I. Gemeinsamer Aufbruch und Besuch der drei Bakairidörfer.
Independencia während meiner Abwesenheit. Vorbereitungen zur Abreise. Nach dem ersten Bakairi- dorf. Photographieren. Puppe überreicht. Nach dem zweiten Bakairidorf. Flussfahrt. Gastfreund- schaft. Vermummung zum Holen der Speisen. Nachttanz. Fries im Häuptlingshaus. Nach dem dritten Bakairidorf. Begrüssungsreden. Sammlung. Der erste Nahuqua. Körpermessung und Perlen.
Am 19. September 1887 kamen Ehrenreich und Vogel an. Wir fuhren gemeinsam zu dem zweiten Dorf der Bakairi, wo wir noch ein Kanu erwarben und kehrten zum ersten Dorf zurück. Jene brachen dann am 24. September zur Independencia auf, und ich folgte ihnen am 25., überholte sie noch, da Carlos fieberkrank war, und am 26. waren wir alle wieder in der Independencia ver- einigt. Tumayaua und Luchu hatten mich begleitet und konnten jetzt das "Wau- wau" am Original studieren. Unsern Besuch der zweiten Bakairi möchte ich hier noch nicht schildern, sondern bei dem Bericht über den späteren gemeinsamen anfügen, damit die Kreuz- und Querwege den Ueberblick nicht erschweren.
Ich war also vom 8.--26. September von der Independencia abwesend gewesen. Es lässt sich denken, mit welchem Gefühl der Erlösung Wilhelm und Perrot unsere Kanus begrüssten.
Die Maultiere hatten ihnen und dem alten Januario viele Sorgen gemacht. Tag um Tag fehlte bald dieses, bald jenes. Januario hatte ein Tier einmal von dem zweitnächsten Lagerplatz der Herreise zurückholen müssen und war so immer unterwegs gewesen. Inzwischen war auf der Queimada frisches junges Gras auf- geschossen und damit die Zukunft gesichert. Die Esel waren in gutem Zustande, sie fingen bereits an, fett zu werden, verwilderten schon und kamen täglich zur Tränke an einen Tümpel. Nur "Balisa", der "Pfahl", hatte sich ein mit Maden gefülltes Loch auf dem Rücken zugelegt. "Tormenta" war den Qualen des Daseins entrückt worden. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, frass das Gras nicht mehr, das man ihm sorglich vorschnitt, und lag eines Morgens tot auf dem Sandstrand.
VI. KAPITEL.
I. Gemeinsamer Aufbruch und Besuch der drei Bakaïrídörfer.
Independencia während meiner Abwesenheit. Vorbereitungen zur Abreise. Nach dem ersten Bakaïrí- dorf. Photographieren. Puppe überreicht. Nach dem zweiten Bakaïrídorf. Flussfahrt. Gastfreund- schaft. Vermummung zum Holen der Speisen. Nachttanz. Fries im Häuptlingshaus. Nach dem dritten Bakaïrídorf. Begrüssungsreden. Sammlung. Der erste Nahuquá. Körpermessung und Perlen.
Am 19. September 1887 kamen Ehrenreich und Vogel an. Wir fuhren gemeinsam zu dem zweiten Dorf der Bakaïrí, wo wir noch ein Kanu erwarben und kehrten zum ersten Dorf zurück. Jene brachen dann am 24. September zur Independencia auf, und ich folgte ihnen am 25., überholte sie noch, da Carlos fieberkrank war, und am 26. waren wir alle wieder in der Independencia ver- einigt. Tumayaua und Luchu hatten mich begleitet und konnten jetzt das »Wau- wau« am Original studieren. Unsern Besuch der zweiten Bakaïrí möchte ich hier noch nicht schildern, sondern bei dem Bericht über den späteren gemeinsamen anfügen, damit die Kreuz- und Querwege den Ueberblick nicht erschweren.
Ich war also vom 8.—26. September von der Independencia abwesend gewesen. Es lässt sich denken, mit welchem Gefühl der Erlösung Wilhelm und Perrot unsere Kanus begrüssten.
Die Maultiere hatten ihnen und dem alten Januario viele Sorgen gemacht. Tag um Tag fehlte bald dieses, bald jenes. Januario hatte ein Tier einmal von dem zweitnächsten Lagerplatz der Herreise zurückholen müssen und war so immer unterwegs gewesen. Inzwischen war auf der Queimada frisches junges Gras auf- geschossen und damit die Zukunft gesichert. Die Esel waren in gutem Zustande, sie fingen bereits an, fett zu werden, verwilderten schon und kamen täglich zur Tränke an einen Tümpel. Nur »Balisa«, der »Pfahl«, hatte sich ein mit Maden gefülltes Loch auf dem Rücken zugelegt. »Tormenta« war den Qualen des Daseins entrückt worden. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, frass das Gras nicht mehr, das man ihm sorglich vorschnitt, und lag eines Morgens tot auf dem Sandstrand.
