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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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waren, in gebückter Haltung durch den Teich und stachen schnell auf den Grund
nieder: die kutu wurden über die Fischchen gestülpt, und diese oben mit der
Hand hervorgeholt und in einem Hängekörbchen untergebracht. Als man so eine
Weile gearbeitet hatte, ging man von verschiedenen Seiten sich nach der Mitte
entgegen, wo die Reusen lagen, und suchte die Fische dort hineinzutreiben. Es
war ein lustiger Anblick: die Mädchen äusserst behende, die Männer weniger
flink, zumal der dicke Yapü anscheinend keineswegs in seinem Element, viel
Lachen und Plantschen, in der Luft einige gaukelnde Libellen und Brummbienen
ohne Zahl, am Ufer unter dem Baum eifrig kommentierend der alte Paleko, der
sich mit der linken Hand auf einen Stock stützte und unter dem Oberarm der-
selben Seite das sehr überflüssige Steinbeil angedrückt hielt. Die Fische hiessen
poniu oder poriu, der Jeju der Brasilier.

Das von mir bestellte Rindenkanu war schon am 18. September fertig
geworden; die Steinaxt hatte langsam, aber sehr sauber gearbeitet. Vier Männer
trugen das Fahrzeug zum Fluss; sie hatten sich auf die Schultern aus braunem
Bast geflochtene Ringe genau desselben Aussehens aufgesetzt, wie sie unsere Markt-
weiber auf dem Kopfe tragen.

Ich war nun über eine Woche allein bei den guten Bakairi und merkte,
dass sie etwas ungeduldig wurden. Sie fragten gar zu oft, wann die "jüngeren
Brüder" kämen. Was ich von Kostbarkeiten mit mir geführt hatte, war auch
längst in ihrem Besitz, sogar mein amema ikuto ("Figur der Eidechse"), ein
Reptil mit gläsernen Schuppen und rubinroten Augen, das sie gierig umworben
hatten, gehörte ihnen.

Aber unser gutes Einvernehmen blieb bis zur letzten Stunde dasselbe.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich am liebsten die ganze Regenzeit
bei ihnen zugebracht, obwohl ich einen säuerlichen Geschmack im Halse, von dem
ewigen Mehlessen, nicht mehr los wurde und auch von Verdauungsstörungen ge-
plagt wurde. Meine ersten Eindrücke über den friedfertigen und sympathischen
Charakter meiner Gastfreunde brauchten keine Korrektur zu erfahren. Die Alten
waren klug und sorglich, die Jungen kräftig und behend, die Frauen fleissig und
häuslich, Alle gutwillig, ein wenig eitel und mit Ausnahme einiger von ihren
Pflichten in Anspruch genommenen Mütter gleichmässig heiter und gesprächig.
Alle waren ehrlich. Nie hat mir Einer etwas genommen, oft hat man mir Ver-
lorenes gebracht, immer wurde, was ich eingetauscht hatte, als mein Eigentum
geachtet.

Kurz, Bakairi kura, die Bakairi sind gut. Es wäre lächerlich, sie im
Rousseau'schen Sinne misszuverstehen, denn von irgend welcher Idealität war
auch nicht die Spur zu entdecken; sie waren nichts als das Produkt sehr einfacher
und ungestörter Verhältnisse und gewährten dem Besucher, der mit seinen an
Bewegung und Kampf gewohnten Augen herantrat, das Bild einer "Idylle". Man
komme vom Giessbach, Strom oder Meer, man wird den Zauber einer stillen
Lagune empfinden, das ist Alles.


waren, in gebückter Haltung durch den Teich und stachen schnell auf den Grund
nieder: die kútu wurden über die Fischchen gestülpt, und diese oben mit der
Hand hervorgeholt und in einem Hängekörbchen untergebracht. Als man so eine
Weile gearbeitet hatte, ging man von verschiedenen Seiten sich nach der Mitte
entgegen, wo die Reusen lagen, und suchte die Fische dort hineinzutreiben. Es
war ein lustiger Anblick: die Mädchen äusserst behende, die Männer weniger
flink, zumal der dicke Yapü anscheinend keineswegs in seinem Element, viel
Lachen und Plantschen, in der Luft einige gaukelnde Libellen und Brummbienen
ohne Zahl, am Ufer unter dem Baum eifrig kommentierend der alte Paleko, der
sich mit der linken Hand auf einen Stock stützte und unter dem Oberarm der-
selben Seite das sehr überflüssige Steinbeil angedrückt hielt. Die Fische hiessen
poniú oder poriú, der Jejú der Brasilier.

Das von mir bestellte Rindenkanu war schon am 18. September fertig
geworden; die Steinaxt hatte langsam, aber sehr sauber gearbeitet. Vier Männer
trugen das Fahrzeug zum Fluss; sie hatten sich auf die Schultern aus braunem
Bast geflochtene Ringe genau desselben Aussehens aufgesetzt, wie sie unsere Markt-
weiber auf dem Kopfe tragen.

Ich war nun über eine Woche allein bei den guten Bakaïrí und merkte,
dass sie etwas ungeduldig wurden. Sie fragten gar zu oft, wann die »jüngeren
Brüder« kämen. Was ich von Kostbarkeiten mit mir geführt hatte, war auch
längst in ihrem Besitz, sogar mein améma ikúto (»Figur der Eidechse«), ein
Reptil mit gläsernen Schuppen und rubinroten Augen, das sie gierig umworben
hatten, gehörte ihnen.

