sodass Felipe an seine Stelle trat. Ist die Gemeinde mit ihrem Oberhaupt un- zufrieden, so weiss sie sich zu helfen: sie trennt sich von ihm und zieht einfach an einen andern Ort. Die Würde ist erblich, deshalb nicht immer in den besten Händen, und geht auf den Sohn und, wenn keiner da ist, auf den Sohn der Schwester über. In Maigeri war der Häuptling gestorben und hatte nur eine Tochter hinterlassen, "meine Zukünftige" in der Bakairi-Idylle. Häuptling wurde nun vorläufig Tumayaua, der Bruder der Witwe; sobald das Mädchen sich ver- heiratete, trat ihr Gatte an seine Stelle. Sie empfing eine Menge von Perlen, die wir Anderen gegeben hatten, ihr gehörte der Häuptling-Schemel.
In dem Wenigen, was ich von diesen Verhältnissen berichten kann, sind einige Züge der Matriarchats erkennbar. Die Söhne gehören zum Stamm der Mutter; Antonio erklärte, wenn einer der mit paressifrauen verheirateten Bakairi Kinder hätte, so wären das Paressi. Was freilich bei geraubten Frauen wohl nur sehr theoretisch gemeint sein kann. Zwischen Mehinaku und Nahuqua, zwischen Auetö und Yaulapiti, wie auch zwischen Kamayura und Auetö, zwischen Kama- yura und Mehinaku, zwischen Batovy-Bakairi und Kustenau, zwischen Kulisehu- Bakairi und Nahuqua kamen zu unserer Zeit eheliche Verbindungen vor. Wie bei den Nahuqua Mehinakufrauen lebten, hatten Auetö-Männer Yaulapitifrauen geheiratet und wohnten in zwei Häusern bei dem Auetödorf etwas abseit, sie wurden "Arauiti" genannt.*) Dagegen lebten ein Kustenau- und ein Nahuqua- Mann bei den Bakairi verheiratet, während wir das Umgekehrte, dass Bakairi- Frauen in einen andern Stamm hineingeheiratet hätten, niemals beobachtet haben. Pauhaga aus dem ersten Bakairidorf am Batovy hatte eine Tochter Awia's aus Maigeri zur Frau und kam, als seine Gattin ihrer Entbindung ent- gegensah, mit ihr in Awia's Haus am Kulisehu, damit sie oder vielmehr sie beide, wie wir sehen werden, die Wochenstube bei den Schwiegereltern bezögen. Der Bruder der Mutter galt immer noch, obwohl die Leute in Einehe lebten und der Vater das Oberhaupt der Familie war, als ein dem Vater gleichwertiger Beschützer des Kindes und trat jedenfalls alle Pflichten an, wenn der Vater starb, für die Zeit bis die Kinder erwachsen waren. Er verfügte über ihr Eigentum, nicht die Mutter.
Aelterer und jüngerer Bruder hatten bei allen Stämmen eine verschiedene Bezeichnung. Der jüngere Bruder stand auf gleicher Stufe mit dem Vetter und hatte mit ihm den Namen gemeinsam. Die Bakairi nannten mich "älterer Bruder", später im dritten Dorf auch "Grossvater", die Mehinaku "Onkel" (Mutterbruder). Meine Reisegefährten hiessen stets meine "jüngeren Brüder oder Vettern", wurden auch von den Indianern selbst so angeredet.
Heiraten werden ohne Hochzeitfeierlichkeiten abgeschlossen, die Eltern, zuerst die Väter, dann die Mütter, bereden die Sache, der Vater der Braut erhält
*) Ein "Arauiti" wurde von dem Auetö-Häuptling auch der Suya-Häuptling genannt, der uns 1884 die Karte des Flusslaufs gegeben hatte. Sein auffallend kleiner Lippenpflock wäre damit erklärt, dass er die Operation später nachgeholt hätte, seine geographischen Kenntnisse führte er selbst auf eigene Reisen zurück.
