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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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scheint er keine Ahnung zu haben." Ich zitiere hier Martius schon deshalb,
weil ich nicht sicher bin, ob die Indianer nicht musikalischer sind als ich selbst.
In der That war Alles, was wir gehört haben, nur Ausdruck von Takt und
Rythmus. Ich rechne deshalb auch die Klappern, die nur Geräusche hervor-
bringen, zu ihren musikalischen Instrumenten. Sie hatten Fussklappern, Bündel
harter Fruchtschalen, besonders auch halbierte Piki-Kerne, die der Tänzer um die
Knöchel des aufstampfenden Fusses gebunden trug. (Vgl. die Abbildung 90,
Seite 299.) Klirrende Muschel- und Nussschalengehänge, die von Halsschnüren an
Baumwollquasten herabhingen, das Muschelbündel des Fischmakanari der Bakairi
dienten gleichem Zweck.

Der Kerne und Muschelschalenstücke enthaltende, von einem Bambusstöckchen
durchsetzte Rasselkürbis, der mit der Hand im Takt geschüttelt wurde, hatte bei
den Bakairi, Nahuqua und Kamayura denselben Namen wie die Fussklapper.*) Ein
sonderbarer Anblick für uns, wenn die erwachsenen Leute mit grossem Eifer das
Musikinstrument unserer Säuglinge schwingen. Vergeblich würde man die Rassel
bei Kindern suchen. Während wir bei den Bakairi keine Rasselkürbisse gesehen
haben, waren sie sehr zahlreich und mit mannigfachen Zierraten von Federchen,
Wachsklümpchen und Baumwolltroddeln ausgestattet bei den Nahuqua. Wir
fanden auch eine junge Schildkröte an Stelle des Kürbis auf ein Stöckchen aufge-
spiesst und bei den Auetö sogar das blaue, wie poliert aussehende Ei eines
Hühnervogels mit mehr als 1/3 m langem Stiel. Gelegentlich waren zwei Rassel-
kürbisse an einem Stiel.

Kürbisse von Flaschenform dienten zum taktmässigen Aufstampfen. Runde
mit eingesetztem Bambusrohr bildeten eine Art Uebergang zur Flöte.

Im dritten Bakairidorf und bei den Kamayura wurde als Pauke ein hohler
Baum
, der auf der Erde lag, benutzt.

Flöten. Eine hohle, mit zwei Löchern versehene, 6 cm lange Palmnuss,
in die man hineinblies, diente als Pfeifchen. Die beliebteste und vollkommenste
Flöte 3/4 -- 1 m lang, 6 cm dick, hiess bei den Bakairi meni, während sie bei den
übrigen Stämmen folgende, anscheinend sämtlich verwandte Namen führte: Me-
hinaku koluta, Kustenau kulutu, Trumai kut (Fussklapper kutchot), Nahuqua kuluta,
karuto, Kamayura kuruta, kurua, Auetö kalötu. In ein Rohr ist an einem Ende
ein dicker Wachspropf eingelassen, indem daneben der Wandung entlang ein
Kanal offen bleibt. Hier wird oben hineingeblasen, der Kanal führt zu einem
viereckigen Luftloch in der Rohrwandung. Im untern Viertel der Flöte befinden
sich vier Grifflöcher für Zeige- und Mittelfinger beider Hände; die am untern Ende
abschliessende Querwand ist durchbohrt. Zuweilen besteht das Rohr aus zwei
mit Wachs der ganzen Länge der Flöte nach verklebten Hälften; Umwickelung
mit Rindenstreifen, Rohr oder Baumwolle. Auch findet sich Abschrägung des
Mundstücks. Etuis gaben die aus Buritistroh geflochtenen Tanzärmel ab. Kleinere

*) kamitü bei den Kamayura, nicht maraka wie im Tupi, das bei ihnen den Gesang und
Tanz bedeutet. Auetö terua und Fussklapper aimara, was mit maraka verwandt sein könnte.

