auf die Reise mitgenommen. Die Beiden kamen rasch vorwärts, obwohl sie an jedem günstigen Ort auf's Fischen bedacht waren. Den grossen Zauberer hatten wir an einer Salmiakflasche riechen lassen, was ihn nicht wenig entsetzt hatte. Er war seither nicht mehr zu verführen, irgend etwas von unsern Dingen zu beriechen. Wenn bei uns Jemand in einer Ecke ruft, dass es dort stinkt, so läuft Alles hin und schnüffelt.
Nach dem dritten Bakairidorf (Kuyaqualieti).
Der Hafen, bei dem wir um 43/4 Uhr ankamen, lag am Ende einer seitwärts eingeschnittenen Bucht und wäre ohne Führer nicht zu finden gewesen.
Am nächsten Morgen, dem 6. Oktober, brachen wir um 7 Uhr zum Dorfe auf und erreichten es in dreiviertel Stunden auf dem üblichen geschlängelten Waldpfad. Unterwegs sahen wir eine grosse menschliche Gestalt in Baumrinde eingeschnitzt mit drei Fingern an den Händen und strumpfartigen Füssen.
Harpyen-Dorf, "kuyaquali-eti", hatte auch nur drei Häuser und ein Flöten- haus, war aber das belebteste der drei Dörfer. Ich zählte 31 Männer und unge- fähr ebensoviel Frauen und Kinder. Doch waren die letzeren zum Teil in den Wald gelaufen. Es mochten an 100 Seelen im Dorfe sein. Der Häuptling Porisa war ein kleiner freundlicher Herr; er hatte Nachts Beiju backen lassen. Wir sassen inmitten des grossen Platzes in einer langen Reihe nieder. Jedem wurde eine Trinkschale gebracht, mir wurde die grösste nebst einer Zigarre zu Teil. Die Begrüssungsreden wurden jetzt mit grosser Geläufigkeit ausgetauscht.
ama, du = das bist du. ehe ura, ja, ich = gewiss, das bin ich. bakairi ura, ich (bin ein) Bakairi. kkharaiba ura, ich (bin ein) Karaibe. bakairi kkhura, (die) Bakairi (sind) gut. kkharaiba iwakulukulu, (die) Karaiben (sind) sehr gut. pima ama? (bist) du (der) Häuptling? pima ura, ich (bin der) Häuptling.
Jedem Karaiben hockte ein Bakairi gegenüber und bewunderte ihn und was er anhatte. Die schwedischen Zündhölzer, Messer, Spiegel, Knöpfe, Perlen, -- es war immer derselbe Kursus. Nur fand bei Porisa mein Tagebuch die meiste Anerkennung und waren es nicht die beschriebenen, oder mit Zeichnungen bedeckten, sondern die weissen leeren Blätter, die ihm Ausrufe des Entzückens entlockten. Wir schritten auch paarweise, Arm in Arm, auf dem Platze umher, in verbindlicher Unterhaltung. Ausführlich studierten wir die geographische Ver- teilung der Kulisehu-Stämme, doch blieben die Wohnorte der Trumai nach wie vor unklar.
Das Flötenhaus war gross und geräumig, sein Dach zerfallen, viel Stroh lag drinnen auf dem Boden, und hier, wie in den Häusern, vermissten wir die Sauberkeit, die uns in den andern Dörfern so wohlgethan hatte. Vor dem Flötenhaus fand sich, auf Querhölzern aufruhend, ein mächtiger hohler Baum- stamm hingestreckt -- einen Morcego- (Fledermaus) Baum nannten ihn unsere
auf die Reise mitgenommen. Die Beiden kamen rasch vorwärts, obwohl sie an jedem günstigen Ort auf’s Fischen bedacht waren. Den grossen Zauberer hatten wir an einer Salmiakflasche riechen lassen, was ihn nicht wenig entsetzt hatte. Er war seither nicht mehr zu verführen, irgend etwas von unsern Dingen zu beriechen. Wenn bei uns Jemand in einer Ecke ruft, dass es dort stinkt, so läuft Alles hin und schnüffelt.
Nach dem dritten Bakaïrídorf (Kuyaqualiéti).
Der Hafen, bei dem wir um 4¾ Uhr ankamen, lag am Ende einer seitwärts eingeschnittenen Bucht und wäre ohne Führer nicht zu finden gewesen.
Am nächsten Morgen, dem 6. Oktober, brachen wir um 7 Uhr zum Dorfe auf und erreichten es in dreiviertel Stunden auf dem üblichen geschlängelten Waldpfad. Unterwegs sahen wir eine grosse menschliche Gestalt in Baumrinde eingeschnitzt mit drei Fingern an den Händen und strumpfartigen Füssen.
Harpyen-Dorf, „kuyaquali-éti“, hatte auch nur drei Häuser und ein Flöten- haus, war aber das belebteste der drei Dörfer. Ich zählte 31 Männer und unge- fähr ebensoviel Frauen und Kinder. Doch waren die letzeren zum Teil in den Wald gelaufen. Es mochten an 100 Seelen im Dorfe sein. Der Häuptling Porisa war ein kleiner freundlicher Herr; er hatte Nachts Beijú backen lassen. Wir sassen inmitten des grossen Platzes in einer langen Reihe nieder. Jedem wurde eine Trinkschale gebracht, mir wurde die grösste nebst einer Zigarre zu Teil. Die Begrüssungsreden wurden jetzt mit grosser Geläufigkeit ausgetauscht.