sodass Felipe an seine Stelle trat. Ist die Gemeinde mit ihrem Oberhaupt un- zufrieden, so weiss sie sich zu helfen: sie trennt sich von ihm und zieht einfach an einen andern Ort. Die Würde ist erblich, deshalb nicht immer in den besten Händen, und geht auf den Sohn und, wenn keiner da ist, auf den Sohn der Schwester über. In Maigéri war der Häuptling gestorben und hatte nur eine Tochter hinterlassen, »meine Zukünftige« in der Bakaïrí-Idylle. Häuptling wurde nun vorläufig Tumayaua, der Bruder der Witwe; sobald das Mädchen sich ver- heiratete, trat ihr Gatte an seine Stelle. Sie empfing eine Menge von Perlen, die wir Anderen gegeben hatten, ihr gehörte der Häuptling-Schemel.
In dem Wenigen, was ich von diesen Verhältnissen berichten kann, sind einige Züge der Matriarchats erkennbar. Die Söhne gehören zum Stamm der Mutter; Antonio erklärte, wenn einer der mit paressífrauen verheirateten Bakaïrí Kinder hätte, so wären das Paressí. Was freilich bei geraubten Frauen wohl nur sehr theoretisch gemeint sein kann. Zwischen Mehinakú und Nahuquá, zwischen Auetö́ und Yaulapiti, wie auch zwischen Kamayurá und Auetö́, zwischen Kama- yurá und Mehinakú, zwischen Batovy-Bakaïrí und Kustenaú, zwischen Kulisehu- Bakaïrí und Nahuquá kamen zu unserer Zeit eheliche Verbindungen vor. Wie bei den Nahuquá Mehinakúfrauen lebten, hatten Auetö́-Männer Yaulapitifrauen geheiratet und wohnten in zwei Häusern bei dem Auetö́dorf etwas abseit, sie wurden »Arauití« genannt.*) Dagegen lebten ein Kustenaú- und ein Nahuquá- Mann bei den Bakaïrí verheiratet, während wir das Umgekehrte, dass Bakaïrí- Frauen in einen andern Stamm hineingeheiratet hätten, niemals beobachtet haben. Pauhaga aus dem ersten Bakaïrídorf am Batovy hatte eine Tochter Awiá’s aus Maigéri zur Frau und kam, als seine Gattin ihrer Entbindung ent- gegensah, mit ihr in Awiá’s Haus am Kulisehu, damit sie oder vielmehr sie beide, wie wir sehen werden, die Wochenstube bei den Schwiegereltern bezögen. Der Bruder der Mutter galt immer noch, obwohl die Leute in Einehe lebten und der Vater das Oberhaupt der Familie war, als ein dem Vater gleichwertiger Beschützer des Kindes und trat jedenfalls alle Pflichten an, wenn der Vater starb, für die Zeit bis die Kinder erwachsen waren. Er verfügte über ihr Eigentum, nicht die Mutter.
Aelterer und jüngerer Bruder hatten bei allen Stämmen eine verschiedene Bezeichnung. Der jüngere Bruder stand auf gleicher Stufe mit dem Vetter und hatte mit ihm den Namen gemeinsam. Die Bakaïrí nannten mich »älterer Bruder«, später im dritten Dorf auch »Grossvater«, die Mehinakú »Onkel« (Mutterbruder). Meine Reisegefährten hiessen stets meine »jüngeren Brüder oder Vettern«, wurden auch von den Indianern selbst so angeredet.
Heiraten werden ohne Hochzeitfeierlichkeiten abgeschlossen, die Eltern, zuerst die Väter, dann die Mütter, bereden die Sache, der Vater der Braut erhält
*) Ein »Arauití« wurde von dem Auetö́-Häuptling auch der Suyá-Häuptling genannt, der uns 1884 die Karte des Flusslaufs gegeben hatte. Sein auffallend kleiner Lippenpflock wäre damit erklärt, dass er die Operation später nachgeholt hätte, seine geographischen Kenntnisse führte er selbst auf eigene Reisen zurück.
