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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Die vier Rückenhölzer der Abbildung 48, Holzzilinder, die im dritten Bakairi-
dort zum Festschmuck an Schnüren auf dem Rücken getragen wurden und stili-
sierte Mandioka-Grabhölzer darstellten, bringen uns verschiedene schwarz auf-
gemalte Muster in hübscher Ausführung. Das erste zeigt Mereschu-Fische, das
dritte hängende Fledermäuse, die wir auch bei den Auetö antreffen werden, das
vierte die der Nr. 12 der Tafel 21 entsprechende Agauschlange, das zweite Uluris.
Niemals, so viel ich mich erinnere, kommt das Uluridreieck als ein nur aus drei
Umrisslinien zusammengesetztes Dreieck vor, ausgenommen in der Bleistift-
zeichnung auf Tafel 17. Das Dreieck ist stets ausgefüllt und ruft so den Eindruck
der konkreten Vorlage noch mit grösserer Unmittelbarkeit hervor.

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 49.

Rückenholz mit
Heuschrecke
.
( 1/3 nat. Gr.)

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 50.

Rückenholz mit
Vögeln
.
( 1/3 nat. Gr.)

Aur Schwirrhölzern der Nahuqua,
vgl. Kapitel "Maskenornamentik und Tanz-
schmuck, III" die Abbildung, kommen Zick-
zacks derselben Art wie auf dem Rücken-
holz vor und gelten auch hier als Bild der
Schlange.

Zwei sehr merkwürdige Orna-
mente
lieferten uns ebenfalls noch die
Rückenhölzer. Das eine für unser Auge
von dem Mereschu nur durch die Kleinheit
der ausgefüllten Ecken zu unterscheiden,
war eine Heuschrecke, töviga der
Bakairi, tukura der Tupi. Das Muster
war mit dem des Mereschu-Fisches ver-
einigt; die langen, von den Ecken der
Raute ausgehenden Striche sind die Heu-
schreckenbeine.

Das andere Ornament bezieht sich
auf einen "kleinen Vogel", yaritamaze
der Bakairi, den ich nicht näher be-
stimmen kann. Dass es einen fliegenden
Vogel darstellt, begreift man ohne Weiteres.
Aber die Indianer verlangen mehr; sie bestehen auf dem yaritamaze.

Die Auetö-Ornamente zeichnen sich durch die weitest gehende Stilisierung
aus. In der "Künstlerhütte" des Dorfes fanden sich über den Thüren und an den
Wandpfosten zahlreiche Muster aufgemalt, deren bemerkenswerteste auf der Tafel 22
"Auetö-Ornamente" vereinigt sind. Sie sind sämtlich aus Dreiecken und
Rauten zusammengesetzt
. Während die Bakairi mit weissem Lehm auf ge-
schwärzte Rinde malten, trugen die Auetö schwarze Farbe auf hellem Holzgrund
auf oder schnitten die Muster ein und rieben mit Farbe nach. Mein Vetter
pflegte deshalb die Kollegen Auetö Schwarzkünstler und die Kollegen Bakairi
Pleinairisten zu nennen.


Die vier Rückenhölzer der Abbildung 48, Holzzilinder, die im dritten Bakaïrí-
dort zum Festschmuck an Schnüren auf dem Rücken getragen wurden und stili-
sierte Mandioka-Grabhölzer darstellten, bringen uns verschiedene schwarz auf-
gemalte Muster in hübscher Ausführung. Das erste zeigt Mereschu-Fische, das
dritte hängende Fledermäuse, die wir auch bei den Auetö́ antreffen werden, das
vierte die der Nr. 12 der Tafel 21 entsprechende Agauschlange, das zweite Uluris.
Niemals, so viel ich mich erinnere, kommt das Uluridreieck als ein nur aus drei
Umrisslinien zusammengesetztes Dreieck vor, ausgenommen in der Bleistift-
zeichnung auf Tafel 17. Das Dreieck ist stets ausgefüllt und ruft so den Eindruck
der konkreten Vorlage noch mit grösserer Unmittelbarkeit hervor.

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 49.

Rückenholz mit
Heuschrecke
.
(⅓ nat. Gr.)

[Abbildung]
[Abbildung] Abb. 50.

Rückenholz mit
Vögeln
.
(⅓ nat. Gr.)

Aur Schwirrhölzern der Nahuquá,
vgl. Kapitel »Maskenornamentik und Tanz-
schmuck, III« die Abbildung, kommen Zick-
zacks derselben Art wie auf dem Rücken-
holz vor und gelten auch hier als Bild der
Schlange.

