Gehen wir nun aber, um Uazale's Ursprung zu erfahren, sofort auf die erste Person der Weltgeschichte zurück, die bei den Paressi eine Frau ist ohne Gatten. Wiederum sehen wir, dass die Frau nicht erklärt zu werden braucht, sie wird auch bei allen nachfolgenden Brüdern Uazale's, die Söhne haben, vorausgesetzt. Es hiess immer, dann wurde der und der geboren, ohne dass jemals der Geburt der Frau Erwähnung geschah, und als ich mich besonders erkundigte, "woher hatte er denn seine Frau?" lautete die Auskunft: "die war auch geboren worden".
Maisö hat keine Eltern. Wer Freund von schönen Worten ist, nenne sie die "Allmutter". Sie hat menschliche Gestalt und ist aus Stein, zu ihrer Zeit war es noch dunkel, es gab noch keine Flüsse, keine Erde, kein Holz. Sie nahm ein Stück Holz -- woher weiss ich nicht -- und steckte es in die Vagina: da floss aus ihrem Leib der Rio Cuyaba hervor, er war sehr schmutzig. Bald aber kam ein Wasser klar und schön, der Rio Paressi. Sie that Erde in das Wasser, es entstand der Boden.
Dann kamen "viele Leute" aus dem Leibe hervor, als erster Darukavaitere, alle Kopf, Arme, Brust u. s. w. aus Stein.
Darukavaitere hatte eine Frau Namens Uarahiulu oder Urulahiulu. Er ging nur in der Nacht aus, es gab noch keinen Tagesanbruch. Die Sonne, den Mond, den Strauss, den Jaguar, das Seriema, den Sumpfhirsch und was wir am Himmel sehen, hat Darukavaitere selbst mit seiner Frau gezeugt und dort "hin- gesetzt". Mit seiner Frau zeugte er dann Papageienvögel und Schlangen. Uara- hiulu gebar zuerst einen gewöhnlichen Perikito und zwei gleichfarbige Perikito- schlangen, dann zeugten sie wieder und die Frau gebar zuerst einen Blauen Arara, der schon ein menschliches Gesicht hatte, und danach auch eine Blaue Arara- schlange, zum dritten Mal gebar sie einen Roten Arara, auch mit einem mensch- lichen Gesicht, und eine Rote Araraschlange, zum vierten Mal einen Marakana- Papagei und eine Marakanaschlange. Schwiegermutter Maisö war sehr böse über diese verunglückten Versuche. "Immer nur Papageien und Schlangen", schimpfte sie, "und noch keine Menschen!" Sie sann hin und her, nahm ihr Haar, legte es der Tochter auf den Leib, knetete diesen und wusch sie im Fluss; wieder zeugte Uarahiulu mit Darukavaitere und nun gebar sie Uazale, den Stammvater der Paressi, der menschliches Aussehen besass. Doch hatte Uazale schwarzes Haar über den ganzen Leib, einen kurzen Schwanz und eine Flughaut zwischen Armen und Beinen wie eine Fledermaus.
Urulahiulu erhielt nun noch neun Söhne von Darukavaitere, unter diesen die Stammväter der den Paressi verwandten Stämme. Ihre Söhne waren: 1. Uazale, 2. Zatemare, 3. Kamahie, 4. Kamaikure, (2, 3 und 4 bleiben ohne Nachkommen), 5. Kamazu, den Grossvater der Kabischi, die deshalb die Paressi als ältere Brüder gelten lassen müssen, 6. Zaluia und 7. Zakalu, beides Grossväter der Waimare, 8. Zaulure, der Grossvater der Kaschiniti, die heute nicht mehr als selbständiger Stamm leben, 9. Aurumenare ohne Nachkommen
Gehen wir nun aber, um Uazale’s Ursprung zu erfahren, sofort auf die erste Person der Weltgeschichte zurück, die bei den Paressí eine Frau ist ohne Gatten. Wiederum sehen wir, dass die Frau nicht erklärt zu werden braucht, sie wird auch bei allen nachfolgenden Brüdern Uazale’s, die Söhne haben, vorausgesetzt. Es hiess immer, dann wurde der und der geboren, ohne dass jemals der Geburt der Frau Erwähnung geschah, und als ich mich besonders erkundigte, »woher hatte er denn seine Frau?« lautete die Auskunft: »die war auch geboren worden«.
Maisö́ hat keine Eltern. Wer Freund von schönen Worten ist, nenne sie die »Allmutter«. Sie hat menschliche Gestalt und ist aus Stein, zu ihrer Zeit war es noch dunkel, es gab noch keine Flüsse, keine Erde, kein Holz. Sie nahm ein Stück Holz — woher weiss ich nicht — und steckte es in die Vagina: da floss aus ihrem Leib der Rio Cuyabá hervor, er war sehr schmutzig. Bald aber kam ein Wasser klar und schön, der Rio Paressí. Sie that Erde in das Wasser, es entstand der Boden.
Dann kamen »viele Leute« aus dem Leibe hervor, als erster Darúkavaiteré, alle Kopf, Arme, Brust u. s. w. aus Stein.