scheint er keine Ahnung zu haben.« Ich zitiere hier Martius schon deshalb,
weil ich nicht sicher bin, ob die Indianer nicht musikalischer sind als ich selbst.
In der That war Alles, was wir gehört haben, nur Ausdruck von Takt und
Rythmus. Ich rechne deshalb auch die Klappern, die nur Geräusche hervor-
bringen, zu ihren musikalischen Instrumenten. Sie hatten Fussklappern, Bündel
harter Fruchtschalen, besonders auch halbierte Pikí-Kerne, die der Tänzer um die
Knöchel des aufstampfenden Fusses gebunden trug. (Vgl. die Abbildung 90,
Seite 299.) Klirrende Muschel- und Nussschalengehänge, die von Halsschnüren an
Baumwollquasten herabhingen, das Muschelbündel des Fischmakanari der Bakaïrí
dienten gleichem Zweck.

Der Kerne und Muschelschalenstücke enthaltende, von einem Bambusstöckchen
durchsetzte Rasselkürbis, der mit der Hand im Takt geschüttelt wurde, hatte bei
den Bakaïrí, Nahuquá und Kamayurá denselben Namen wie die Fussklapper.*) Ein
sonderbarer Anblick für uns, wenn die erwachsenen Leute mit grossem Eifer das
Musikinstrument unserer Säuglinge schwingen. Vergeblich würde man die Rassel
bei Kindern suchen. Während wir bei den Bakaïrí keine Rasselkürbisse gesehen
haben, waren sie sehr zahlreich und mit mannigfachen Zierraten von Federchen,
Wachsklümpchen und Baumwolltroddeln ausgestattet bei den Nahuquá. Wir
fanden auch eine junge Schildkröte an Stelle des Kürbis auf ein Stöckchen aufge-
spiesst und bei den Auetö́ sogar das blaue, wie poliert aussehende Ei eines
Hühnervogels mit mehr als ⅓ m langem Stiel. Gelegentlich waren zwei Rassel-
kürbisse an einem Stiel.

Kürbisse von Flaschenform dienten zum taktmässigen Aufstampfen. Runde
mit eingesetztem Bambusrohr bildeten eine Art Uebergang zur Flöte.

Im dritten Bakaïrídorf und bei den Kamayurá wurde als Pauke ein hohler
Baum
, der auf der Erde lag, benutzt.

Flöten. Eine hohle, mit zwei Löchern versehene, 6 cm lange Palmnuss,
in die man hineinblies, diente als Pfeifchen. Die beliebteste und vollkommenste
Flöte ¾ — 1 m lang, 6 cm dick, hiess bei den Bakaïrí méni, während sie bei den
übrigen Stämmen folgende, anscheinend sämtlich verwandte Namen führte: Me-
hinakú kolutá, Kustenaú kulútu, Trumaí kut (Fussklapper kutchót), Nahuquá kulúta,
karúto, Kamayurá kurutá, kuruá, Auetö́ kalötú. In ein Rohr ist an einem Ende
ein dicker Wachspropf eingelassen, indem daneben der Wandung entlang ein
Kanal offen bleibt. Hier wird oben hineingeblasen, der Kanal führt zu einem
viereckigen Luftloch in der Rohrwandung. Im untern Viertel der Flöte befinden
sich vier Grifflöcher für Zeige- und Mittelfinger beider Hände; die am untern Ende
abschliessende Querwand ist durchbohrt. Zuweilen besteht das Rohr aus zwei
mit Wachs der ganzen Länge der Flöte nach verklebten Hälften; Umwickelung
mit Rindenstreifen, Rohr oder Baumwolle. Auch findet sich Abschrägung des
Mundstücks. Etuis gaben die aus Buritístroh geflochtenen Tanzärmel ab. Kleinere

