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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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zahl Manitsaua in Gefangenschaft der Suya. Erst 1887 hörten wir von den
Yaruma oder Aruma, die sehr bald nach den Trumai den unangenehmen Besuch
der Suya empfangen haben sollten, und von denen uns die Kamayura die merk-
würdige Mitteilung machten, dass sie einen metallisch klingenden Ohrschmuck
trügen (vgl. S. 118). Es ist wahrscheinlich, dass wir in ihnen Munduruku, den
berühmten Kriegerstamm des Tapajoz erblicken müssen, dessen Spuren wir am
Schingu längst vermisst haben. Die Paressi nannten die Munduruku Saruma,
was lautlich dasselbe ist wie Yaruma. Ein Stück den Yaruma zugeschriebener
Keule von karajaähnlicher Arbeit kann den in der Uebereinstimmung der Namen
liegenden Beweis nicht entkräften. Eine uns noch dunklere Existenz führen die
Arata; die Nahuqua erklärten, dass sie nichts taugten, und der Suyageograph
hatte sie ihnen zu Nachbarn gegeben. Ein Karajastamm?

Endlich habe ich noch, wiederum im obersten Quellgebiet, der Kayapo zu
gedenken; sie sollen zwischen Kulisehu und Kuluene oberhalb der Nahuqua an
den Quellen des Pakuneru leben, des kleinen Kulisehu-Nebenflusses, dessen Namen
mit dem Bakairi-Namen des Paranatinga identisch ist. Schon der Suyageograph
hatte als äusserste Bewohner die "Kayuquara" angegeben und ich hatte damals,
wie es jetzt scheint, mit Recht vermutet, dass darunter Kayakho-Kayapo zu ver-
stehen seien.

Die lange Reihe der Namen sieht schlimmer aus als sie in Wirklichkeit ist.
Jedes Dorf hat seinen Namen, und der Fremde, der ihn hört, kann zunächst
nicht beurteilen, ob er dort einen neuen oder einen bekannten Stamm zu er-
warten hat. Das einfachste Beispiel sind die Nahuqua. "Nahuqua" heissen
für den Indianer nur die Bewohner des Kulisehudorfes; die Yaurikuma,
Guikuru etc. nennen sich selbst nicht Nahuqua, und es ist nur der Zufall, der
uns zuerst bei den "Nahuqua" einkehren liess, dass ich nun diesen Namen als
den Stammesnamen vorführe. Geringe dialektische Verschiedenheiten mögen
vorhanden sein, doch habe ich von den Yanumakapü ein Verzeichnis der wichtigsten
Wörter aufnehmen und mich auch für die Yaurikuma und Guikuru überzeugen
können, dass ihre Sprache mit dem "Nahuqua" durchaus übereinstimmt. Die
Bakairi sind von einem strengeren Nationalitätsgefühl beseelt, denn sie nennen
sich Bakairi, ob sie nun im Quellgebiet des Arinos, des Paranatinga, des Batovy
oder des Kulisehu wohnen. Die Bakairi des Kulisehu müssten sich nach Analogie
der Nahuqua mit ihren Dorfnamen Maigeri, Igueti und Kuyaqualieti nennen.

Es wäre ein Segen für die Ethnographie gewesen, wenn sich alle Stämme
dieses schöne Beispiel der Bakairi zum Vorbild genommen hätten. Wir sehen
hier an mehreren Beispielen deutlich, wie sich eine Familiengemeinschaft oder,
wenn man will, ein Stamm räumlich verteilt, wie jede Sondergemeinschaft geneigt
ist, auf den alten Zusammenhang zu verzichten und diesen deshalb unrettbar ver-
lieren, ein neuer "Stamm" werden muss, wenn die Verschiebung andauert und
anstatt mit den blutverwandten Nachbarn mit solchen anderer Abstammung engere
Beziehungen unterhalten werden. Es bleibt uns unter diesen Umständen gar nichts

