gegen die linke des Andern vor, beide sprangen in dieser Haltung immer hockend blitzschnell und erbosten Affen nicht unähnlich auf demselben Fleck unermüdlich herum und suchten sich am Kopf zu ergreifen und herabzuducken. Das ging eine lange Weile hin, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Plötzlich sprangen sie auf und holten scharf zupackend nach ihren Köpfen aus. Es gelang aber Keinem trotz eifrigem Bemühen, den Andern zu treffen und niederzureissen. Zum Schluss wurden sie sehr vergnügt und umfassten sich freundschaftlich die Schultern. Ein eigentliches Ringen kam nicht zu Stande; Hauptsache schien die Gewandtheit zu sein, mit der man es vermied, von dem Gegner plötzlich am Kopf gefasst und niedergerissen zu werden. Das Publikum verhielt sich bis auf einige lachende Kritiker regungslos. Nur weckte es allgemeine Heiterkeit, als Einer, der offenbar als Sieger galt, dem Andern das Bein unter dem Knie emporhob.
V. Zu den Yaulapiti.
Die Arauiti im Auetödorf. Fahrt durch Kanäle und über die Uya-Lagune. Ein armes Dorf. Der Zauberer Moritona. Empfang des blinden Häuptlings. Zurück zu den Auetö und wieder zu den Yaulapiti. Zweites Yaulapitidorf.
Wir trafen einzelne Yaulapiti bei den Mehinaku und Auetö. Sie gehören nach Sprachverwandtschaft zu den Nu-Aruak, stellen aber eine von den Mehinaku, Kustenau und Waura bereits dialektisch ziemlich stark verschiedene Form dar.
In der Nähe des Auetödorfes, ein paar hundert Schritt entfernt, standen zwei Häuser, wo Auetömänner und Yaulapitifrauen wohnten. Die Familien standen, ich weiss nicht, aus welchen Ursachen, in wenig freundschaftlichem Ver- hältnis zu dem Auetödorf und rechneten sich entschieden mehr zu den Yaulapiti. Sie führten den besonderen Namen der Arauiti; trotzdem dass es sich nur -- zu unserer Zeit wenigstens -- um zwei Familien handelte, diente die Bezeichnung Arauiti schon vollständig als Stammesname. Der Suyahäuptling, der uns 1884 die Flusskarte des Quellgebiets in den Sand zeichnete, erwähnte die Arauiti unmittelbar neben den Auetö.
Am 18. Oktober fuhr ich mit Antonio und Tumayaua unter Führung eines Yaulapiti am Nachmittag von dem Auetöhafen ab, um die Yaulapiti aufzunehmen. Der Kanal hatte nicht mehr als 4--5 m Breite; ringsumher umgab uns das Bild der Sumpflandschaft. Zahlreiche Seitenkanäle mündeten ein, besonders als sich unser Arm gelegentlich zu 12 bis 15 m Breite erweiterte. Es war schwer zu begreifen, wie man sich in diesem Gewirr zurechtfinden konnte. Zahlreiche Seiten- kanäle erschienen mit Gras gefüllt und von einer schmutzigen Vegetationsdecke überzogen. Soweit das Auge reichte, blickte es in ein Heer von Buritipalmen, von den hochstämmigen, ausgewachsenen, mit schöner Fächerkrone, bis zu den jüngsten herab, die dem überall wachsenden Schilfgras sehr ähnlich sahen. Nach einer Stunde passierten wir einen kleinen elenden Rancho, der zwischen einigen
gegen die linke des Andern vor, beide sprangen in dieser Haltung immer hockend blitzschnell und erbosten Affen nicht unähnlich auf demselben Fleck unermüdlich herum und suchten sich am Kopf zu ergreifen und herabzuducken. Das ging eine lange Weile hin, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Plötzlich sprangen sie auf und holten scharf zupackend nach ihren Köpfen aus. Es gelang aber Keinem trotz eifrigem Bemühen, den Andern zu treffen und niederzureissen. Zum Schluss wurden sie sehr vergnügt und umfassten sich freundschaftlich die Schultern. Ein eigentliches Ringen kam nicht zu Stande; Hauptsache schien die Gewandtheit zu sein, mit der man es vermied, von dem Gegner plötzlich am Kopf gefasst und niedergerissen zu werden. Das Publikum verhielt sich bis auf einige lachende Kritiker regungslos. Nur weckte es allgemeine Heiterkeit, als Einer, der offenbar als Sieger galt, dem Andern das Bein unter dem Knie emporhob.
V. Zu den Yaulapiti.
Die Arauití im Auetö́dorf. Fahrt durch Kanäle und über die Uyá-Lagune. Ein armes Dorf. Der Zauberer Moritona. Empfang des blinden Häuptlings. Zurück zu den Auetö́ und wieder zu den Yaulapiti. Zweites Yaulapitidorf.
Wir trafen einzelne Yaulapiti bei den Mehinakú und Auetö́. Sie gehören nach Sprachverwandtschaft zu den Nu-Aruak, stellen aber eine von den Mehinakú, Kustenaú und Waurá bereits dialektisch ziemlich stark verschiedene Form dar.