áma, du = das bist du. ehé úra, ja, ich = gewiss, das bin ich. bakaïrí úra, ich (bin ein) Bakaïrí. kχaráiba úra, ich (bin ein) Karaibe. bakaïrí kχúra, (die) Bakaïrí (sind) gut. kχaráiba iwakulukúlu, (die) Karaiben (sind) sehr gut. píma áma? (bist) du (der) Häuptling? píma úra, ich (bin der) Häuptling.
Jedem Karaiben hockte ein Bakaïrí gegenüber und bewunderte ihn und was er anhatte. Die schwedischen Zündhölzer, Messer, Spiegel, Knöpfe, Perlen, — es war immer derselbe Kursus. Nur fand bei Porisa mein Tagebuch die meiste Anerkennung und waren es nicht die beschriebenen, oder mit Zeichnungen bedeckten, sondern die weissen leeren Blätter, die ihm Ausrufe des Entzückens entlockten. Wir schritten auch paarweise, Arm in Arm, auf dem Platze umher, in verbindlicher Unterhaltung. Ausführlich studierten wir die geographische Ver- teilung der Kulisehu-Stämme, doch blieben die Wohnorte der Trumaí nach wie vor unklar.
Das Flötenhaus war gross und geräumig, sein Dach zerfallen, viel Stroh lag drinnen auf dem Boden, und hier, wie in den Häusern, vermissten wir die Sauberkeit, die uns in den andern Dörfern so wohlgethan hatte. Vor dem Flötenhaus fand sich, auf Querhölzern aufruhend, ein mächtiger hohler Baum- stamm hingestreckt — einen Morcego- (Fledermaus) Baum nannten ihn unsere
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[92/0122]
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an jedem günstigen Ort auf’s Fischen bedacht waren. Den grossen Zauberer
hatten wir an einer Salmiakflasche riechen lassen, was ihn nicht wenig entsetzt
hatte. Er war seither nicht mehr zu verführen, irgend etwas von unsern Dingen
zu beriechen. Wenn bei uns Jemand in einer Ecke ruft, dass es dort stinkt, so
läuft Alles hin und schnüffelt.
Nach dem dritten Bakaïrídorf (Kuyaqualiéti).
Der Hafen, bei dem wir um 4¾ Uhr ankamen, lag am Ende einer seitwärts
eingeschnittenen Bucht und wäre ohne Führer nicht zu finden gewesen.
Am nächsten Morgen, dem 6. Oktober, brachen wir um 7 Uhr zum Dorfe
auf und erreichten es in dreiviertel Stunden auf dem üblichen geschlängelten
Waldpfad. Unterwegs sahen wir eine grosse menschliche Gestalt in Baumrinde
eingeschnitzt mit drei Fingern an den Händen und strumpfartigen Füssen.
Harpyen-Dorf, „kuyaquali-éti“, hatte auch nur drei Häuser und ein Flöten-
haus, war aber das belebteste der drei Dörfer. Ich zählte 31 Männer und unge-
fähr ebensoviel Frauen und Kinder. Doch waren die letzeren zum Teil in den
Wald gelaufen. Es mochten an 100 Seelen im Dorfe sein. Der Häuptling Porisa
war ein kleiner freundlicher Herr; er hatte Nachts Beijú backen lassen. Wir
sassen inmitten des grossen Platzes in einer langen Reihe nieder. Jedem wurde
eine Trinkschale gebracht, mir wurde die grösste nebst einer Zigarre zu Teil.
Die Begrüssungsreden wurden jetzt mit grosser Geläufigkeit ausgetauscht.
áma, du = das bist du. ehé úra, ja, ich = gewiss, das bin ich. bakaïrí úra,
ich (bin ein) Bakaïrí. kχaráiba úra, ich (bin ein) Karaibe. bakaïrí kχúra, (die)
Bakaïrí (sind) gut. kχaráiba iwakulukúlu, (die) Karaiben (sind) sehr gut. píma áma?
(bist) du (der) Häuptling? píma úra, ich (bin der) Häuptling.
Jedem Karaiben hockte ein Bakaïrí gegenüber und bewunderte ihn und
was er anhatte. Die schwedischen Zündhölzer, Messer, Spiegel, Knöpfe, Perlen,
— es war immer derselbe Kursus. Nur fand bei Porisa mein Tagebuch die
meiste Anerkennung und waren es nicht die beschriebenen, oder mit Zeichnungen
bedeckten, sondern die weissen leeren Blätter, die ihm Ausrufe des Entzückens
entlockten. Wir schritten auch paarweise, Arm in Arm, auf dem Platze umher,
in verbindlicher Unterhaltung. Ausführlich studierten wir die geographische Ver-
teilung der Kulisehu-Stämme, doch blieben die Wohnorte der Trumaí nach wie
vor unklar.
Das Flötenhaus war gross und geräumig, sein Dach zerfallen, viel Stroh
lag drinnen auf dem Boden, und hier, wie in den Häusern, vermissten wir die
Sauberkeit, die uns in den andern Dörfern so wohlgethan hatte. Vor dem
Flötenhaus fand sich, auf Querhölzern aufruhend, ein mächtiger hohler Baum-
stamm hingestreckt — einen Morcego- (Fledermaus) Baum nannten ihn unsere
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/122>, abgerufen am 23.11.2024.
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