<TEI><text><body><pbfacs="#f0112"n="[82]"/><divn="1"><head>VI. <hirendition="#g">KAPITEL</hi>.<lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></head><divn="2"><head><hirendition="#b">I. Gemeinsamer Aufbruch und Besuch<lb/>
der drei Bakaïrídörfer.</hi></head><lb/><argument><p><hirendition="#c">Independencia während meiner Abwesenheit. Vorbereitungen zur Abreise. Nach dem ersten Bakaïrí-<lb/>
dorf. Photographieren. Puppe überreicht. Nach dem zweiten Bakaïrídorf. Flussfahrt. Gastfreund-<lb/>
schaft. Vermummung zum Holen der Speisen. Nachttanz. Fries im Häuptlingshaus. Nach dem<lb/>
dritten Bakaïrídorf. Begrüssungsreden. Sammlung. Der erste Nahuquá. Körpermessung und Perlen.</hi></p></argument><lb/><p>Am 19. September 1887 kamen Ehrenreich und Vogel an. Wir fuhren<lb/>
gemeinsam zu dem <hirendition="#g">zweiten</hi> Dorf der Bakaïrí, wo wir noch ein Kanu erwarben<lb/>
und kehrten zum ersten Dorf zurück. Jene brachen dann am 24. September<lb/>
zur Independencia auf, und ich folgte ihnen am 25., überholte sie noch, da Carlos<lb/>
fieberkrank war, und am 26. waren wir alle wieder in der Independencia ver-<lb/>
einigt. Tumayaua und Luchu hatten mich begleitet und konnten jetzt das »Wau-<lb/>
wau« am Original studieren. Unsern Besuch der zweiten Bakaïrí möchte ich hier<lb/>
noch nicht schildern, sondern bei dem Bericht über den späteren gemeinsamen<lb/>
anfügen, damit die Kreuz- und Querwege den Ueberblick nicht erschweren.</p><lb/><p>Ich war also vom 8.—26. September von der Independencia abwesend<lb/>
gewesen. Es lässt sich denken, mit welchem Gefühl der Erlösung Wilhelm und<lb/>
Perrot unsere Kanus begrüssten.</p><lb/><p>Die Maultiere hatten ihnen und dem alten Januario viele Sorgen gemacht.<lb/>
Tag um Tag fehlte bald dieses, bald jenes. Januario hatte ein Tier einmal von<lb/>
dem zweitnächsten Lagerplatz der Herreise zurückholen müssen und war so immer<lb/>
unterwegs gewesen. Inzwischen war auf der Queimada frisches junges Gras auf-<lb/>
geschossen und damit die Zukunft gesichert. Die Esel waren in gutem Zustande,<lb/>
sie fingen bereits an, fett zu werden, verwilderten schon und kamen täglich zur<lb/>
Tränke an einen Tümpel. Nur »Balisa«, der »Pfahl«, hatte sich ein mit Maden<lb/>
gefülltes Loch auf dem Rücken zugelegt. »Tormenta« war den Qualen des<lb/>
Daseins entrückt worden. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, frass<lb/>
das Gras nicht mehr, das man ihm sorglich vorschnitt, und lag eines Morgens<lb/>
tot auf dem Sandstrand.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[[82]/0112]
VI. KAPITEL.
I. Gemeinsamer Aufbruch und Besuch
der drei Bakaïrídörfer.
Independencia während meiner Abwesenheit. Vorbereitungen zur Abreise. Nach dem ersten Bakaïrí-
dorf. Photographieren. Puppe überreicht. Nach dem zweiten Bakaïrídorf. Flussfahrt. Gastfreund-
schaft. Vermummung zum Holen der Speisen. Nachttanz. Fries im Häuptlingshaus. Nach dem
dritten Bakaïrídorf. Begrüssungsreden. Sammlung. Der erste Nahuquá. Körpermessung und Perlen.
Am 19. September 1887 kamen Ehrenreich und Vogel an. Wir fuhren
gemeinsam zu dem zweiten Dorf der Bakaïrí, wo wir noch ein Kanu erwarben
und kehrten zum ersten Dorf zurück. Jene brachen dann am 24. September
zur Independencia auf, und ich folgte ihnen am 25., überholte sie noch, da Carlos
fieberkrank war, und am 26. waren wir alle wieder in der Independencia ver-
einigt. Tumayaua und Luchu hatten mich begleitet und konnten jetzt das »Wau-
wau« am Original studieren. Unsern Besuch der zweiten Bakaïrí möchte ich hier
noch nicht schildern, sondern bei dem Bericht über den späteren gemeinsamen
anfügen, damit die Kreuz- und Querwege den Ueberblick nicht erschweren.
Ich war also vom 8.—26. September von der Independencia abwesend
gewesen. Es lässt sich denken, mit welchem Gefühl der Erlösung Wilhelm und
Perrot unsere Kanus begrüssten.
Die Maultiere hatten ihnen und dem alten Januario viele Sorgen gemacht.
Tag um Tag fehlte bald dieses, bald jenes. Januario hatte ein Tier einmal von
dem zweitnächsten Lagerplatz der Herreise zurückholen müssen und war so immer
unterwegs gewesen. Inzwischen war auf der Queimada frisches junges Gras auf-
geschossen und damit die Zukunft gesichert. Die Esel waren in gutem Zustande,
sie fingen bereits an, fett zu werden, verwilderten schon und kamen täglich zur
Tränke an einen Tümpel. Nur »Balisa«, der »Pfahl«, hatte sich ein mit Maden
gefülltes Loch auf dem Rücken zugelegt. »Tormenta« war den Qualen des
Daseins entrückt worden. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten, frass
das Gras nicht mehr, das man ihm sorglich vorschnitt, und lag eines Morgens
tot auf dem Sandstrand.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. [82]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/112>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.