Die Idee des dominium eminens verschwindet, aber die des Staats tritt an ihre Stelle. Die Verwaltung jener Zeit erkennt, daß sie, soll sie überhaupt ihre Aufgabe erfüllen, an den Schranken des Einzel- besitzes nicht stehen bleiben darf. Dieser Gedanke liegt schon unent- wickelt in dem Gegensatz zwischen den beiden Begriffen des imperium und des dominium eminens. Wir können hier nur darauf aufmerksam machen, daß jene Idee des imperium in der That den Staat und seine neue Stellung bedeutet, und den Rechtstitel der Handlungen des Staats in dem ethischen Wesen derselben sucht, während das dominium die- selben auf das historische, feudale Obereigenthum zurückführt, und damit dieses Recht auch da begränzt, wo das Obereigenthum aufhört, wäh- rend das imperium eine solche Grenze nur in der Idee des Staates selbst findet. Der Vater des wissenschaftlichen Begriffes des imperium ist Hobbes; von ihm geht derselbe nach Deutschland hinüber, und findet seine Substanz an dem bekannten Gegensatz zwischen Kaiser und Landesherrn; er erzeugt namentlich in der letzten Hälfte des 17. Jahr- hunderts jenen heftigen Kampf, an dessen Spitze die bedeutendsten pu- blicistischen Schriften des 17. Jahrhunderts stehen, der berühmteste von allen, der noch immer nicht gehörig ausgenutzte Hippolitus a La- pide: Diss. de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (Freistadt 1647) und seine großen Nachfolger, der "Monzambano" von Pufendorf und LeibnitzsCaesarinus Furstenerius. Die Anwen- dung der in diesen großen publicistischen Schriften vertretenen Grund- sätze der, in der Idee des Kaiserthums liegenden Idee des Staats auf specielle Rechtsfragen ist in einer Reihe von Schriften enthalten, die Bischof (S. 73) anführt. Die klarste Auffassung des ganzen Ver- hältnisses schon bei Multz(Repraesentatio Imperii p. 468): "Nemini suum auferendum, nisi cum inde universi plus utilitatis praeci- piunt, quam ille solus damnum patitur. Quod tamen ita commu- nibus impensis resarciendum, ut ipsi sua quoque pars imputetur." Hier sind die Elemente des Enteignungsverfahrens bereits im Wesent- lichen angedeutet, jedoch immer nur theils als Theorie, theils als Aus- nahmsfälle, dem Staatsnothrecht unterworfen (vergl. Bischof S. 63 f.) Erst mit dem 18. Jahrhundert formuliren sich diese Vorstellungen zu einem bestimmten, allgemeinen Princip, das zwar den Begriff des Noth- rechts oder des jus eminens von dem der Enteignung noch nicht recht zu scheiden weiß, aber über die Sache selbst vollkommen klar ist. Am besten wohl bezeichnet die damalige Auffassung Kreitmayr (vergl. Bayerische Städte- und Marktordnung von 1748 bei Häberlin S. 37) in seinen Bemerkungen zum Cod. Max. Bavaricus. Kap. vom Eigen- thum (Th. II. C. 2. § 2). "Im gleichen gehört das sogenannte dominium
Die Idee des dominium eminens verſchwindet, aber die des Staats tritt an ihre Stelle. Die Verwaltung jener Zeit erkennt, daß ſie, ſoll ſie überhaupt ihre Aufgabe erfüllen, an den Schranken des Einzel- beſitzes nicht ſtehen bleiben darf. Dieſer Gedanke liegt ſchon unent- wickelt in dem Gegenſatz zwiſchen den beiden Begriffen des imperium und des dominium eminens. Wir können hier nur darauf aufmerkſam machen, daß jene Idee des imperium in der That den Staat und ſeine neue Stellung bedeutet, und den Rechtstitel der Handlungen des Staats in dem ethiſchen Weſen derſelben ſucht, während das dominium die- ſelben auf das hiſtoriſche, feudale Obereigenthum zurückführt, und damit dieſes Recht auch da begränzt, wo das Obereigenthum aufhört, wäh- rend das imperium eine ſolche Grenze nur in der Idee des Staates ſelbſt findet. Der Vater des wiſſenſchaftlichen Begriffes des imperium iſt Hobbes; von ihm geht derſelbe nach Deutſchland hinüber, und findet ſeine Subſtanz an dem bekannten Gegenſatz zwiſchen Kaiſer und Landesherrn; er erzeugt namentlich in der letzten Hälfte des 17. Jahr- hunderts jenen heftigen Kampf, an deſſen Spitze die bedeutendſten pu- bliciſtiſchen Schriften des 17. Jahrhunderts ſtehen, der berühmteſte von allen, der noch immer nicht gehörig ausgenutzte Hippolitus a La- pide: Diss. de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico (Freiſtadt 1647) und ſeine großen Nachfolger, der „Monzambano“ von Pufendorf und LeibnitzsCaesarinus Furstenerius. Die Anwen- dung der in dieſen großen publiciſtiſchen Schriften vertretenen Grund- ſätze der, in der Idee des Kaiſerthums liegenden Idee des Staats auf ſpecielle Rechtsfragen iſt in einer Reihe von Schriften enthalten, die Biſchof (S. 73) anführt. Die klarſte Auffaſſung des ganzen Ver- hältniſſes ſchon bei Multz(Repraesentatio Imperii p. 468): „Nemini suum auferendum, nisi cum inde universi plus utilitatis praeci- piunt, quam ille solus damnum patitur. Quod tamen ita commu- nibus impensis resarciendum, ut ipsi sua quoque pars imputetur.