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sodass Felipe an seine Stelle trat. Ist die Gemeinde mit ihrem Oberhaupt un-
zufrieden, so weiss sie sich zu helfen: sie trennt sich von ihm und zieht einfach
an einen andern Ort. Die Würde ist erblich, deshalb nicht immer in den besten
Händen, und geht auf den Sohn und, wenn keiner da ist, auf den Sohn der
Schwester über. In Maigéri war der Häuptling gestorben und hatte nur eine
Tochter hinterlassen, »meine Zukünftige« in der Bakaïrí-Idylle. Häuptling wurde
nun vorläufig Tumayaua, der Bruder der Witwe; sobald das Mädchen sich ver-
heiratete, trat ihr Gatte an seine Stelle. Sie empfing eine Menge von Perlen,
die wir Anderen gegeben hatten, ihr gehörte der Häuptling-Schemel.
In dem Wenigen, was ich von diesen Verhältnissen berichten kann, sind
einige Züge der Matriarchats erkennbar. Die Söhne gehören zum Stamm der
Mutter; Antonio erklärte, wenn einer der mit paressífrauen verheirateten Bakaïrí
Kinder hätte, so wären das Paressí. Was freilich bei geraubten Frauen wohl
nur sehr theoretisch gemeint sein kann. Zwischen Mehinakú und Nahuquá, zwischen
Auetö́ und Yaulapiti, wie auch zwischen Kamayurá und Auetö́, zwischen Kama-
yurá und Mehinakú, zwischen Batovy-Bakaïrí und Kustenaú, zwischen Kulisehu-
Bakaïrí und Nahuquá kamen zu unserer Zeit eheliche Verbindungen vor. Wie
bei den Nahuquá Mehinakúfrauen lebten, hatten Auetö́-Männer Yaulapitifrauen
geheiratet und wohnten in zwei Häusern bei dem Auetö́dorf etwas abseit, sie
wurden »Arauití« genannt. *) Dagegen lebten ein Kustenaú- und ein Nahuquá-
Mann bei den Bakaïrí verheiratet, während wir das Umgekehrte, dass Bakaïrí-
Frauen in einen andern Stamm hineingeheiratet hätten, niemals beobachtet
haben. Pauhaga aus dem ersten Bakaïrídorf am Batovy hatte eine Tochter
Awiá’s aus Maigéri zur Frau und kam, als seine Gattin ihrer Entbindung ent-
gegensah, mit ihr in Awiá’s Haus am Kulisehu, damit sie oder vielmehr sie beide,
wie wir sehen werden, die Wochenstube bei den Schwiegereltern bezögen. Der
Bruder der Mutter galt immer noch, obwohl die Leute in Einehe lebten und der
Vater das Oberhaupt der Familie war, als ein dem Vater gleichwertiger Beschützer
des Kindes und trat jedenfalls alle Pflichten an, wenn der Vater starb, für die Zeit bis
die Kinder erwachsen waren. Er verfügte über ihr Eigentum, nicht die Mutter.
Aelterer und jüngerer Bruder hatten bei allen Stämmen eine verschiedene
Bezeichnung. Der jüngere Bruder stand auf gleicher Stufe mit dem Vetter und
hatte mit ihm den Namen gemeinsam. Die Bakaïrí nannten mich »älterer Bruder«,
später im dritten Dorf auch »Grossvater«, die Mehinakú »Onkel« (Mutterbruder).
Meine Reisegefährten hiessen stets meine »jüngeren Brüder oder Vettern«, wurden
auch von den Indianern selbst so angeredet.
Heiraten werden ohne Hochzeitfeierlichkeiten abgeschlossen, die Eltern,
zuerst die Väter, dann die Mütter, bereden die Sache, der Vater der Braut erhält
*) Ein »Arauití« wurde von dem Auetö́-Häuptling auch der Suyá-Häuptling genannt, der uns
1884 die Karte des Flusslaufs gegeben hatte. Sein auffallend kleiner Lippenpflock wäre damit
erklärt, dass er die Operation später nachgeholt hätte, seine geographischen Kenntnisse führte er
selbst auf eigene Reisen zurück.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 331. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/395>, abgerufen am 21.11.2024.
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