Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.Jägertum. Die Frau des Bororo ging mit einem spitzen Stock bewaffnet in den Die Männer brieten, aber kochten niemals. Von dieser Thatsache aus Ich glaubte anfangs und ehe ich wusste, dass die merkwürdige Abhängigkeit *) "Nachdem die Männer gegessen, kommen Weiber und Kinder an die Reihe, die sich mit den oft geringen Ueberresten begnügen müssen und Hunger leiden würden, sähen sie sich nicht bei Zeiten vor und praktizierten einen Teil des Inhalts der Kochtöpfe noch während des Kochens heimlich bei Seite oder ässen bereits während ihrer Arbeit." So bei den modernen karaibischen Makuschi in Guyana. Appun, Unter den Tropen, II, p. 399, Jena 1871, und bei manchen anderen Stämmen. **) Nach Im Thurn versorgen in Guyana gegenwärtig die Karaiben die andern Stämme
mit Topfgeschirr, doch giebt er an, dass die Aruak für ihren eigenen Gebrauch reichlich Töpfe machen, sie aber nicht wie die Karaiben als Handelswaare vertreiben. Martius erklärt noch von den Makuschi, dem volkreichsten Karaibenstamm des Rio Branco-Gebiets: "Alle Geräte dieser Indianer sind sauber und sorgfältig verfertigt, die Waffen mit Federn verziert, und nur in den Töpferwaaren stehen sie den Indianern der Küste nach". Jägertum. Die Frau des Bororó ging mit einem spitzen Stock bewaffnet in den Die Männer brieten, aber kochten niemals. Von dieser Thatsache aus Ich glaubte anfangs und ehe ich wusste, dass die merkwürdige Abhängigkeit *) »Nachdem die Männer gegessen, kommen Weiber und Kinder an die Reihe, die sich mit den oft geringen Ueberresten begnügen müssen und Hunger leiden würden, sähen sie sich nicht bei Zeiten vor und praktizierten einen Teil des Inhalts der Kochtöpfe noch während des Kochens heimlich bei Seite oder ässen bereits während ihrer Arbeit.« So bei den modernen karaibischen Makuschi in Guyana. Appun, Unter den Tropen, II, p. 399, Jena 1871, und bei manchen anderen Stämmen. **) Nach Im Thurn versorgen in Guyana gegenwärtig die Karaiben die andern Stämme
mit Topfgeschirr, doch giebt er an, dass die Aruak für ihren eigenen Gebrauch reichlich Töpfe machen, sie aber nicht wie die Karaiben als Handelswaare vertreiben. Martius erklärt noch von den Makuschi, dem volkreichsten Karaibenstamm des Rio Branco-Gebiets: »Alle Geräte dieser Indianer sind sauber und sorgfältig verfertigt, die Waffen mit Federn verziert, und nur in den Töpferwaaren stehen sie den Indianern der Küste nach«. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0259" n="215"/> Jägertum. Die Frau des Bororó ging mit einem spitzen Stock bewaffnet in den<lb/> Wald und suchte Wurzeln und Knollen, bei den Streifzügen durch den Kamp<lb/> oder wo immer eine Gesellschaft von Indianern den Ort veränderte, war solcherlei<lb/> Jagd, während der Mann den Tieren nachspürte, die Aufgabe der Frau; sie holte<lb/> die Palmnüsse kletternd herunter und schleppte schwere Lasten davon heim. Und<lb/> war die Indianerin die Untergebene des Mannes, so kam ihr diese Stellung bei<lb/> der Verteilung von Fisch und Fleisch gewiss nicht zu Gute<note place="foot" n="*)">»Nachdem die Männer gegessen, kommen Weiber und Kinder an die Reihe, die sich mit<lb/> den oft geringen Ueberresten begnügen müssen und Hunger leiden würden, sähen sie sich nicht bei Zeiten<lb/> vor und praktizierten einen Teil des Inhalts der Kochtöpfe noch während des Kochens heimlich bei<lb/> Seite oder ässen bereits während ihrer Arbeit.« So bei den modernen karaibischen Makuschi in<lb/> Guyana. <hi rendition="#g">Appun</hi>, Unter den Tropen, II, p. 399, Jena 1871, und bei manchen anderen Stämmen.</note>, sie war dabei auch<lb/><hi rendition="#g">angewiesen</hi> auf die Beute an den <hi rendition="#g">Vegetabilien</hi>, die sie selbst erwerben konnte.