Die Eingeborenen nehmen zwei nicht ganz kleinfingerdünne, etwa 3/4 m lange, noch mit der trocken haltenden Rinde überkleidete Stöcke und schneiden in den einen mit einer Muschel eine kleine Grube. Während ein Mann diesen Stock auf den Boden legt und fest angedrückt hält, setzt ein Zweiter den andern Stock in das Grübchen hinein und quirlt ihn mit grosser Geschwindigkeit zwischen den hurtig daran auf- und niedergleitenden Händen. Durch das Quirlen erweitert sich das Grübchen, es löst sich feiner Staub und beginnt zu glimmen und zu rauchen. Zunder wird herangebracht, angeblasen und sofort ist die Flamme da. Die kleine Grube erscheint nun äusserst glatt und oberflächlich verkohlt. Der Vorgang nimmt Alles in Allem keine Minute in Anspruch. Der Quirlende plagt sich redlich; mehr daraus machen wäre Uebertreibung, obwohl ein Ungeübter, der während des Quirlens kleine und für den Erfolg schädliche Pausen eintreten lässt, auch nicht ohne eine Luxusanstrengung fertig werden wird. Zur Not kommt ein Einzelner recht gut mit der Prozedur zu Stande, indem er den Stock auf den Erdboden mit den Füssen festhält.
Die Feuerstöcke sind gewöhnlich zwei gerade Zweige vom Orleansstrauch oder Uruku, die ein leichtes lockeres Holz besitzen. Auch anderes Holz hat, wie der Indianer es versteht, "das Feuer in sich", besonders Uba und Kam- bayuva, die beiden Arten des Pfeilrohrs. Unterwegs weiss sich der Jäger, wenn er kein Feuer bei sich hat und seiner bedarf, zu helfen: er zerbricht einen Pfeil und bohrt ein Stück in dem andern. Doch ist der Pfeil kostbar und das Reiben anstrengend. Wir beobachteten mehrfach, dass die Leute von der qualmenden Rodung brennende Kloben auf ihre Wege zum Hafen und in den Wald mitnahmen, die sie später achtlos beiseite warfen. Auf Ausflüge mit tage- langer Abwesenheit von Hause im Kanu führten sie ein mächtiges glimmendes Stück morschen, trockenen Holzes aus dem Walde mit sich.
Der Zunder ist ein hellbraunes feinmaschiges Bastgewebe, das am besten die junge Uakuma-Palme (eine Cocos-Art) darbietet. Im Kamp hilft auch Zunder von der Guariroba-Palme (Cocos oleracea) oder von trockenem Gras und Laub aus. Er hat den Zweck, die Flamme zu liefern, mit der man das Feuer auf die Reiser überträgt. Ehrenreich giebt von den Karaya, Im Thurn von den Warrau Guyana's an, dass ihr Holz sich so lebhaft entzündet, dass es keines Zunders bedarf; "es liefert in sich selbst den Zunder".
Man sieht, es ist zum Feuerreiben mit dem "Bohrer" nicht nötig, ein hartes und ein weiches Holz zu haben. Die Schingu-Indianer nehmen stets nur eine Art, die Karaya bohren Bambus in Uruku.
Uns fällt die Bewegung des Quirlens sehr schwer; wir kennen sie im gewöhn- lichen Leben ja kaum, weil unsere Bohrer in eine Schraube auslaufen, und üben sie überhaupt nicht zum Bohren, sondern zum Mischen z. B. in der Küche, um Hefe oder Eier mit Milch zu vereinigen, oder bei der Präparation eines Cocktail. Wie das Bohren und Quirlen der Eingeborenen entstanden ist, lässt sich leicht erkennen. Man hat zuerst Löcher mit einem spitzen Zahn oder Knochen gemacht.
Die Eingeborenen nehmen zwei nicht ganz kleinfingerdünne, etwa ¾ m lange, noch mit der trocken haltenden Rinde überkleidete Stöcke und schneiden in den einen mit einer Muschel eine kleine Grube. Während ein Mann diesen Stock auf den Boden legt und fest angedrückt hält, setzt ein Zweiter den andern Stock in das Grübchen hinein und quirlt ihn mit grosser Geschwindigkeit zwischen den hurtig daran auf- und niedergleitenden Händen. Durch das Quirlen erweitert sich das Grübchen, es löst sich feiner Staub und beginnt zu glimmen und zu rauchen. Zunder wird herangebracht, angeblasen und sofort ist die Flamme da. Die kleine Grube erscheint nun äusserst glatt und oberflächlich verkohlt. Der Vorgang nimmt Alles in Allem keine Minute in Anspruch. Der Quirlende plagt sich redlich; mehr daraus machen wäre Uebertreibung, obwohl ein Ungeübter, der während des Quirlens kleine und für den Erfolg schädliche Pausen eintreten lässt, auch nicht ohne eine Luxusanstrengung fertig werden wird. Zur Not kommt ein Einzelner recht gut mit der Prozedur zu Stande, indem er den Stock auf den Erdboden mit den Füssen festhält.
Die Feuerstöcke sind gewöhnlich zwei gerade Zweige vom Orléansstrauch oder Urukú, die ein leichtes lockeres Holz besitzen. Auch anderes Holz hat, wie der Indianer es versteht, »das Feuer in sich«, besonders Ubá und Kam- bayuva, die beiden Arten des Pfeilrohrs. Unterwegs weiss sich der Jäger, wenn er kein Feuer bei sich hat und seiner bedarf, zu helfen: er zerbricht einen Pfeil und bohrt ein Stück in dem andern. Doch ist der Pfeil kostbar und das Reiben anstrengend. Wir beobachteten mehrfach, dass die Leute von der qualmenden Rodung brennende Kloben auf ihre Wege zum Hafen und in den Wald mitnahmen, die sie später achtlos beiseite warfen. Auf Ausflüge mit tage- langer Abwesenheit von Hause im Kanu führten sie ein mächtiges glimmendes Stück morschen, trockenen Holzes aus dem Walde mit sich.