“ Hier ſind die Elemente des Enteignungsverfahrens bereits im Weſent- lichen angedeutet, jedoch immer nur theils als Theorie, theils als Aus- nahmsfälle, dem Staatsnothrecht unterworfen (vergl. Biſchof S. 63 f.) Erſt mit dem 18. Jahrhundert formuliren ſich dieſe Vorſtellungen zu einem beſtimmten, allgemeinen Princip, das zwar den Begriff des Noth- rechts oder des jus eminens von dem der Enteignung noch nicht recht zu ſcheiden weiß, aber über die Sache ſelbſt vollkommen klar iſt. Am beſten wohl bezeichnet die damalige Auffaſſung Kreitmayr (vergl. Bayeriſche Städte- und Marktordnung von 1748 bei Häberlin S. 37) in ſeinen Bemerkungen zum Cod. Max. Bavaricus. Kap. vom Eigen- thum (Th. II. C. 2. § 2). „Im gleichen gehört das ſogenannte dominium
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ſie überhaupt ihre Aufgabe erfüllen, an den Schranken des Einzel-
beſitzes nicht ſtehen bleiben darf. Dieſer Gedanke liegt ſchon unent-
wickelt in dem Gegenſatz zwiſchen den beiden Begriffen des imperium
und des dominium eminens. Wir können hier nur darauf aufmerkſam
machen, daß jene Idee des imperium in der That den Staat und ſeine
neue Stellung bedeutet, und den Rechtstitel der Handlungen des Staats
in dem ethiſchen Weſen derſelben ſucht, während das dominium die-
ſelben auf das hiſtoriſche, feudale Obereigenthum zurückführt, und damit
dieſes Recht auch da begränzt, wo das Obereigenthum aufhört, wäh-
rend das imperium eine ſolche Grenze nur in der Idee des Staates
ſelbſt findet. Der Vater des wiſſenſchaftlichen Begriffes des imperium
iſt Hobbes; von ihm geht derſelbe nach Deutſchland hinüber, und
findet ſeine Subſtanz an dem bekannten Gegenſatz zwiſchen Kaiſer und
Landesherrn; er erzeugt namentlich in der letzten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts jenen heftigen Kampf, an deſſen Spitze die bedeutendſten pu-
bliciſtiſchen Schriften des 17. Jahrhunderts ſtehen, der berühmteſte von
allen, der noch immer nicht gehörig ausgenutzte Hippolitus a La-
pide: Diss. de ratione status in imperio nostro Romano-Germanico
(Freiſtadt 1647) und ſeine großen Nachfolger, der „Monzambano“ von
Pufendorf und Leibnitzs Caesarinus Furstenerius. Die Anwen-
dung der in dieſen großen publiciſtiſchen Schriften vertretenen Grund-
ſätze der, in der Idee des Kaiſerthums liegenden Idee des Staats auf
ſpecielle Rechtsfragen iſt in einer Reihe von Schriften enthalten, die
Biſchof (S. 73) anführt. Die klarſte Auffaſſung des ganzen Ver-
hältniſſes ſchon bei Multz (Repraesentatio Imperii p. 468): „Nemini
suum auferendum, nisi cum inde universi plus utilitatis praeci-
piunt, quam ille solus damnum patitur. Quod tamen ita commu-
nibus impensis resarciendum, ut ipsi sua quoque pars imputetur.“
Hier ſind die Elemente des Enteignungsverfahrens bereits im Weſent-
lichen angedeutet, jedoch immer nur theils als Theorie, theils als Aus-
nahmsfälle, dem Staatsnothrecht unterworfen (vergl. Biſchof S. 63 f.)
Erſt mit dem 18. Jahrhundert formuliren ſich dieſe Vorſtellungen zu
einem beſtimmten, allgemeinen Princip, das zwar den Begriff des Noth-
rechts oder des jus eminens von dem der Enteignung noch nicht
recht zu ſcheiden weiß, aber über die Sache ſelbſt vollkommen klar iſt.
Am beſten wohl bezeichnet die damalige Auffaſſung Kreitmayr (vergl.
Bayeriſche Städte- und Marktordnung von 1748 bei Häberlin S. 37)
in ſeinen Bemerkungen zum Cod. Max. Bavaricus. Kap. vom Eigen-
thum (Th. II. C. 2. § 2). „Im gleichen gehört das ſogenannte dominium
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 304. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/322>, abgerufen am 22.11.2024.
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