schuldigte sich, dass er abwesend gewesen sei und von dem Geschehenen nichts wisse. Da nahm ich ihn bei der Hand und brachte ihn, während er sehr ungern hinterdrein wackelte, zum Flötenhause. Hier beschrieb ich ihm den Vorgang an Ort und Stelle, drohte: "mehinaku kura, karaiba kura; mehinaku kurapa, karaiba kurapa" = wenn der Mehinaku gut ist, ist auch der Karaibe gut, wenn der Mehinaku schlecht ist, ist auch der Karaibe schlecht, und feuerte zu seinem Schrecken einen Revolverschuss in den Mittelpfosten. Sofort erhob sich draussen ein lautes Heulen und verwirrtes Durcheinanderrennen. Der Alte verschwand, indem er zitternd versicherte, suchen zu wollen. Tumayaua spähte durch die Gucklöcher im Strohdach und beobachtete mit grossem Genuss die Szenen draussen, lief dann kichernd zum Pfosten und untersuchte den Schusskanal.
Den Rest des Tages hielt man sich von mir fern, nur zwei Kamayura, Besucher des Dorfes, setzten sich zu mir vor die Festhütte und liessen sich examinieren. Demonstrativ beschenkte ich sie reichlich und erhielt von ihnen auch das Versprechen, dass wir bei ihrem Stamm gut aufgenommen werden würden. Nach ihrer Beschreibung war nicht der Alte, den ich zur Rede gestellt hatte, sondern der zweite Häuptling der Mehinaku, der mir wegen seines unzu- friedenen Gesichtes von Anfang an aufgefallen war, in höchsteigener Person der Dieb meiner Sachen.
Am nächsten Morgen brach schon um 4 Uhr ein Heidenlärm los. In der Nacht war es still gewesen, nur ab und zu hörte man draussen husten, ein Be- weis, dass die Mehinaku wachsam waren; gegen Morgen hatten wir ein sehr heftiges Gewitter, vor der Thür bildete sich ein Wassertümpel und machte den Eingang fast unpassierbar. Das Gewitter hatte ich herbeigerufen. Draussen wurden viele Reden gehalten. Entweder stand einer allein auf dem Platz und sprach mit lauter Stimme, oder, und das war das Gewöhnliche, die Redner hatten sich vor der Thür ihres Hauses aufgestellt. Mehr und mehr leuchtete mir der Humor der ganzen Geschichte ein. Wie die Helden dort vor der Thüre ihres Hauses standen und feierlich sprachen, war es eine klassische und urepische Situation. Ich liess mich zum Frieden bewegen und nahm zu Aller Freude ein Beiju an, der mir frisch duftend von der Schüssel gebracht wurde und auch vor- trefflich schmeckte. So hatte die Episode ihr Ende; dass alles gut ablief, war um so angenehmer, als sich später zu meinem Entsetzen herausstellte, dass grade der Kompass aus dem einfachen Grunde mir nicht gestohlen worden sein konnte, weil ich ihn gar nicht bei mir gehabt hatte. Auf unseren Verkehr hat das Inter- mezzo aber insofern einen sehr günstigen Einfluss ausgeübt, als die guten Mehinaku von jetzt ab höflicher wurden und mir nicht mehr mit ungeduldigem Drängen zusetzten.
Die Versöhnung war dadurch erleichtert worden, dass einer der bei den Nahuqua getroffenen Mehinaku, der mich nur von der guten Seite kannte, inzwischen angekommen war. Am Nachmittag erschienen auch Wilhelm und Vogel, während Ehrenreich krank im Hafen zurückblieb und das Dorf erst bei
schuldigte sich, dass er abwesend gewesen sei und von dem Geschehenen nichts wisse. Da nahm ich ihn bei der Hand und brachte ihn, während er sehr ungern hinterdrein wackelte, zum Flötenhause. Hier beschrieb ich ihm den Vorgang an Ort und Stelle, drohte: „mehinakú kúra, karáiba kúra; mehinakú kurápa, karáiba kurápa“ = wenn der Mehinakú gut ist, ist auch der Karaibe gut, wenn der Mehinakú schlecht ist, ist auch der Karaibe schlecht, und feuerte zu seinem Schrecken einen Revolverschuss in den Mittelpfosten. Sofort erhob sich draussen ein lautes Heulen und verwirrtes Durcheinanderrennen. Der Alte verschwand, indem er zitternd versicherte, suchen zu wollen. Tumayaua spähte durch die Gucklöcher im Strohdach und beobachtete mit grossem Genuss die Szenen draussen, lief dann kichernd zum Pfosten und untersuchte den Schusskanal.
Den Rest des Tages hielt man sich von mir fern, nur zwei Kamayurá, Besucher des Dorfes, setzten sich zu mir vor die Festhütte und liessen sich examinieren. Demonstrativ beschenkte ich sie reichlich und erhielt von ihnen auch das Versprechen, dass wir bei ihrem Stamm gut aufgenommen werden würden. Nach ihrer Beschreibung war nicht der Alte, den ich zur Rede gestellt hatte, sondern der zweite Häuptling der Mehinakú, der mir wegen seines unzu- friedenen Gesichtes von Anfang an aufgefallen war, in höchsteigener Person der Dieb meiner Sachen.
