der Charakter dieser ersten Epoche der Ge-
schichte der Expropriation.

Allein schon in der Mitte des 18. Jahrhunderts hat die ganze
Auffassung des Staats und seiner Aufgabe sich eine neue Bahn ge-
brochen. Der Eudämonismus, die Idee, daß der Staat die Pflicht
und mithin auch das Recht habe, die Bedingungen des allgemeinen
Wohles herzustellen, wendet sich jetzt ganz allgemein dem Einzelrecht zu.

verſtändlich in den Bergordnungen des 18. Jahrhunderts erhält und bis
auf die neueſte Zeit fortpflanzt. Dieſe Bergordnungen (die bayeriſche
von 1784, die Joſephiniſche von 1781 und das preußiſche allgemeine
Landrecht Th. II. Tit. 16, bei Wagner S. 389 ff., Häberlin
S. 24—31) bilden eigentlich das erſte Syſtem des Enteignungsrechts;
doch kommt bei demſelben weder Name noch Begriff der Expropriations-
rechte zur Geltung. Der Grund davon liegt offenbar in der Vorſtel-
lung, daß dieſe Enteignungen noch nicht eben ein allgemeines ſtaats-
bürgerliches Rechtsverhältniß enthalten, ſondern immer nur auf ein-
zelne
, ganz örtliche Unternehmungen angewendet werden, und daher
den Charakter des Ausnahmerechts an ſich tragen, und daher auch
meiſtens auf den Rechtstitel der Regalität zurückgeführt werden. Dieſer
Standpunkt bleibt, als im 18. Jahrhundert daſſelbe Princip auch auf
andere Verhältniſſe, namentlich auf das Waſſerrecht und ſpeciell auf
die öffentliche Benutzung von Flüſſen und ſchiffbaren Gewäſſern An-
wendung findet. Auch hier erſcheint allerdings der Grundgedanke der
Waſſerregalität. Allein die Gewäſſer ſind denn doch viel allgemeiner
als die Bergwerke, und die Anerkennung der Nothwendigkeit, eine Ent-
eignung als Bedingung für die Benutzung ſolcher Gewäſſer eintreten
zu laſſen, nimmt daher gleich anfangs den Charakter eines Princips
der allgemeinen Enteignung an. Der Hauptvertreter dieſer Richtung
iſt Ch. Fritſch (Jus fluviatium, Jenae 1672); zu einem ausgearbeiteten
Syſteme wird dieſelbe erhoben durch Cancrin, Abhandlungen von
dem Waſſerrecht (4 Bde. Halle 1789—1800), ein Werk aus jener gründ-
lichen Zeit, in der man nicht glaubte, das Verwaltungsrecht als Po-
lizeiwiſſenſchaft mit einigen allgemeinen Phraſen erledigen zu können.
(Vgl. Häberlin S. 31.) Aber auch jetzt noch kommt man noch nicht
zu dem Begriffe und Recht einer eigentlichen Enteignung; man ſieht es
den Schriftſtellern an, daß ſie ſich ſcheuen, den Rechtstitel der Enteig-
nung in einem allgemeinen Grundſatz zu ſuchen; ihre Kategorien ſind
noch immer die des Privatrechts; die ſtaatsbürgerliche Verwaltung iſt
noch nicht durchgedrungen; es ſind noch die erſten vereinzelten Schritte
für die Herſtellung eines allgemeinen Rechtsſyſtems, und in dieſer Ver-
einzelung der Anwendung des Enteignungsrechts weſentlich auf Grund-
lage der Regalität beſteht der Charakter dieſer erſten Epoche der Ge-
ſchichte der Expropriation.

Allein ſchon in der Mitte des 18. Jahrhunderts hat die ganze
Auffaſſung des Staats und ſeiner Aufgabe ſich eine neue Bahn ge-
brochen. Der Eudämonismus, die Idee, daß der Staat die Pflicht
und mithin auch das Recht habe, die Bedingungen des allgemeinen
Wohles herzuſtellen, wendet ſich jetzt ganz allgemein dem Einzelrecht zu.

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[303/0321] verſtändlich in den Bergordnungen des 18. Jahrhunderts erhält und bis auf die neueſte Zeit fortpflanzt. Dieſe Bergordnungen (die bayeriſche von 1784, die Joſephiniſche von 1781 und das preußiſche allgemeine Landrecht Th. II. Tit. 16, bei Wagner S. 389 ff., Häberlin S. 24—31) bilden eigentlich das erſte Syſtem des Enteignungsrechts; doch kommt bei demſelben weder Name noch Begriff der Expropriations- rechte zur Geltung. Der Grund davon liegt offenbar in der Vorſtel- lung, daß dieſe Enteignungen noch nicht eben ein allgemeines ſtaats- bürgerliches Rechtsverhältniß enthalten, ſondern immer nur auf ein- zelne, ganz örtliche Unternehmungen angewendet werden, und daher den Charakter des Ausnahmerechts an ſich tragen, und daher auch meiſtens auf den Rechtstitel der Regalität zurückgeführt werden. Dieſer Standpunkt bleibt, als im 18. Jahrhundert daſſelbe Princip auch auf andere Verhältniſſe, namentlich auf das Waſſerrecht und ſpeciell auf die öffentliche Benutzung von Flüſſen und ſchiffbaren Gewäſſern An- wendung findet. Auch hier erſcheint allerdings der Grundgedanke der Waſſerregalität. Allein die Gewäſſer ſind denn doch viel allgemeiner als die Bergwerke, und die Anerkennung der Nothwendigkeit, eine Ent- eignung als Bedingung für die Benutzung ſolcher Gewäſſer eintreten zu laſſen, nimmt daher gleich anfangs den Charakter eines Princips der allgemeinen Enteignung an. Der Hauptvertreter dieſer Richtung iſt Ch. Fritſch (Jus fluviatium, Jenae 1672); zu einem ausgearbeiteten Syſteme wird dieſelbe erhoben durch Cancrin, Abhandlungen von dem Waſſerrecht (4 Bde. Halle 1789—1800), ein Werk aus jener gründ- lichen Zeit, in der man nicht glaubte, das Verwaltungsrecht als Po- lizeiwiſſenſchaft mit einigen allgemeinen Phraſen erledigen zu können. (Vgl. Häberlin S. 31.) Aber auch jetzt noch kommt man noch nicht zu dem Begriffe und Recht einer eigentlichen Enteignung; man ſieht es den Schriftſtellern an, daß ſie ſich ſcheuen, den Rechtstitel der Enteig- nung in einem allgemeinen Grundſatz zu ſuchen; ihre Kategorien ſind noch immer die des Privatrechts; die ſtaatsbürgerliche Verwaltung iſt noch nicht durchgedrungen; es ſind noch die erſten vereinzelten Schritte für die Herſtellung eines allgemeinen Rechtsſyſtems, und in dieſer Ver- einzelung der Anwendung des Enteignungsrechts weſentlich auf Grund- lage der Regalität beſteht der Charakter dieſer erſten Epoche der Ge- ſchichte der Expropriation. Allein ſchon in der Mitte des 18. Jahrhunderts hat die ganze Auffaſſung des Staats und ſeiner Aufgabe ſich eine neue Bahn ge- brochen. Der Eudämonismus, die Idee, daß der Staat die Pflicht und mithin auch das Recht habe, die Bedingungen des allgemeinen Wohles herzuſtellen, wendet ſich jetzt ganz allgemein dem Einzelrecht zu.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/321>, abgerufen am 22.11.2024.