In der Nähe des Auetö́dorfes, ein paar hundert Schritt entfernt, standen zwei Häuser, wo Auetö́männer und Yaulapitifrauen wohnten. Die Familien standen, ich weiss nicht, aus welchen Ursachen, in wenig freundschaftlichem Ver- hältnis zu dem Auetö́dorf und rechneten sich entschieden mehr zu den Yaulapiti. Sie führten den besonderen Namen der Arauití; trotzdem dass es sich nur — zu unserer Zeit wenigstens — um zwei Familien handelte, diente die Bezeichnung Arauití schon vollständig als Stammesname. Der Suyáhäuptling, der uns 1884 die Flusskarte des Quellgebiets in den Sand zeichnete, erwähnte die Arauití unmittelbar neben den Auetö́.
Am 18. Oktober fuhr ich mit Antonio und Tumayaua unter Führung eines Yaulapiti am Nachmittag von dem Auetö́hafen ab, um die Yaulapiti aufzunehmen. Der Kanal hatte nicht mehr als 4—5 m Breite; ringsumher umgab uns das Bild der Sumpflandschaft. Zahlreiche Seitenkanäle mündeten ein, besonders als sich unser Arm gelegentlich zu 12 bis 15 m Breite erweiterte. Es war schwer zu begreifen, wie man sich in diesem Gewirr zurechtfinden konnte. Zahlreiche Seiten- kanäle erschienen mit Gras gefüllt und von einer schmutzigen Vegetationsdecke überzogen. Soweit das Auge reichte, blickte es in ein Heer von Buritípalmen, von den hochstämmigen, ausgewachsenen, mit schöner Fächerkrone, bis zu den jüngsten herab, die dem überall wachsenden Schilfgras sehr ähnlich sahen. Nach einer Stunde passierten wir einen kleinen elenden Rancho, der zwischen einigen
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blitzschnell und erbosten Affen nicht unähnlich auf demselben Fleck unermüdlich
herum und suchten sich am Kopf zu ergreifen und herabzuducken. Das ging
eine lange Weile hin, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Plötzlich sprangen
sie auf und holten scharf zupackend nach ihren Köpfen aus. Es gelang aber
Keinem trotz eifrigem Bemühen, den Andern zu treffen und niederzureissen.
Zum Schluss wurden sie sehr vergnügt und umfassten sich freundschaftlich die
Schultern. Ein eigentliches Ringen kam nicht zu Stande; Hauptsache schien die
Gewandtheit zu sein, mit der man es vermied, von dem Gegner plötzlich am
Kopf gefasst und niedergerissen zu werden. Das Publikum verhielt sich bis auf
einige lachende Kritiker regungslos. Nur weckte es allgemeine Heiterkeit, als
Einer, der offenbar als Sieger galt, dem Andern das Bein unter dem Knie emporhob.
V. Zu den Yaulapiti.
Die Arauití im Auetö́dorf. Fahrt durch Kanäle und über die Uyá-Lagune. Ein armes Dorf. Der
Zauberer Moritona. Empfang des blinden Häuptlings. Zurück zu den Auetö́ und wieder zu den
Yaulapiti. Zweites Yaulapitidorf.
Wir trafen einzelne Yaulapiti bei den Mehinakú und Auetö́. Sie gehören
nach Sprachverwandtschaft zu den Nu-Aruak, stellen aber eine von den Mehinakú,
Kustenaú und Waurá bereits dialektisch ziemlich stark verschiedene Form dar.
In der Nähe des Auetö́dorfes, ein paar hundert Schritt entfernt, standen
zwei Häuser, wo Auetö́männer und Yaulapitifrauen wohnten. Die Familien
standen, ich weiss nicht, aus welchen Ursachen, in wenig freundschaftlichem Ver-
hältnis zu dem Auetö́dorf und rechneten sich entschieden mehr zu den Yaulapiti.
Sie führten den besonderen Namen der Arauití; trotzdem dass es sich nur —
zu unserer Zeit wenigstens — um zwei Familien handelte, diente die Bezeichnung
Arauití schon vollständig als Stammesname. Der Suyáhäuptling, der uns 1884 die
Flusskarte des Quellgebiets in den Sand zeichnete, erwähnte die Arauití unmittelbar
neben den Auetö́.
Am 18. Oktober fuhr ich mit Antonio und Tumayaua unter Führung eines
Yaulapiti am Nachmittag von dem Auetö́hafen ab, um die Yaulapiti aufzunehmen.
Der Kanal hatte nicht mehr als 4—5 m Breite; ringsumher umgab uns das Bild
der Sumpflandschaft. Zahlreiche Seitenkanäle mündeten ein, besonders als sich
unser Arm gelegentlich zu 12 bis 15 m Breite erweiterte. Es war schwer zu
begreifen, wie man sich in diesem Gewirr zurechtfinden konnte. Zahlreiche Seiten-
kanäle erschienen mit Gras gefüllt und von einer schmutzigen Vegetationsdecke
überzogen. Soweit das Auge reichte, blickte es in ein Heer von Buritípalmen,
von den hochstämmigen, ausgewachsenen, mit schöner Fächerkrone, bis zu den
jüngsten herab, die dem überall wachsenden Schilfgras sehr ähnlich sahen. Nach
einer Stunde passierten wir einen kleinen elenden Rancho, der zwischen einigen
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/145>, abgerufen am 23.11.2024.
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