Am nächsten Morgen brach schon um 4 Uhr ein Heidenlärm los. In der Nacht war es still gewesen, nur ab und zu hörte man draussen husten, ein Be- weis, dass die Mehinakú wachsam waren; gegen Morgen hatten wir ein sehr heftiges Gewitter, vor der Thür bildete sich ein Wassertümpel und machte den Eingang fast unpassierbar. Das Gewitter hatte ich herbeigerufen. Draussen wurden viele Reden gehalten. Entweder stand einer allein auf dem Platz und sprach mit lauter Stimme, oder, und das war das Gewöhnliche, die Redner hatten sich vor der Thür ihres Hauses aufgestellt. Mehr und mehr leuchtete mir der Humor der ganzen Geschichte ein. Wie die Helden dort vor der Thüre ihres Hauses standen und feierlich sprachen, war es eine klassische und urepische Situation. Ich liess mich zum Frieden bewegen und nahm zu Aller Freude ein Beijú an, der mir frisch duftend von der Schüssel gebracht wurde und auch vor- trefflich schmeckte. So hatte die Episode ihr Ende; dass alles gut ablief, war um so angenehmer, als sich später zu meinem Entsetzen herausstellte, dass grade der Kompass aus dem einfachen Grunde mir nicht gestohlen worden sein konnte, weil ich ihn gar nicht bei mir gehabt hatte. Auf unseren Verkehr hat das Inter- mezzo aber insofern einen sehr günstigen Einfluss ausgeübt, als die guten Mehinakú von jetzt ab höflicher wurden und mir nicht mehr mit ungeduldigem Drängen zusetzten.
Die Versöhnung war dadurch erleichtert worden, dass einer der bei den Nahuquá getroffenen Mehinakú, der mich nur von der guten Seite kannte, inzwischen angekommen war. Am Nachmittag erschienen auch Wilhelm und Vogel, während Ehrenreich krank im Hafen zurückblieb und das Dorf erst bei
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[105/0139]
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hinterdrein wackelte, zum Flötenhause. Hier beschrieb ich ihm den Vorgang an
Ort und Stelle, drohte: „mehinakú kúra, karáiba kúra; mehinakú kurápa, karáiba
kurápa“ = wenn der Mehinakú gut ist, ist auch der Karaibe gut, wenn der
Mehinakú schlecht ist, ist auch der Karaibe schlecht, und feuerte zu seinem
Schrecken einen Revolverschuss in den Mittelpfosten. Sofort erhob sich draussen
ein lautes Heulen und verwirrtes Durcheinanderrennen. Der Alte verschwand,
indem er zitternd versicherte, suchen zu wollen. Tumayaua spähte durch die
Gucklöcher im Strohdach und beobachtete mit grossem Genuss die Szenen
draussen, lief dann kichernd zum Pfosten und untersuchte den Schusskanal.
Den Rest des Tages hielt man sich von mir fern, nur zwei Kamayurá,
Besucher des Dorfes, setzten sich zu mir vor die Festhütte und liessen sich
examinieren. Demonstrativ beschenkte ich sie reichlich und erhielt von ihnen
auch das Versprechen, dass wir bei ihrem Stamm gut aufgenommen werden
würden. Nach ihrer Beschreibung war nicht der Alte, den ich zur Rede gestellt
hatte, sondern der zweite Häuptling der Mehinakú, der mir wegen seines unzu-
friedenen Gesichtes von Anfang an aufgefallen war, in höchsteigener Person der
Dieb meiner Sachen.
Am nächsten Morgen brach schon um 4 Uhr ein Heidenlärm los. In der
Nacht war es still gewesen, nur ab und zu hörte man draussen husten, ein Be-
weis, dass die Mehinakú wachsam waren; gegen Morgen hatten wir ein sehr
heftiges Gewitter, vor der Thür bildete sich ein Wassertümpel und machte den
Eingang fast unpassierbar. Das Gewitter hatte ich herbeigerufen. Draussen
wurden viele Reden gehalten. Entweder stand einer allein auf dem Platz und
sprach mit lauter Stimme, oder, und das war das Gewöhnliche, die Redner hatten
sich vor der Thür ihres Hauses aufgestellt. Mehr und mehr leuchtete mir der
Humor der ganzen Geschichte ein. Wie die Helden dort vor der Thüre ihres
Hauses standen und feierlich sprachen, war es eine klassische und urepische
Situation. Ich liess mich zum Frieden bewegen und nahm zu Aller Freude ein
Beijú an, der mir frisch duftend von der Schüssel gebracht wurde und auch vor-
trefflich schmeckte. So hatte die Episode ihr Ende; dass alles gut ablief, war
um so angenehmer, als sich später zu meinem Entsetzen herausstellte, dass grade
der Kompass aus dem einfachen Grunde mir nicht gestohlen worden sein konnte,
weil ich ihn gar nicht bei mir gehabt hatte. Auf unseren Verkehr hat das Inter-
mezzo aber insofern einen sehr günstigen Einfluss ausgeübt, als die guten
Mehinakú von jetzt ab höflicher wurden und mir nicht mehr mit ungeduldigem
Drängen zusetzten.
Die Versöhnung war dadurch erleichtert worden, dass einer der bei den
Nahuquá getroffenen Mehinakú, der mich nur von der guten Seite kannte,
inzwischen angekommen war. Am Nachmittag erschienen auch Wilhelm und
Vogel, während Ehrenreich krank im Hafen zurückblieb und das Dorf erst bei
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/139>, abgerufen am 27.11.2024.
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