unverantwortlich auf's Spiel setzen. Man darf sich nicht vorstellen, dass wir in einer unausgesetzt giessenden Douche gewandelt seien, aber der Gegensatz zu der fast wolkenlosen Trockenzeit war in der That gewaltig. Sehr heftige Ge- witter kamen nieder, viel Landregen und Nebelgeriesel wurde uns zu Teil, und ein sonniger Tag wie der 28. November war eine seltene Ausnahme. Regnete es nicht, so war doch der Himmel düster und grau, sodass uns einige Augen- blicke dünnen Sonnenscheins oder Nachts ein sternenklarer Himmel wahrhaft wohlthuend dünkten. Zuweilen war der Regen sehr kalt und wir schüttelten uns wie damals die nackten Mehinaku im Walde. Und ein ander Mal schwitzte man innerhalb des feucht dunstigen Moskiteiro wiederum wie in einer überhitzten Waschküche.
Der Kamp hatte sich verjüngt; weil es im alten Europa schneit, wenn es hier regnet, nennt man auch hier die Zeit, wo doch Tier und Pflanzenwelt zu neuem Leben erwachen und wo die Sonne am höchsten steht, den "Winter". Der Campo cerrado war in dem frischen Grün kaum wiederzuerkennen; wo das hohe dünne Massegagras niedergebrannt worden war, deckte den Boden junges Gras mit weissbüschligen Halmen. Es nahm die Trittspur kaum auf und die Nach- folgenden bedurften verdoppelter Aufmerksamkeit.
Auch die Bäche waren nicht wiederzuerkennen. Die Ufer hatten durch den höheren Wasserstand ein anderes Aussehen bekommen, es floss manches Ge- wässerchen munter daher, das früher ausgetrocknet gewesen. Vor unsern Augen schwoll das Wasser an und fiel; wir konnten uns den Uebergang oft günstiger gestalten, wenn wir mehrere Stunden warteten. Eine kurze Strecke schwammen die Maultiere mit Gepäck; wir selbst gewöhnten uns daran, nur die Stiefel anbe- haltend, bis an den Hals durch's Wasser zu waten. Mehrere konnten leider nicht schwimmen.
In einige Verlegenheit gerieten wir nach einer ekelhaften Regennacht am 22. November vor einem kleinen tiefen Flüsschen. Wir fällten einen hohen Angikobaum, der auch in guter Richtung stürzte, aber doch nicht bis zum andern Ufer reichte. Dann aber waren wir im Besitz von etwa 25 m verzinnten Eisen- drahtes, den uns Herr Weber in Rio de Janeiro als unerlässlich, ich spreche bild- lich, auf die Seele gebunden hatte. Bisher war er nicht gebraucht worden, hier that er gute Dienste. Er wurde mit einem Lasso auf das andere Ufer geworfen und nach einigem Herüber und Hinüberschwimmen gelang die Beförderung vor- züglich. Die Bruaken glitten an einem Haken und durch einen Riemen geleitet; die erste Probe war mit einer Fracht Tapirfleisch nebst Herz und Leber gemacht worden. Schliesslich als die Bündel der Kameraden an die Reihe kamen, riss der Draht.
Für die Nichtschwimmer bedienten wir uns hier auch zum ersten Mal der vortrefflichen in den häutereichen Provinzen Brasiliens üblichen "Pelota". Eine Ochsenhaut wurde nach Art einer niedrigen quadratförmigen Schachtel umgebogen und in dieser Form durch einen mit Riemen befestigten, aus beliebigen Stangen
unverantwortlich auf’s Spiel setzen. Man darf sich nicht vorstellen, dass wir in einer unausgesetzt giessenden Douche gewandelt seien, aber der Gegensatz zu der fast wolkenlosen Trockenzeit war in der That gewaltig. Sehr heftige Ge- witter kamen nieder, viel Landregen und Nebelgeriesel wurde uns zu Teil, und ein sonniger Tag wie der 28. November war eine seltene Ausnahme. Regnete es nicht, so war doch der Himmel düster und grau, sodass uns einige Augen- blicke dünnen Sonnenscheins oder Nachts ein sternenklarer Himmel wahrhaft wohlthuend dünkten. Zuweilen war der Regen sehr kalt und wir schüttelten uns wie damals die nackten Mehinakú im Walde. Und ein ander Mal schwitzte man innerhalb des feucht dunstigen Moskiteiro wiederum wie in einer überhitzten Waschküche.
Der Kamp hatte sich verjüngt; weil es im alten Europa schneit, wenn es hier regnet, nennt man auch hier die Zeit, wo doch Tier und Pflanzenwelt zu neuem Leben erwachen und wo die Sonne am höchsten steht, den »Winter«. Der Campo cerrado war in dem frischen Grün kaum wiederzuerkennen; wo das hohe dünne Massegagras niedergebrannt worden war, deckte den Boden junges Gras mit weissbüschligen Halmen. Es nahm die Trittspur kaum auf und die Nach- folgenden bedurften verdoppelter Aufmerksamkeit.