Der Zunder ist ein hellbraunes feinmaschiges Bastgewebe, das am besten die junge Uakumá-Palme (eine Cocos-Art) darbietet. Im Kamp hilft auch Zunder von der Guarirobá-Palme (Cocos oleracea) oder von trockenem Gras und Laub aus. Er hat den Zweck, die Flamme zu liefern, mit der man das Feuer auf die Reiser überträgt. Ehrenreich giebt von den Karayá, Im Thurn von den Warrau Guyana’s an, dass ihr Holz sich so lebhaft entzündet, dass es keines Zunders bedarf; »es liefert in sich selbst den Zunder«.
Man sieht, es ist zum Feuerreiben mit dem »Bohrer« nicht nötig, ein hartes und ein weiches Holz zu haben. Die Schingú-Indianer nehmen stets nur eine Art, die Karayá bohren Bambus in Urukú.
Uns fällt die Bewegung des Quirlens sehr schwer; wir kennen sie im gewöhn- lichen Leben ja kaum, weil unsere Bohrer in eine Schraube auslaufen, und üben sie überhaupt nicht zum Bohren, sondern zum Mischen z. B. in der Küche, um Hefe oder Eier mit Milch zu vereinigen, oder bei der Präparation eines Cocktail. Wie das Bohren und Quirlen der Eingeborenen entstanden ist, lässt sich leicht erkennen. Man hat zuerst Löcher mit einem spitzen Zahn oder Knochen gemacht.
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Die Eingeborenen nehmen zwei nicht ganz kleinfingerdünne, etwa ¾ m
lange, noch mit der trocken haltenden Rinde überkleidete Stöcke und schneiden
in den einen mit einer Muschel eine kleine Grube. Während ein Mann diesen
Stock auf den Boden legt und fest angedrückt hält, setzt ein Zweiter den andern
Stock in das Grübchen hinein und quirlt ihn mit grosser Geschwindigkeit zwischen
den hurtig daran auf- und niedergleitenden Händen. Durch das Quirlen erweitert
sich das Grübchen, es löst sich feiner Staub und beginnt zu glimmen und zu
rauchen. Zunder wird herangebracht, angeblasen und sofort ist die Flamme da.
Die kleine Grube erscheint nun äusserst glatt und oberflächlich verkohlt. Der
Vorgang nimmt Alles in Allem keine Minute in Anspruch. Der Quirlende plagt
sich redlich; mehr daraus machen wäre Uebertreibung, obwohl ein Ungeübter,
der während des Quirlens kleine und für den Erfolg schädliche Pausen eintreten
lässt, auch nicht ohne eine Luxusanstrengung fertig werden wird. Zur Not
kommt ein Einzelner recht gut mit der Prozedur zu Stande, indem er den Stock
auf den Erdboden mit den Füssen festhält.
Die Feuerstöcke sind gewöhnlich zwei gerade Zweige vom Orléansstrauch
oder Urukú, die ein leichtes lockeres Holz besitzen. Auch anderes Holz hat,
wie der Indianer es versteht, »das Feuer in sich«, besonders Ubá und Kam-
bayuva, die beiden Arten des Pfeilrohrs. Unterwegs weiss sich der Jäger, wenn
er kein Feuer bei sich hat und seiner bedarf, zu helfen: er zerbricht einen Pfeil
und bohrt ein Stück in dem andern. Doch ist der Pfeil kostbar und das
Reiben anstrengend. Wir beobachteten mehrfach, dass die Leute von der
qualmenden Rodung brennende Kloben auf ihre Wege zum Hafen und in den
Wald mitnahmen, die sie später achtlos beiseite warfen. Auf Ausflüge mit tage-
langer Abwesenheit von Hause im Kanu führten sie ein mächtiges glimmendes
Stück morschen, trockenen Holzes aus dem Walde mit sich.
Der Zunder ist ein hellbraunes feinmaschiges Bastgewebe, das am besten die
junge Uakumá-Palme (eine Cocos-Art) darbietet. Im Kamp hilft auch Zunder von
der Guarirobá-Palme (Cocos oleracea) oder von trockenem Gras und Laub aus.
Er hat den Zweck, die Flamme zu liefern, mit der man das Feuer auf die
Reiser überträgt. Ehrenreich giebt von den Karayá, Im Thurn von den
Warrau Guyana’s an, dass ihr Holz sich so lebhaft entzündet, dass es keines
Zunders bedarf; »es liefert in sich selbst den Zunder«.
Man sieht, es ist zum Feuerreiben mit dem »Bohrer« nicht nötig, ein hartes
und ein weiches Holz zu haben. Die Schingú-Indianer nehmen stets nur eine Art,
die Karayá bohren Bambus in Urukú.
Uns fällt die Bewegung des Quirlens sehr schwer; wir kennen sie im gewöhn-
lichen Leben ja kaum, weil unsere Bohrer in eine Schraube auslaufen, und üben
sie überhaupt nicht zum Bohren, sondern zum Mischen z. B. in der Küche, um
Hefe oder Eier mit Milch zu vereinigen, oder bei der Präparation eines Cocktail.
Wie das Bohren und Quirlen der Eingeborenen entstanden ist, lässt sich leicht
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/268>, abgerufen am 21.11.2024.
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