Die Westbakairi verlegen die Urheimat des ganzen Stammes mit Bestimmt- heit an den Salto des Paranatinga, sodass unser Karaibenstamm ursprünglich dem Tapajoz angehören würde. Aber die westlichen Quellflüsse des Schingu und die östlichen des Paranatinga liegen in so unmittelbarer Nachbarschaft, dass es rein vom Zufall abhängt, wohin flussabwärts ziehende Stämme geraten. "Einer der Grossväter" Caetano's wurde im Walde von einem andern Bakairi erschlagen; innerhalb des Stammes herrschten damals böse Streitigkeiten und die Folge war -- so lautet der Bericht der Paranatingaleute -- dass ein Teil der Bakairi vom Salto zum Kulisehu zog.
Auch zwischen Paranatinga und Ronuro giebt es eine den Westbakairi be- kannte "Tapeira", eine verfallene Ansiedelung, aus vergangener Zeit. Vom Salto hat einstmals ein Weg bis zu den Auetö am Kulisehu geführt, der also den Ronuro oder seine Quellflüsschen und den Batovy passieren musste. Auf diesem Weg seien die Bakairi geflohen und hätten sich teilweise am Batovy, teilweise am Kulisehu niedergelassen. Von den Nahuqua hätten sie Mandioka- zweige, Bataten und Carafrüchte zum Anpflanzen erhalten.
Das sind also ganz bestimmte Angaben. Wann sich aber die Trennung zwischen West- und Ostbakairi vollzogen hat, und ob sie in mehreren Schüben vor sich gegangen ist, ist schwer zu sagen. Wie eben schon der Stamm der Auetö und der Nahuqua in der Ueberlieferung des Paranatingadorfes erscheint, so habe man dort auch noch von den Zeiten der Grossväter Caetano's her Namen der übrigen Kulisehustämme, der Mehinaku, Yaulapiti, Kustenau, Waura, Kamayura und Trumai gekannt. Im dritten Bakairidorf am Batovy haben wir ein kleines Stück Eisen gefunden, das früher vom Pakuneru, dem Paranatinga, gebracht worden sei; so mögen gelegentliche Besuche zwischen hüben und drüben noch vorgekommen oder wenigstens dann und wann noch Paranatinga-Bakairi an den Schingu gelangt sein.
Aber im Allgemeinen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die eigentliche Trennung der beiden Bakairigruppen sich spätestens um die Mitte oder den An- fang des vorigen Jahrhunderts vollzogen hat, als die Brasilier sich im Matogrosso festsetzten und grosse Verschiebungen der Stämme veranlassten. Wahrscheinlich hat es sich nicht nur um eine einzelne innere Fehde der Anwohner des Salto, sondern auch um die bösen Nachbarn gehandelt, von denen die friedfertigeren Bakairi bedrängt und gelegentlich vertrieben wurden.
In den brasilischen Quellen werden als Feinde der Bakairi angegeben die Nambiquara, Tapanhuna und Kayabi, über die aber keine näheren Mit- teilungen vorliegen. Die Nambiquara und Tapanhuna, Feinde der Apiaka, wohnten im Arinosgebiet; von den Tapanhuna giebt Joaquim Ferreira Moutinho*) an, dass sie die Bakairi-Sprache redeten; leider sind niemals überhaupt Auf- zeichnungen von der Sprache der Bakairi, geschweige von der der Tapanhuna
*) Noticia da Provincia de Mato Grosso, S. Paulo 1869, p. 216.
Die Westbakaïrí verlegen die Urheimat des ganzen Stammes mit Bestimmt- heit an den Salto des Paranatinga, sodass unser Karaibenstamm ursprünglich dem Tapajoz angehören würde. Aber die westlichen Quellflüsse des Schingú und die östlichen des Paranatinga liegen in so unmittelbarer Nachbarschaft, dass es rein vom Zufall abhängt, wohin flussabwärts ziehende Stämme geraten. »Einer der Grossväter« Caetano’s wurde im Walde von einem andern Bakaïrí erschlagen; innerhalb des Stammes herrschten damals böse Streitigkeiten und die Folge war — so lautet der Bericht der Paranatingaleute — dass ein Teil der Bakaïrí vom Salto zum Kulisehu zog.
Auch zwischen Paranatinga und Ronuro giebt es eine den Westbakaïrí be- kannte »Tapeira«, eine verfallene Ansiedelung, aus vergangener Zeit. Vom Salto hat einstmals ein Weg bis zu den Auetö́ am Kulisehu geführt, der also den Ronuro oder seine Quellflüsschen und den Batovy passieren musste. Auf diesem Weg seien die Bakaïrí geflohen und hätten sich teilweise am Batovy, teilweise am Kulisehu niedergelassen. Von den Nahuquá hätten sie Mandioka- zweige, Bataten und Caráfrüchte zum Anpflanzen erhalten.