<lb/> Am Schingú flochten die Männer den Bratrost, brieten Fisch und Fleisch, die<lb/> Frauen backten die Beijús, kochten die Getränke, die Früchte und rösteten Palm-<lb/> nüsse — welchen andern Sinn konnte diese Teilung in <hi rendition="#g">animalische Männer-</hi><lb/> und <hi rendition="#g">vegetabilische Frauen-Küche</hi> haben, als dass ein jedes der beiden Ge-<lb/> schlechter noch in seinem uralten Ressort verblieben war?</p><lb/> <p>Die Männer <hi rendition="#g">brieten</hi>, aber <hi rendition="#g">kochten</hi> niemals. Von dieser Thatsache aus<lb/> kommen wir durch den gleichen Gedankengang zu einer ähnlichen Folgerung,<lb/> der ganz analoge Beobachtungen das Wort reden. Kaum irgend etwas ist mir<lb/> anfänglich seltsamer am Schingú erschienen als der Umstand, dass die Kunst,<lb/><hi rendition="#g">Töpfe</hi> zu machen, auf die Nu-Aruakstämme beschränkt war. <hi rendition="#g">Die Bakaïrí be-<lb/> sassen nicht einen Topf, der nicht von den Kustenaú oder Mekinakú<lb/> stammte</hi>. Die <hi rendition="#g">zahmen</hi> Bakaïrí erklärten mir ausdrücklich, dass sie die Töpferei<lb/> von den <hi rendition="#g">Paressí</hi>, ihren Nu-Aruak-Nachbarn, <hi rendition="#g">gelernt</hi> hätten. So machte der<lb/> alte Caetano, also aller ursprünglichen Sitte entgegen der <hi rendition="#g">Mann</hi>, am modernen<lb/> Paranatinga Töpfe. Die Nahuquá hatten Töpfe von den Mehinakú und machten<lb/> auch selbst welche, wie uns eine Frau, den feuchten Thon knetend, ad oculos<lb/> demonstrierte, allein diese Frau trug die Tätowierung der Mehinakúweiber und war<lb/> unter die Nahuquá verheiratet worden; die Kunst stammte thatsächlich von den<lb/> Mehinakú. Auch die Tupístämme hatten Töpfe von Nu-Aruak, namentlich von<lb/> den Waurá. So war die <hi rendition="#g">eine Stammesgruppe</hi><note place="foot" n="**)">Nach <hi rendition="#g">Im Thurn</hi> versorgen in Guyana <hi rendition="#g">gegenwärtig</hi> die Karaiben die andern Stämme<lb/> mit Topfgeschirr, doch giebt er an, dass die Aruak für ihren <hi rendition="#g">eigenen</hi> Gebrauch reichlich Töpfe<lb/> machen, sie aber nicht wie die Karaiben als Handelswaare vertreiben. <hi rendition="#g">Martius</hi> erklärt noch von<lb/> den <hi rendition="#g">Makuschi</hi>, dem volkreichsten Karaibenstamm des Rio Branco-Gebiets: »Alle Geräte dieser<lb/> Indianer sind sauber und sorgfältig verfertigt, die Waffen mit Federn verziert, und <hi rendition="#g">nur in den<lb/> Töpferwaaren stehen sie den Indianern der Küste nach«</hi>.</note> die <hi rendition="#g">alleinige Trägerin</hi><lb/> der, wie wir sehen werden, auch in künstlerischem Sinn gehandhabten <hi rendition="#g">Keramik</hi>.</p><lb/> <p>Ich glaubte anfangs und ehe ich wusste, dass die merkwürdige Abhängigkeit<lb/> von den Nu-Aruak für sämtliche Stämme bestand, es sei zufällig kein Thon vor-<lb/> handen. Doch war dies ein Irrtum. Geeigneten Thon gab es nicht nur bei den<lb/> Nahuquá, sondern auch bei den Bakaïrí, und nur darüber weiss ich nichts anzu-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [215/0259]
Jägertum. Die Frau des Bororó ging mit einem spitzen Stock bewaffnet in den
Wald und suchte Wurzeln und Knollen, bei den Streifzügen durch den Kamp
oder wo immer eine Gesellschaft von Indianern den Ort veränderte, war solcherlei
Jagd, während der Mann den Tieren nachspürte, die Aufgabe der Frau; sie holte
die Palmnüsse kletternd herunter und schleppte schwere Lasten davon heim. Und
war die Indianerin die Untergebene des Mannes, so kam ihr diese Stellung bei
der Verteilung von Fisch und Fleisch gewiss nicht zu Gute *), sie war dabei auch
angewiesen auf die Beute an den Vegetabilien, die sie selbst erwerben konnte.