zahl Manitsauá in Gefangenschaft der Suyá. Erst 1887 hörten wir von den
Yarumá oder Arumá, die sehr bald nach den Trumaí den unangenehmen Besuch
der Suyá empfangen haben sollten, und von denen uns die Kamayurá die merk-
würdige Mitteilung machten, dass sie einen metallisch klingenden Ohrschmuck
trügen (vgl. S. 118). Es ist wahrscheinlich, dass wir in ihnen Mundurukú, den
berühmten Kriegerstamm des Tapajoz erblicken müssen, dessen Spuren wir am
Schingú längst vermisst haben. Die Paressí nannten die Mundurukú Sarumá,
was lautlich dasselbe ist wie Yarumá. Ein Stück den Yarumá zugeschriebener
Keule von karajáähnlicher Arbeit kann den in der Uebereinstimmung der Namen
liegenden Beweis nicht entkräften. Eine uns noch dunklere Existenz führen die
Aratá; die Nahuquá erklärten, dass sie nichts taugten, und der Suyágeograph
hatte sie ihnen zu Nachbarn gegeben. Ein Karajástamm?

Endlich habe ich noch, wiederum im obersten Quellgebiet, der Kayapó zu
gedenken; sie sollen zwischen Kulisehu und Kuluëne oberhalb der Nahuquá an
den Quellen des Pakuneru leben, des kleinen Kulisehu-Nebenflusses, dessen Namen
mit dem Bakaïrí-Namen des Paranatinga identisch ist. Schon der Suyágeograph
hatte als äusserste Bewohner die »Kayuquará« angegeben und ich hatte damals,
wie es jetzt scheint, mit Recht vermutet, dass darunter Kayaχó-Kayapó zu ver-
stehen seien.

Die lange Reihe der Namen sieht schlimmer aus als sie in Wirklichkeit ist.
Jedes Dorf hat seinen Namen, und der Fremde, der ihn hört, kann zunächst
nicht beurteilen, ob er dort einen neuen oder einen bekannten Stamm zu er-
warten hat. Das einfachste Beispiel sind die Nahuquá. »Nahuquá« heissen
für den Indianer nur die Bewohner des Kulisehudorfes; die Yaurikumá,
Guikurú etc. nennen sich selbst nicht Nahuquá, und es ist nur der Zufall, der
uns zuerst bei den »Nahuquá« einkehren liess, dass ich nun diesen Namen als
den Stammesnamen vorführe. Geringe dialektische Verschiedenheiten mögen
vorhanden sein, doch habe ich von den Yanumakapü ein Verzeichnis der wichtigsten
Wörter aufnehmen und mich auch für die Yaurikumá und Guikurú überzeugen
können, dass ihre Sprache mit dem »Nahuquá« durchaus übereinstimmt. Die
Bakaïrí sind von einem strengeren Nationalitätsgefühl beseelt, denn sie nennen
sich Bakaïrí, ob sie nun im Quellgebiet des Arinos, des Paranatinga, des Batovy
oder des Kulisehu wohnen. Die Bakaïrí des Kulisehu müssten sich nach Analogie
der Nahuquá mit ihren Dorfnamen Maigéri, Iguéti und Kuyaqualiéti nennen.

Es wäre ein Segen für die Ethnographie gewesen, wenn sich alle Stämme
dieses schöne Beispiel der Bakaïrí zum Vorbild genommen hätten. Wir sehen
hier an mehreren Beispielen deutlich, wie sich eine Familiengemeinschaft oder,
wenn man will, ein Stamm räumlich verteilt, wie jede Sondergemeinschaft geneigt
ist, auf den alten Zusammenhang zu verzichten und diesen deshalb unrettbar ver-
lieren, ein neuer »Stamm« werden muss, wenn die Verschiebung andauert und
anstatt mit den blutverwandten Nachbarn mit solchen anderer Abstammung engere
Beziehungen unterhalten werden. Es bleibt uns unter diesen Umständen gar nichts

