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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Wir fanden vier Hütten und den ortsüblichen Vogelkäfig, in dem eine ge-
waltige Harpye gehalten wurde. Man schien uns noch nicht erwartet zu haben;
einige Personen redeten uns an und liessen uns auf Schemel niedersitzen, aber
erst nach geraumer Weile, nachdem eine grössere Gesellschaft, Männer und Frauen
von der Pflanzung heimgekehrt war, spielte sich die eigentliche Empfangszene
ab. Die Reden fielen uns sowohl durch ihre Länge wie durch ihren litaneienhaften
Ton auf, sie waren auch von längeren, unerfreulichen Pausen unterbrochen.
Schliesslich rückten auch Getränke und Zigarren an, und als wir den Wunsch
nach Mangaven aussprachen, wurden sie in grosser Menge herbeigebracht. Diese
Früchte hatten hier bei Weitem den grössten Wohlgeschmack.

Die Kamayura sprachen einen echten Tupidialekt, die von den Jesuiten
als Lingoa geral verbreitete Sprache der alten Küstenstämme, die mit dem
Guarani der Paraguayer nahezu identisch ist. Sie hat das Gros aller von den
Einheimischen übernommenen Namen geliefert. Als wir nun in der Unterhaltung
feststellten, dass wir eine Menge von Namen für Tiere, Pflanzen und Geräte, was
gleich für die Beijus und Mangaven (beiju, mangab) zutraf, mit dem Kamayura
gemein hatten, war das Entzücken gross.

Ein Flötenhaus gab es in diesem Dorfe nicht. Zum ersten Mal geschah
es, dass uns eine bewohnte Hütte, deren eine Hälfte man frei machte, zum Auf-
enthalt angewiesen wurde. Man war dort beschäftigt, auf einer Beijuschüssel
grosse geflügelte Ameisen zu rösten; sie schmeckten knusperig und zart, ähnlich
wie gebrannte Mandeln oder Nüsse; ohne zu wissen, was ich verspeiste, würde
ich nicht an Insekten gedacht haben, da der Geschmack nichts Widerliches oder
Weichliches enthielt.

Einen halben Kilometer westlich befand sich ein zweites Dorf, sieben Häuser
und eine angefangene Festhütte. Es lag am nächsten der schönen Lagune der
Kamayura. Von dem Platz aus hatte man einen reizenden Fernblick über üppiges
Schilfrohr hinüber auf das von der Sonne beschienene blaue Wasser. Dort be-
grüsste uns der Häuptling Akautschiki, der an einer Kniegelenkentzündung litt
und auf eine Suyakeule gestützt herankam. Es wurden uns zwei Jaguar- und
zwei Vogelschemel hingesetzt. Wieder wurde unser Sprachschatz aus der Lingoa
geral mit dem der Kamayura verglichen; unsere Gastfreunde erklärten uns
für ihre Brüder und bekräftigten ihre Worte mit der für dieses Verwandschafts-
verhältnis am Schingu üblichen Geberde, dass sie sich auf den Nabel deuteten.
In den Häusern fanden wir eine Anzahl Tanzmasken sowohl aus Holz wie aus
Baumwollgeflecht. Wurfhölzer waren ebenfalls überall vorhanden. Nirgendwo
sahen wir so schönen Tanzschmuck, sie hatten prächtige Federdiademe und
Federbänder, eine Art Federmantel und mit Fischzähnen verzierte Tanzstäbe.

Als wir den 22. Oktober an dem schönen Sandstrand der Lagune badeten,
traf einmal wieder eine böse Nachricht ein, welche die Gesellschaft in Aufregung
versetzte: zwei Trumai seien angekommen und hätten neue Unthaten der Suya
gemeldet. In der Geschichte, die uns zum grössten Teile dunkel blieb, spielte

Wir fanden vier Hütten und den ortsüblichen Vogelkäfig, in dem eine ge-
waltige Harpye gehalten wurde. Man schien uns noch nicht erwartet zu haben;
einige Personen redeten uns an und liessen uns auf Schemel niedersitzen, aber
erst nach geraumer Weile, nachdem eine grössere Gesellschaft, Männer und Frauen
von der Pflanzung heimgekehrt war, spielte sich die eigentliche Empfangszene
ab. Die Reden fielen uns sowohl durch ihre Länge wie durch ihren litaneienhaften
Ton auf, sie waren auch von längeren, unerfreulichen Pausen unterbrochen.
Schliesslich rückten auch Getränke und Zigarren an, und als wir den Wunsch
nach Mangaven aussprachen, wurden sie in grosser Menge herbeigebracht. Diese
Früchte hatten hier bei Weitem den grössten Wohlgeschmack.

Die Kamayurá sprachen einen echten Tupídialekt, die von den Jesuiten
als Lingoa geral verbreitete Sprache der alten Küstenstämme, die mit dem
Guaraní der Paraguayer nahezu identisch ist. Sie hat das Gros aller von den
Einheimischen übernommenen Namen geliefert. Als wir nun in der Unterhaltung
feststellten, dass wir eine Menge von Namen für Tiere, Pflanzen und Geräte, was
gleich für die Beijús und Mangaven (beijú, mangáb) zutraf, mit dem Kamayurá
gemein hatten, war das Entzücken gross.

Ein Flötenhaus gab es in diesem Dorfe nicht. Zum ersten Mal geschah
es, dass uns eine bewohnte Hütte, deren eine Hälfte man frei machte, zum Auf-
enthalt angewiesen wurde. Man war dort beschäftigt, auf einer Beijúschüssel
grosse geflügelte Ameisen zu rösten; sie schmeckten knusperig und zart, ähnlich
wie gebrannte Mandeln oder Nüsse; ohne zu wissen, was ich verspeiste, würde
ich nicht an Insekten gedacht haben, da der Geschmack nichts Widerliches oder
Weichliches enthielt.