*) kamitü bei den Kamayurá, nicht maráka wie im Tupí, das bei ihnen den Gesang und
Tanz bedeutet. Auetö́ teruá und Fussklapper aimára, was mit maráka verwandt sein könnte.
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[326/0390] scheint er keine Ahnung zu haben.« Ich zitiere hier Martius schon deshalb, weil ich nicht sicher bin, ob die Indianer nicht musikalischer sind als ich selbst. In der That war Alles, was wir gehört haben, nur Ausdruck von Takt und Rythmus. Ich rechne deshalb auch die Klappern, die nur Geräusche hervor- bringen, zu ihren musikalischen Instrumenten. Sie hatten Fussklappern, Bündel harter Fruchtschalen, besonders auch halbierte Pikí-Kerne, die der Tänzer um die Knöchel des aufstampfenden Fusses gebunden trug. (Vgl. die Abbildung 90, Seite 299.) Klirrende Muschel- und Nussschalengehänge, die von Halsschnüren an Baumwollquasten herabhingen, das Muschelbündel des Fischmakanari der Bakaïrí dienten gleichem Zweck. Der Kerne und Muschelschalenstücke enthaltende, von einem Bambusstöckchen durchsetzte Rasselkürbis, der mit der Hand im Takt geschüttelt wurde, hatte bei den Bakaïrí, Nahuquá und Kamayurá denselben Namen wie die Fussklapper. *) Ein sonderbarer Anblick für uns, wenn die erwachsenen Leute mit grossem Eifer das Musikinstrument unserer Säuglinge schwingen. Vergeblich würde man die Rassel bei Kindern suchen. Während wir bei den Bakaïrí keine Rasselkürbisse gesehen haben, waren sie sehr zahlreich und mit mannigfachen Zierraten von Federchen, Wachsklümpchen und Baumwolltroddeln ausgestattet bei den Nahuquá. Wir fanden auch eine junge Schildkröte an Stelle des Kürbis auf ein Stöckchen aufge- spiesst und bei den Auetö́ sogar das blaue, wie poliert aussehende Ei eines Hühnervogels mit mehr als ⅓ m langem Stiel. Gelegentlich waren zwei Rassel- kürbisse an einem Stiel. Kürbisse von Flaschenform dienten zum taktmässigen Aufstampfen. Runde mit eingesetztem Bambusrohr bildeten eine Art Uebergang zur Flöte. Im dritten Bakaïrídorf und bei den Kamayurá wurde als Pauke ein hohler Baum, der auf der Erde lag, benutzt. Flöten. Eine hohle, mit zwei Löchern versehene, 6 cm lange Palmnuss, in die man hineinblies, diente als Pfeifchen. Die beliebteste und vollkommenste Flöte ¾ — 1 m lang, 6 cm dick, hiess bei den Bakaïrí méni, während sie bei den übrigen Stämmen folgende, anscheinend sämtlich verwandte Namen führte: Me- hinakú kolutá, Kustenaú kulútu, Trumaí kut (Fussklapper kutchót), Nahuquá kulúta, karúto, Kamayurá kurutá, kuruá, Auetö́ kalötú. In ein Rohr ist an einem Ende ein dicker Wachspropf eingelassen, indem daneben der Wandung entlang ein Kanal offen bleibt. Hier wird oben hineingeblasen, der Kanal führt zu einem viereckigen Luftloch in der Rohrwandung. Im untern Viertel der Flöte befinden sich vier Grifflöcher für Zeige- und Mittelfinger beider Hände; die am untern Ende abschliessende Querwand ist durchbohrt. Zuweilen besteht das Rohr aus zwei mit Wachs der ganzen Länge der Flöte nach verklebten Hälften; Umwickelung mit Rindenstreifen, Rohr oder Baumwolle. Auch findet sich Abschrägung des Mundstücks. Etuis gaben die aus Buritístroh geflochtenen Tanzärmel ab. Kleinere *) kamitü bei den Kamayurá, nicht maráka wie im Tupí, das bei ihnen den Gesang und Tanz bedeutet. Auetö́ teruá und Fussklapper aimára, was mit maráka verwandt sein könnte.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/390>, abgerufen am 21.11.2024.