Am Schingú flochten die Männer den Bratrost, brieten Fisch und Fleisch, die
Frauen backten die Beijús, kochten die Getränke, die Früchte und rösteten Palm-
nüsse — welchen andern Sinn konnte diese Teilung in animalische Männer-
und vegetabilische Frauen-Küche haben, als dass ein jedes der beiden Ge-
schlechter noch in seinem uralten Ressort verblieben war?
Die Männer brieten, aber kochten niemals. Von dieser Thatsache aus
kommen wir durch den gleichen Gedankengang zu einer ähnlichen Folgerung,
der ganz analoge Beobachtungen das Wort reden. Kaum irgend etwas ist mir
anfänglich seltsamer am Schingú erschienen als der Umstand, dass die Kunst,
Töpfe zu machen, auf die Nu-Aruakstämme beschränkt war. Die Bakaïrí be-
sassen nicht einen Topf, der nicht von den Kustenaú oder Mekinakú
stammte. Die zahmen Bakaïrí erklärten mir ausdrücklich, dass sie die Töpferei
von den Paressí, ihren Nu-Aruak-Nachbarn, gelernt hätten. So machte der
alte Caetano, also aller ursprünglichen Sitte entgegen der Mann, am modernen
Paranatinga Töpfe. Die Nahuquá hatten Töpfe von den Mehinakú und machten
auch selbst welche, wie uns eine Frau, den feuchten Thon knetend, ad oculos
demonstrierte, allein diese Frau trug die Tätowierung der Mehinakúweiber und war
unter die Nahuquá verheiratet worden; die Kunst stammte thatsächlich von den
Mehinakú. Auch die Tupístämme hatten Töpfe von Nu-Aruak, namentlich von
den Waurá. So war die eine Stammesgruppe **) die alleinige Trägerin
der, wie wir sehen werden, auch in künstlerischem Sinn gehandhabten Keramik.
Ich glaubte anfangs und ehe ich wusste, dass die merkwürdige Abhängigkeit
von den Nu-Aruak für sämtliche Stämme bestand, es sei zufällig kein Thon vor-
handen. Doch war dies ein Irrtum. Geeigneten Thon gab es nicht nur bei den
Nahuquá, sondern auch bei den Bakaïrí, und nur darüber weiss ich nichts anzu-
*) »Nachdem die Männer gegessen, kommen Weiber und Kinder an die Reihe, die sich mit
den oft geringen Ueberresten begnügen müssen und Hunger leiden würden, sähen sie sich nicht bei Zeiten
vor und praktizierten einen Teil des Inhalts der Kochtöpfe noch während des Kochens heimlich bei
Seite oder ässen bereits während ihrer Arbeit.« So bei den modernen karaibischen Makuschi in
Guyana. Appun, Unter den Tropen, II, p. 399, Jena 1871, und bei manchen anderen Stämmen.
**) Nach Im Thurn versorgen in Guyana gegenwärtig die Karaiben die andern Stämme
mit Topfgeschirr, doch giebt er an, dass die Aruak für ihren eigenen Gebrauch reichlich Töpfe
machen, sie aber nicht wie die Karaiben als Handelswaare vertreiben. Martius erklärt noch von
den Makuschi, dem volkreichsten Karaibenstamm des Rio Branco-Gebiets: »Alle Geräte dieser
Indianer sind sauber und sorgfältig verfertigt, die Waffen mit Federn verziert, und nur in den
Töpferwaaren stehen sie den Indianern der Küste nach«.
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