Aber unser gutes Einvernehmen blieb bis zur letzten Stunde dasselbe.
Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich am liebsten die ganze Regenzeit
bei ihnen zugebracht, obwohl ich einen säuerlichen Geschmack im Halse, von dem
ewigen Mehlessen, nicht mehr los wurde und auch von Verdauungsstörungen ge-
plagt wurde. Meine ersten Eindrücke über den friedfertigen und sympathischen
Charakter meiner Gastfreunde brauchten keine Korrektur zu erfahren. Die Alten
waren klug und sorglich, die Jungen kräftig und behend, die Frauen fleissig und
häuslich, Alle gutwillig, ein wenig eitel und mit Ausnahme einiger von ihren
Pflichten in Anspruch genommenen Mütter gleichmässig heiter und gesprächig.
Alle waren ehrlich. Nie hat mir Einer etwas genommen, oft hat man mir Ver-
lorenes gebracht, immer wurde, was ich eingetauscht hatte, als mein Eigentum
geachtet.

Kurz, Bakaïrí kúra, die Bakaïrí sind gut. Es wäre lächerlich, sie im
Rousseau’schen Sinne misszuverstehen, denn von irgend welcher Idealität war
auch nicht die Spur zu entdecken; sie waren nichts als das Produkt sehr einfacher
und ungestörter Verhältnisse und gewährten dem Besucher, der mit seinen an
Bewegung und Kampf gewohnten Augen herantrat, das Bild einer »Idylle«. Man
komme vom Giessbach, Strom oder Meer, man wird den Zauber einer stillen
Lagune empfinden, das ist Alles.


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[74/0104] waren, in gebückter Haltung durch den Teich und stachen schnell auf den Grund nieder: die kútu wurden über die Fischchen gestülpt, und diese oben mit der Hand hervorgeholt und in einem Hängekörbchen untergebracht. Als man so eine Weile gearbeitet hatte, ging man von verschiedenen Seiten sich nach der Mitte entgegen, wo die Reusen lagen, und suchte die Fische dort hineinzutreiben. Es war ein lustiger Anblick: die Mädchen äusserst behende, die Männer weniger flink, zumal der dicke Yapü anscheinend keineswegs in seinem Element, viel Lachen und Plantschen, in der Luft einige gaukelnde Libellen und Brummbienen ohne Zahl, am Ufer unter dem Baum eifrig kommentierend der alte Paleko, der sich mit der linken Hand auf einen Stock stützte und unter dem Oberarm der- selben Seite das sehr überflüssige Steinbeil angedrückt hielt. Die Fische hiessen poniú oder poriú, der Jejú der Brasilier. Das von mir bestellte Rindenkanu war schon am 18. September fertig geworden; die Steinaxt hatte langsam, aber sehr sauber gearbeitet. Vier Männer trugen das Fahrzeug zum Fluss; sie hatten sich auf die Schultern aus braunem Bast geflochtene Ringe genau desselben Aussehens aufgesetzt, wie sie unsere Markt- weiber auf dem Kopfe tragen. Ich war nun über eine Woche allein bei den guten Bakaïrí und merkte, dass sie etwas ungeduldig wurden. Sie fragten gar zu oft, wann die »jüngeren Brüder« kämen. Was ich von Kostbarkeiten mit mir geführt hatte, war auch längst in ihrem Besitz, sogar mein améma ikúto (»Figur der Eidechse«), ein Reptil mit gläsernen Schuppen und rubinroten Augen, das sie gierig umworben hatten, gehörte ihnen. Aber unser gutes Einvernehmen blieb bis zur letzten Stunde dasselbe. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich am liebsten die ganze Regenzeit bei ihnen zugebracht, obwohl ich einen säuerlichen Geschmack im Halse, von dem ewigen Mehlessen, nicht mehr los wurde und auch von Verdauungsstörungen ge- plagt wurde. Meine ersten Eindrücke über den friedfertigen und sympathischen Charakter meiner Gastfreunde brauchten keine Korrektur zu erfahren. Die Alten waren klug und sorglich, die Jungen kräftig und behend, die Frauen fleissig und häuslich, Alle gutwillig, ein wenig eitel und mit Ausnahme einiger von ihren Pflichten in Anspruch genommenen Mütter gleichmässig heiter und gesprächig. Alle waren ehrlich. Nie hat mir Einer etwas genommen, oft hat man mir Ver- lorenes gebracht, immer wurde, was ich eingetauscht hatte, als mein Eigentum geachtet. Kurz, Bakaïrí kúra, die Bakaïrí sind gut. Es wäre lächerlich, sie im Rousseau’schen Sinne misszuverstehen, denn von irgend welcher Idealität war auch nicht die Spur zu entdecken; sie waren nichts als das Produkt sehr einfacher und ungestörter Verhältnisse und gewährten dem Besucher, der mit seinen an Bewegung und Kampf gewohnten Augen herantrat, das Bild einer »Idylle«. Man komme vom Giessbach, Strom oder Meer, man wird den Zauber einer stillen Lagune empfinden, das ist Alles.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/104>, abgerufen am 23.11.2024.