Auch die Bäche waren nicht wiederzuerkennen. Die Ufer hatten durch den höheren Wasserstand ein anderes Aussehen bekommen, es floss manches Ge- wässerchen munter daher, das früher ausgetrocknet gewesen. Vor unsern Augen schwoll das Wasser an und fiel; wir konnten uns den Uebergang oft günstiger gestalten, wenn wir mehrere Stunden warteten. Eine kurze Strecke schwammen die Maultiere mit Gepäck; wir selbst gewöhnten uns daran, nur die Stiefel anbe- haltend, bis an den Hals durch’s Wasser zu waten. Mehrere konnten leider nicht schwimmen.
In einige Verlegenheit gerieten wir nach einer ekelhaften Regennacht am 22. November vor einem kleinen tiefen Flüsschen. Wir fällten einen hohen Angikobaum, der auch in guter Richtung stürzte, aber doch nicht bis zum andern Ufer reichte. Dann aber waren wir im Besitz von etwa 25 m verzinnten Eisen- drahtes, den uns Herr Weber in Rio de Janeiro als unerlässlich, ich spreche bild- lich, auf die Seele gebunden hatte. Bisher war er nicht gebraucht worden, hier that er gute Dienste. Er wurde mit einem Lasso auf das andere Ufer geworfen und nach einigem Herüber und Hinüberschwimmen gelang die Beförderung vor- züglich. Die Bruaken glitten an einem Haken und durch einen Riemen geleitet; die erste Probe war mit einer Fracht Tapirfleisch nebst Herz und Leber gemacht worden. Schliesslich als die Bündel der Kameraden an die Reihe kamen, riss der Draht.
Für die Nichtschwimmer bedienten wir uns hier auch zum ersten Mal der vortrefflichen in den häutereichen Provinzen Brasiliens üblichen »Pelota«. Eine Ochsenhaut wurde nach Art einer niedrigen quadratförmigen Schachtel umgebogen und in dieser Form durch einen mit Riemen befestigten, aus beliebigen Stangen
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unverantwortlich auf’s Spiel setzen. Man darf sich nicht vorstellen, dass wir in
einer unausgesetzt giessenden Douche gewandelt seien, aber der Gegensatz zu
der fast wolkenlosen Trockenzeit war in der That gewaltig. Sehr heftige Ge-
witter kamen nieder, viel Landregen und Nebelgeriesel wurde uns zu Teil, und
ein sonniger Tag wie der 28. November war eine seltene Ausnahme. Regnete
es nicht, so war doch der Himmel düster und grau, sodass uns einige Augen-
blicke dünnen Sonnenscheins oder Nachts ein sternenklarer Himmel wahrhaft
wohlthuend dünkten. Zuweilen war der Regen sehr kalt und wir schüttelten uns
wie damals die nackten Mehinakú im Walde. Und ein ander Mal schwitzte man
innerhalb des feucht dunstigen Moskiteiro wiederum wie in einer überhitzten
Waschküche.
Der Kamp hatte sich verjüngt; weil es im alten Europa schneit, wenn es
hier regnet, nennt man auch hier die Zeit, wo doch Tier und Pflanzenwelt zu
neuem Leben erwachen und wo die Sonne am höchsten steht, den »Winter«. Der
Campo cerrado war in dem frischen Grün kaum wiederzuerkennen; wo das hohe
dünne Massegagras niedergebrannt worden war, deckte den Boden junges Gras
mit weissbüschligen Halmen. Es nahm die Trittspur kaum auf und die Nach-
folgenden bedurften verdoppelter Aufmerksamkeit.
Auch die Bäche waren nicht wiederzuerkennen. Die Ufer hatten durch den
höheren Wasserstand ein anderes Aussehen bekommen, es floss manches Ge-
wässerchen munter daher, das früher ausgetrocknet gewesen. Vor unsern Augen
schwoll das Wasser an und fiel; wir konnten uns den Uebergang oft günstiger
gestalten, wenn wir mehrere Stunden warteten. Eine kurze Strecke schwammen
die Maultiere mit Gepäck; wir selbst gewöhnten uns daran, nur die Stiefel anbe-
haltend, bis an den Hals durch’s Wasser zu waten. Mehrere konnten leider
nicht schwimmen.
In einige Verlegenheit gerieten wir nach einer ekelhaften Regennacht am
22. November vor einem kleinen tiefen Flüsschen. Wir fällten einen hohen
Angikobaum, der auch in guter Richtung stürzte, aber doch nicht bis zum andern
Ufer reichte. Dann aber waren wir im Besitz von etwa 25 m verzinnten Eisen-
drahtes, den uns Herr Weber in Rio de Janeiro als unerlässlich, ich spreche bild-
lich, auf die Seele gebunden hatte. Bisher war er nicht gebraucht worden, hier
that er gute Dienste. Er wurde mit einem Lasso auf das andere Ufer geworfen
und nach einigem Herüber und Hinüberschwimmen gelang die Beförderung vor-
züglich. Die Bruaken glitten an einem Haken und durch einen Riemen geleitet;
die erste Probe war mit einer Fracht Tapirfleisch nebst Herz und Leber gemacht
worden. Schliesslich als die Bündel der Kameraden an die Reihe kamen, riss
der Draht.
Für die Nichtschwimmer bedienten wir uns hier auch zum ersten Mal der
vortrefflichen in den häutereichen Provinzen Brasiliens üblichen »Pelota«. Eine
Ochsenhaut wurde nach Art einer niedrigen quadratförmigen Schachtel umgebogen
und in dieser Form durch einen mit Riemen befestigten, aus beliebigen Stangen
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/179>, abgerufen am 24.11.2024.
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