Einen halben Kilometer westlich befand sich ein zweites Dorf, sieben Häuser
und eine angefangene Festhütte. Es lag am nächsten der schönen Lagune der
Kamayurá. Von dem Platz aus hatte man einen reizenden Fernblick über üppiges
Schilfrohr hinüber auf das von der Sonne beschienene blaue Wasser. Dort be-
grüsste uns der Häuptling Akautschikí, der an einer Kniegelenkentzündung litt
und auf eine Suyákeule gestützt herankam. Es wurden uns zwei Jaguar- und
zwei Vogelschemel hingesetzt. Wieder wurde unser Sprachschatz aus der Lingoa
geral mit dem der Kamayurá verglichen; unsere Gastfreunde erklärten uns
für ihre Brüder und bekräftigten ihre Worte mit der für dieses Verwandschafts-
verhältnis am Schingú üblichen Geberde, dass sie sich auf den Nabel deuteten.
In den Häusern fanden wir eine Anzahl Tanzmasken sowohl aus Holz wie aus
Baumwollgeflecht. Wurfhölzer waren ebenfalls überall vorhanden. Nirgendwo
sahen wir so schönen Tanzschmuck, sie hatten prächtige Federdiademe und
Federbänder, eine Art Federmantel und mit Fischzähnen verzierte Tanzstäbe.

Als wir den 22. Oktober an dem schönen Sandstrand der Lagune badeten,
traf einmal wieder eine böse Nachricht ein, welche die Gesellschaft in Aufregung
versetzte: zwei Trumaí seien angekommen und hätten neue Unthaten der Suyá
gemeldet. In der Geschichte, die uns zum grössten Teile dunkel blieb, spielte

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[116/0150] Wir fanden vier Hütten und den ortsüblichen Vogelkäfig, in dem eine ge- waltige Harpye gehalten wurde. Man schien uns noch nicht erwartet zu haben; einige Personen redeten uns an und liessen uns auf Schemel niedersitzen, aber erst nach geraumer Weile, nachdem eine grössere Gesellschaft, Männer und Frauen von der Pflanzung heimgekehrt war, spielte sich die eigentliche Empfangszene ab. Die Reden fielen uns sowohl durch ihre Länge wie durch ihren litaneienhaften Ton auf, sie waren auch von längeren, unerfreulichen Pausen unterbrochen. Schliesslich rückten auch Getränke und Zigarren an, und als wir den Wunsch nach Mangaven aussprachen, wurden sie in grosser Menge herbeigebracht. Diese Früchte hatten hier bei Weitem den grössten Wohlgeschmack. Die Kamayurá sprachen einen echten Tupídialekt, die von den Jesuiten als Lingoa geral verbreitete Sprache der alten Küstenstämme, die mit dem Guaraní der Paraguayer nahezu identisch ist. Sie hat das Gros aller von den Einheimischen übernommenen Namen geliefert. Als wir nun in der Unterhaltung feststellten, dass wir eine Menge von Namen für Tiere, Pflanzen und Geräte, was gleich für die Beijús und Mangaven (beijú, mangáb) zutraf, mit dem Kamayurá gemein hatten, war das Entzücken gross. Ein Flötenhaus gab es in diesem Dorfe nicht. Zum ersten Mal geschah es, dass uns eine bewohnte Hütte, deren eine Hälfte man frei machte, zum Auf- enthalt angewiesen wurde. Man war dort beschäftigt, auf einer Beijúschüssel grosse geflügelte Ameisen zu rösten; sie schmeckten knusperig und zart, ähnlich wie gebrannte Mandeln oder Nüsse; ohne zu wissen, was ich verspeiste, würde ich nicht an Insekten gedacht haben, da der Geschmack nichts Widerliches oder Weichliches enthielt. Einen halben Kilometer westlich befand sich ein zweites Dorf, sieben Häuser und eine angefangene Festhütte. Es lag am nächsten der schönen Lagune der Kamayurá. Von dem Platz aus hatte man einen reizenden Fernblick über üppiges Schilfrohr hinüber auf das von der Sonne beschienene blaue Wasser. Dort be- grüsste uns der Häuptling Akautschikí, der an einer Kniegelenkentzündung litt und auf eine Suyákeule gestützt herankam. Es wurden uns zwei Jaguar- und zwei Vogelschemel hingesetzt. Wieder wurde unser Sprachschatz aus der Lingoa geral mit dem der Kamayurá verglichen; unsere Gastfreunde erklärten uns für ihre Brüder und bekräftigten ihre Worte mit der für dieses Verwandschafts- verhältnis am Schingú üblichen Geberde, dass sie sich auf den Nabel deuteten. In den Häusern fanden wir eine Anzahl Tanzmasken sowohl aus Holz wie aus Baumwollgeflecht. Wurfhölzer waren ebenfalls überall vorhanden. Nirgendwo sahen wir so schönen Tanzschmuck, sie hatten prächtige Federdiademe und Federbänder, eine Art Federmantel und mit Fischzähnen verzierte Tanzstäbe. Als wir den 22. Oktober an dem schönen Sandstrand der Lagune badeten, traf einmal wieder eine böse Nachricht ein, welche die Gesellschaft in Aufregung versetzte: zwei Trumaí seien angekommen und hätten neue Unthaten der Suyá gemeldet. In der Geschichte, die uns zum grössten Teile dunkel blieb, spielte

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/150>, abgerufen am 27.11.2024.