Das sind also ganz bestimmte Angaben. Wann sich aber die Trennung zwischen West- und Ostbakaïrí vollzogen hat, und ob sie in mehreren Schüben vor sich gegangen ist, ist schwer zu sagen. Wie eben schon der Stamm der Auetö́ und der Nahuquá in der Ueberlieferung des Paranatingadorfes erscheint, so habe man dort auch noch von den Zeiten der Grossväter Caetano’s her Namen der übrigen Kulisehustämme, der Mehinakú, Yaulapiti, Kustenaú, Waurá, Kamayurá und Trumaí gekannt. Im dritten Bakaïrídorf am Batovy haben wir ein kleines Stück Eisen gefunden, das früher vom Pakuneru, dem Paranatinga, gebracht worden sei; so mögen gelegentliche Besuche zwischen hüben und drüben noch vorgekommen oder wenigstens dann und wann noch Paranatinga-Bakaïrí an den Schingú gelangt sein.
Aber im Allgemeinen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die eigentliche Trennung der beiden Bakaïrígruppen sich spätestens um die Mitte oder den An- fang des vorigen Jahrhunderts vollzogen hat, als die Brasilier sich im Matogrosso festsetzten und grosse Verschiebungen der Stämme veranlassten. Wahrscheinlich hat es sich nicht nur um eine einzelne innere Fehde der Anwohner des Salto, sondern auch um die bösen Nachbarn gehandelt, von denen die friedfertigeren Bakaïrí bedrängt und gelegentlich vertrieben wurden.
In den brasilischen Quellen werden als Feinde der Bakaïrí angegeben die Nambiquara, Tapanhuna und Kayabí, über die aber keine näheren Mit- teilungen vorliegen. Die Nambiquara und Tapanhuna, Feinde der Apiaká, wohnten im Arinosgebiet; von den Tapanhuna giebt Joaquim Ferreira Moutinho*) an, dass sie die Bakaïrí-Sprache redeten; leider sind niemals überhaupt Auf- zeichnungen von der Sprache der Bakaïrí, geschweige von der der Tapanhuna
*) Noticia da Provincia de Mato Grosso, S. Paulo 1869, p. 216.
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Tapajoz angehören würde. Aber die westlichen Quellflüsse des Schingú und die
östlichen des Paranatinga liegen in so unmittelbarer Nachbarschaft, dass es rein
vom Zufall abhängt, wohin flussabwärts ziehende Stämme geraten. »Einer der
Grossväter« Caetano’s wurde im Walde von einem andern Bakaïrí erschlagen;
innerhalb des Stammes herrschten damals böse Streitigkeiten und die Folge war
— so lautet der Bericht der Paranatingaleute — dass ein Teil der Bakaïrí vom
Salto zum Kulisehu zog.
Auch zwischen Paranatinga und Ronuro giebt es eine den Westbakaïrí be-
kannte »Tapeira«, eine verfallene Ansiedelung, aus vergangener Zeit. Vom Salto
hat einstmals ein Weg bis zu den Auetö́ am Kulisehu geführt, der also den
Ronuro oder seine Quellflüsschen und den Batovy passieren musste. Auf diesem
Weg seien die Bakaïrí geflohen und hätten sich teilweise am Batovy, teilweise
am Kulisehu niedergelassen. Von den Nahuquá hätten sie Mandioka-
zweige, Bataten und Caráfrüchte zum Anpflanzen erhalten.
Das sind also ganz bestimmte Angaben. Wann sich aber die Trennung
zwischen West- und Ostbakaïrí vollzogen hat, und ob sie in mehreren Schüben
vor sich gegangen ist, ist schwer zu sagen. Wie eben schon der Stamm der
Auetö́ und der Nahuquá in der Ueberlieferung des Paranatingadorfes erscheint,
so habe man dort auch noch von den Zeiten der Grossväter Caetano’s her Namen
der übrigen Kulisehustämme, der Mehinakú, Yaulapiti, Kustenaú, Waurá, Kamayurá
und Trumaí gekannt. Im dritten Bakaïrídorf am Batovy haben wir ein kleines
Stück Eisen gefunden, das früher vom Pakuneru, dem Paranatinga, gebracht
worden sei; so mögen gelegentliche Besuche zwischen hüben und drüben noch
vorgekommen oder wenigstens dann und wann noch Paranatinga-Bakaïrí an den
Schingú gelangt sein.
Aber im Allgemeinen habe ich den Eindruck gewonnen, dass die eigentliche
Trennung der beiden Bakaïrígruppen sich spätestens um die Mitte oder den An-
fang des vorigen Jahrhunderts vollzogen hat, als die Brasilier sich im Matogrosso
festsetzten und grosse Verschiebungen der Stämme veranlassten. Wahrscheinlich
hat es sich nicht nur um eine einzelne innere Fehde der Anwohner des Salto,
sondern auch um die bösen Nachbarn gehandelt, von denen die friedfertigeren
Bakaïrí bedrängt und gelegentlich vertrieben wurden.
In den brasilischen Quellen werden als Feinde der Bakaïrí angegeben die
Nambiquara, Tapanhuna und Kayabí, über die aber keine näheren Mit-
teilungen vorliegen. Die Nambiquara und Tapanhuna, Feinde der Apiaká,
wohnten im Arinosgebiet; von den Tapanhuna giebt Joaquim Ferreira Moutinho *)
an, dass sie die Bakaïrí-Sprache redeten; leider sind niemals überhaupt Auf-
zeichnungen von der Sprache der Bakaïrí, geschweige von der der Tapanhuna
*) Noticia da Provincia de Mato Grosso, S. Paulo 1869, p. 216.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/455>, abgerufen am 22.11.2024.
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