Darúkavaiteré hatte eine Frau Namens Uarahiulú oder Urulahiulú. Er ging nur in der Nacht aus, es gab noch keinen Tagesanbruch. Die Sonne, den Mond, den Strauss, den Jaguar, das Seriema, den Sumpfhirsch und was wir am Himmel sehen, hat Darúkavaiteré selbst mit seiner Frau gezeugt und dort »hin- gesetzt«. Mit seiner Frau zeugte er dann Papageienvögel und Schlangen. Uara- hiulú gebar zuerst einen gewöhnlichen Perikito und zwei gleichfarbige Perikito- schlangen, dann zeugten sie wieder und die Frau gebar zuerst einen Blauen Arara, der schon ein menschliches Gesicht hatte, und danach auch eine Blaue Arara- schlange, zum dritten Mal gebar sie einen Roten Arara, auch mit einem mensch- lichen Gesicht, und eine Rote Araraschlange, zum vierten Mal einen Marakaná- Papagei und eine Marakanáschlange. Schwiegermutter Maisö́ war sehr böse über diese verunglückten Versuche. »Immer nur Papageien und Schlangen«, schimpfte sie, »und noch keine Menschen!« Sie sann hin und her, nahm ihr Haar, legte es der Tochter auf den Leib, knetete diesen und wusch sie im Fluss; wieder zeugte Uarahiulú mit Darúkavaiteré und nun gebar sie Uazale, den Stammvater der Paressí, der menschliches Aussehen besass. Doch hatte Uazale schwarzes Haar über den ganzen Leib, einen kurzen Schwanz und eine Flughaut zwischen Armen und Beinen wie eine Fledermaus.
Urulahiulú erhielt nun noch neun Söhne von Darúkavaiteré, unter diesen die Stammväter der den Paressí verwandten Stämme. Ihre Söhne waren: 1. Uazale, 2. Zatemaré, 3. Kamahié, 4. Kamaikuré, (2, 3 und 4 bleiben ohne Nachkommen), 5. Kamázu, den Grossvater der Kabischí, die deshalb die Paressí als ältere Brüder gelten lassen müssen, 6. Zaluiá und 7. Zakálu, beides Grossväter der Waimaré, 8. Zauluré, der Grossvater der Kaschinití, die heute nicht mehr als selbständiger Stamm leben, 9. Aurumenaré ohne Nachkommen
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Gehen wir nun aber, um Uazale’s Ursprung zu erfahren, sofort auf die erste
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Wiederum sehen wir, dass die Frau nicht erklärt zu werden braucht, sie wird
auch bei allen nachfolgenden Brüdern Uazale’s, die Söhne haben, vorausgesetzt.
Es hiess immer, dann wurde der und der geboren, ohne dass jemals der
Geburt der Frau Erwähnung geschah, und als ich mich besonders erkundigte,
»woher hatte er denn seine Frau?« lautete die Auskunft: »die war auch geboren
worden«.
Maisö́ hat keine Eltern. Wer Freund von schönen Worten ist, nenne sie
die »Allmutter«. Sie hat menschliche Gestalt und ist aus Stein, zu ihrer Zeit
war es noch dunkel, es gab noch keine Flüsse, keine Erde, kein Holz. Sie nahm
ein Stück Holz — woher weiss ich nicht — und steckte es in die Vagina: da
floss aus ihrem Leib der Rio Cuyabá hervor, er war sehr schmutzig. Bald aber
kam ein Wasser klar und schön, der Rio Paressí. Sie that Erde in das Wasser,
es entstand der Boden.
Dann kamen »viele Leute« aus dem Leibe hervor, als erster Darúkavaiteré,
alle Kopf, Arme, Brust u. s. w. aus Stein.
Darúkavaiteré hatte eine Frau Namens Uarahiulú oder Urulahiulú. Er
ging nur in der Nacht aus, es gab noch keinen Tagesanbruch. Die Sonne, den
Mond, den Strauss, den Jaguar, das Seriema, den Sumpfhirsch und was wir am
Himmel sehen, hat Darúkavaiteré selbst mit seiner Frau gezeugt und dort »hin-
gesetzt«. Mit seiner Frau zeugte er dann Papageienvögel und Schlangen. Uara-
hiulú gebar zuerst einen gewöhnlichen Perikito und zwei gleichfarbige Perikito-
schlangen, dann zeugten sie wieder und die Frau gebar zuerst einen Blauen Arara,
der schon ein menschliches Gesicht hatte, und danach auch eine Blaue Arara-
schlange, zum dritten Mal gebar sie einen Roten Arara, auch mit einem mensch-
lichen Gesicht, und eine Rote Araraschlange, zum vierten Mal einen Marakaná-
Papagei und eine Marakanáschlange. Schwiegermutter Maisö́ war sehr böse über
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sie, »und noch keine Menschen!« Sie sann hin und her, nahm ihr Haar, legte
es der Tochter auf den Leib, knetete diesen und wusch sie im Fluss; wieder
zeugte Uarahiulú mit Darúkavaiteré und nun gebar sie Uazale, den Stammvater
der Paressí, der menschliches Aussehen besass. Doch hatte Uazale schwarzes
Haar über den ganzen Leib, einen kurzen Schwanz und eine Flughaut zwischen
Armen und Beinen wie eine Fledermaus.
Urulahiulú erhielt nun noch neun Söhne von Darúkavaiteré, unter diesen
die Stammväter der den Paressí verwandten Stämme. Ihre Söhne waren:
1. Uazale, 2. Zatemaré, 3. Kamahié, 4. Kamaikuré, (2, 3 und 4 bleiben
ohne Nachkommen), 5. Kamázu, den Grossvater der Kabischí, die deshalb die
Paressí als ältere Brüder gelten lassen müssen, 6. Zaluiá und 7. Zakálu, beides
Grossväter der Waimaré, 8. Zauluré, der Grossvater der Kaschinití, die heute
nicht mehr als selbständiger Stamm leben, 9. Aurumenaré ohne Nachkommen
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 437. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/501>, abgerufen am 22.11.2024.
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