Zwei sehr merkwürdige Orna-
mente
lieferten uns ebenfalls noch die
Rückenhölzer. Das eine für unser Auge
von dem Mereschu nur durch die Kleinheit
der ausgefüllten Ecken zu unterscheiden,
war eine Heuschrecke, tövíga der
Bakaïrí, tukúra der Tupí. Das Muster
war mit dem des Mereschu-Fisches ver-
einigt; die langen, von den Ecken der
Raute ausgehenden Striche sind die Heu-
schreckenbeine.

Das andere Ornament bezieht sich
auf einen »kleinen Vogel«, yaritamáze
der Bakaïrí, den ich nicht näher be-
stimmen kann. Dass es einen fliegenden
Vogel darstellt, begreift man ohne Weiteres.
Aber die Indianer verlangen mehr; sie bestehen auf dem yaritamáze.

Die Auetö́-Ornamente zeichnen sich durch die weitest gehende Stilisierung
aus. In der »Künstlerhütte« des Dorfes fanden sich über den Thüren und an den
Wandpfosten zahlreiche Muster aufgemalt, deren bemerkenswerteste auf der Tafel 22
»Auetö́-Ornamente« vereinigt sind. Sie sind sämtlich aus Dreiecken und
Rauten zusammengesetzt
. Während die Bakaïrí mit weissem Lehm auf ge-
schwärzte Rinde malten, trugen die Auetö́ schwarze Farbe auf hellem Holzgrund
auf oder schnitten die Muster ein und rieben mit Farbe nach. Mein Vetter
pflegte deshalb die Kollegen Auetö́ Schwarzkünstler und die Kollegen Bakaïrí
Pleinairisten zu nennen.


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[266/0326] Die vier Rückenhölzer der Abbildung 48, Holzzilinder, die im dritten Bakaïrí- dort zum Festschmuck an Schnüren auf dem Rücken getragen wurden und stili- sierte Mandioka-Grabhölzer darstellten, bringen uns verschiedene schwarz auf- gemalte Muster in hübscher Ausführung. Das erste zeigt Mereschu-Fische, das dritte hängende Fledermäuse, die wir auch bei den Auetö́ antreffen werden, das vierte die der Nr. 12 der Tafel 21 entsprechende Agauschlange, das zweite Uluris. Niemals, so viel ich mich erinnere, kommt das Uluridreieck als ein nur aus drei Umrisslinien zusammengesetztes Dreieck vor, ausgenommen in der Bleistift- zeichnung auf Tafel 17. Das Dreieck ist stets ausgefüllt und ruft so den Eindruck der konkreten Vorlage noch mit grösserer Unmittelbarkeit hervor. [Abbildung] [Abbildung Abb. 49. Rückenholz mit Heuschrecke. (⅓ nat. Gr.) ] [Abbildung] [Abbildung Abb. 50. Rückenholz mit Vögeln. (⅓ nat. Gr.) ] Aur Schwirrhölzern der Nahuquá, vgl. Kapitel »Maskenornamentik und Tanz- schmuck, III« die Abbildung, kommen Zick- zacks derselben Art wie auf dem Rücken- holz vor und gelten auch hier als Bild der Schlange. Zwei sehr merkwürdige Orna- mente lieferten uns ebenfalls noch die Rückenhölzer. Das eine für unser Auge von dem Mereschu nur durch die Kleinheit der ausgefüllten Ecken zu unterscheiden, war eine Heuschrecke, tövíga der Bakaïrí, tukúra der Tupí. Das Muster war mit dem des Mereschu-Fisches ver- einigt; die langen, von den Ecken der Raute ausgehenden Striche sind die Heu- schreckenbeine. Das andere Ornament bezieht sich auf einen »kleinen Vogel«, yaritamáze der Bakaïrí, den ich nicht näher be- stimmen kann. Dass es einen fliegenden Vogel darstellt, begreift man ohne Weiteres. Aber die Indianer verlangen mehr; sie bestehen auf dem yaritamáze. Die Auetö́-Ornamente zeichnen sich durch die weitest gehende Stilisierung aus. In der »Künstlerhütte« des Dorfes fanden sich über den Thüren und an den Wandpfosten zahlreiche Muster aufgemalt, deren bemerkenswerteste auf der Tafel 22 »Auetö́-Ornamente« vereinigt sind. Sie sind sämtlich aus Dreiecken und Rauten zusammengesetzt. Während die Bakaïrí mit weissem Lehm auf ge- schwärzte Rinde malten, trugen die Auetö́ schwarze Farbe auf hellem Holzgrund auf oder schnitten die Muster ein und rieben mit Farbe nach. Mein Vetter pflegte deshalb die Kollegen Auetö́ Schwarzkünstler und die Kollegen Bakaïrí Pleinairisten zu nennen.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/326>, abgerufen am 21.11.2024.