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[155/0195] zahl Manitsauá in Gefangenschaft der Suyá. Erst 1887 hörten wir von den Yarumá oder Arumá, die sehr bald nach den Trumaí den unangenehmen Besuch der Suyá empfangen haben sollten, und von denen uns die Kamayurá die merk- würdige Mitteilung machten, dass sie einen metallisch klingenden Ohrschmuck trügen (vgl. S. 118). Es ist wahrscheinlich, dass wir in ihnen Mundurukú, den berühmten Kriegerstamm des Tapajoz erblicken müssen, dessen Spuren wir am Schingú längst vermisst haben. Die Paressí nannten die Mundurukú Sarumá, was lautlich dasselbe ist wie Yarumá. Ein Stück den Yarumá zugeschriebener Keule von karajáähnlicher Arbeit kann den in der Uebereinstimmung der Namen liegenden Beweis nicht entkräften. Eine uns noch dunklere Existenz führen die Aratá; die Nahuquá erklärten, dass sie nichts taugten, und der Suyágeograph hatte sie ihnen zu Nachbarn gegeben. Ein Karajástamm? Endlich habe ich noch, wiederum im obersten Quellgebiet, der Kayapó zu gedenken; sie sollen zwischen Kulisehu und Kuluëne oberhalb der Nahuquá an den Quellen des Pakuneru leben, des kleinen Kulisehu-Nebenflusses, dessen Namen mit dem Bakaïrí-Namen des Paranatinga identisch ist. Schon der Suyágeograph hatte als äusserste Bewohner die »Kayuquará« angegeben und ich hatte damals, wie es jetzt scheint, mit Recht vermutet, dass darunter Kayaχó-Kayapó zu ver- stehen seien. Die lange Reihe der Namen sieht schlimmer aus als sie in Wirklichkeit ist. Jedes Dorf hat seinen Namen, und der Fremde, der ihn hört, kann zunächst nicht beurteilen, ob er dort einen neuen oder einen bekannten Stamm zu er- warten hat. Das einfachste Beispiel sind die Nahuquá. »Nahuquá« heissen für den Indianer nur die Bewohner des Kulisehudorfes; die Yaurikumá, Guikurú etc. nennen sich selbst nicht Nahuquá, und es ist nur der Zufall, der uns zuerst bei den »Nahuquá« einkehren liess, dass ich nun diesen Namen als den Stammesnamen vorführe. Geringe dialektische Verschiedenheiten mögen vorhanden sein, doch habe ich von den Yanumakapü ein Verzeichnis der wichtigsten Wörter aufnehmen und mich auch für die Yaurikumá und Guikurú überzeugen können, dass ihre Sprache mit dem »Nahuquá« durchaus übereinstimmt. Die Bakaïrí sind von einem strengeren Nationalitätsgefühl beseelt, denn sie nennen sich Bakaïrí, ob sie nun im Quellgebiet des Arinos, des Paranatinga, des Batovy oder des Kulisehu wohnen. Die Bakaïrí des Kulisehu müssten sich nach Analogie der Nahuquá mit ihren Dorfnamen Maigéri, Iguéti und Kuyaqualiéti nennen. Es wäre ein Segen für die Ethnographie gewesen, wenn sich alle Stämme dieses schöne Beispiel der Bakaïrí zum Vorbild genommen hätten. Wir sehen hier an mehreren Beispielen deutlich, wie sich eine Familiengemeinschaft oder, wenn man will, ein Stamm räumlich verteilt, wie jede Sondergemeinschaft geneigt ist, auf den alten Zusammenhang zu verzichten und diesen deshalb unrettbar ver- lieren, ein neuer »Stamm« werden muss, wenn die Verschiebung andauert und anstatt mit den blutverwandten Nachbarn mit solchen anderer Abstammung engere Beziehungen unterhalten werden. Es bleibt uns unter diesen Umständen gar nichts

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/195>, abgerufen am 23.11.2024.